Please Kill Me. Gillian McCain

Please Kill Me - Gillian McCain


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Morrison: Als wir das erste Mal in die Factory kamen, waren wir alle auf Beruhigungsmitteln – wir haben Thorazine und alle möglichen Barbiturate gefressen. Seconal und Thorazine waren die absoluten Renner. Thorazine konnte man sich ganz einfach vom Arzt verschreiben lassen – irgendjemand hatte immer ein Rezept. Das war ein richtig gutes Zeug aus der Apotheke.

      Normalerweise wurde Thorazine nur bei gefährlichen Psychoten ange­wendet, weil es einen definitiv ruhig gestellt hat. Es versetzte einen in eine Art katatonischen Zustand, hahaha. Ich habe das Zeug immer mit Alkohol runter­gespült und war dann jeden Morgen ganz gespannt, ob ich noch am Leben bin.

      Ronnie Cutrone: Wenn man in der Factory aus dem Lift stieg, sprang einem als erstes das Schild ABSOLUTES DROGENVERBOT ins Auge, das Paul Morris­sey dort aufgehängt hatte. Mittlerweile war es üblich geworden, dass sich alle ihre Schüsse im Treppenhaus setzten. In der Factory nahm denn auch tatsäch­lich niemand irgendwelche Drogen, außer Andy, der immer Obetrol genom­men hat, diese kleinen orangefarbenen Speedpillen. Er nahm jeden Tag eine, wenn er anfing zu malen, denn er war ein Workaholic. Das war wirklich seine Droge. Alle anderen setzten sich ihre Schüsse im Treppenhaus.

      Allerdings nur Methedrin. Da waren wir Puristen. Die anderen nahmen Acid. Ich war damals bereits weg vom Acid. Ich war auf Methedrin, weil man ja schließlich uptight werden musste. Mit uptight assoziierte man normalerweise etwas Positives, zum Beispiel den gleichnamigen Song von Stevie Wonder, bei uns bedeutete es allerdings eher rigid und paranoid. Daher also Methedrin.

      Ed Sanders: Ich kannte Andy Warhol bereits, bevor er sich mit diesen merk­würdigen Subjekten umgab. Das war auch der Grund, weshalb ich ihn nicht mehr besuchte, ich fühlte mich einfach nicht mehr wohl dort. Es ging dort mitt­lerweile sogar ein wenig zu brutal zu. Ich hatte von solchen Leuten wirklich die Nase voll. Wir nannten sie A­Köpfe, als Abkürzung für Amphetaminköpfe, weil sie alle auf Speed waren.

      Irgendwann habe ich dann allerdings angefangen, Dokumentarfilme über diese Amphetaminköpfe zu drehen. Ich mietete dieses verfallene Loft in der Allen Street, besorgte ein paar Unzen Amphetamin und türmte mitten im Raum ein Amphetaminhäufchen auf und umstellte den Rand mit Lichtern. Als einzige Regel galt, dass ich alles filmen konnte, weil ich eben diesen Dokumen­tarfilm mit dem Titel Amphetamine Head drehen wollte. Ich habe es allen gesagt, und dann kamen all diese A­Köpfe auch tatsächlich und haben mit ihren Spritzen zuerst farbige Tinte auf eine Leinwand gespritzt und sich hinterher mit denselben Spritzen ihren Schuss gesetzt. Das ist ein ziemlich heißer Streifen geworden, aber leider wurde das Filmmaterial von der Polizei beschlagnahmt.

      Susan Pile: Die Leute machten schon sehr merkwürdige Sachen, wenn sie auf Speed waren. Irgendwann tauchte im Max’s Kansas City ein Typ auf, der seinen Arm in einer Schlinge trug, und jeder fragte ihn: „Was hast du denn gemacht?“

      „Oh, ich habe mir einen Schuss Speed gesetzt und konnte hinterher drei Tage lang nicht aufhören, mir die Haare zu bürsten.“

      Lou Reed: Alkohol war völlig aus der Mode. Mit dieser Tradition wurde endgül­tig gebrochen. Musik, das war fortan Sex, Drogen und Spaß. Und Spaß war das Motto, das durch die Musik bestens umgesetzt werden konnte. Ultraschallsound auf Platte, um damit frontale Lobotomien zu erzeugen. Hey, sei kein Angsthase! Du solltest lieber Drogen nehmen und lernen, PLASTIK zu lieben.Alle möglichen Arten von Plastik – biegsames, hartes, buntes, gefärbtes, selbstklebendes Plastik.

      Ronnie Cutrone: Den Sechzigerjahren sagt man nach, sie wären frei und offen und cool gewesen, in Wirklichkeit aber waren alle total spießig. Es waren wirk­lich alle total spießig, und dann gab es da noch uns – diese Hand voll durchge­knallter Typen. Wir hatten lange Haare, und dafür wurden wir buchstäblich um den Block gejagt. Die Leute brachten es wirklich fertig, einen um zehn Blocks zu jagen und „Beatle!“ hinterherzurufen. Die tickten irgendwie nicht ganz sauber – so sah es nämlich wirklich aus in den Sechzigerjahren. In den Sechzigerjahren hatte niemand lange Haare – und wenn, dann wurde man als durchgeknallter Freak, als Spinner abgestempelt, man war einfach nicht wie der Rest der Welt.

      Ich hatte schon immer ein ausgeprägtes Faible für die dunkle Seite des Lebens. Lou und Billy gingen immer in dieseVaselinebar namens Ernie’s, da stand dasVase­line wirklich eimerweise auf der Theke, und es gab dort ein Hinterzimmer, in das sich die Typen verziehen konnten, um sich gegenseitig in den Arsch zu ficken. Ich war zwar nie schwul, aber für Sex habe ich mich trotzdem interessiert, aber wenn man dreizehn oder vierzehn ist, dann ist es nicht so einfach, mit einer Frau Sex zu haben. Deshalb habe ich mir ausgemalt, dass es geil wäre, schwul zu sein.

      Ich habe das dann auch ausprobiert, aber es ist leider voll in die Hose gegan­gen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich einem Typen mal einen geblasen habe, und der Typ sagte: „Sorry, aber ich glaube, das ist nicht dein Ding.“

      „Ja, ich weiß, tut mir leid.“

      Lou Reed: Honey, ich bin ein Schwanzlutscher. Und was bist du?

      Billy Name: Lou, Mary Woronov und ich sind regelmäßig ins Max’s Kansas City und in diese Schwulentanzbars, wie zum Beispiel das Stonewall, gegangen. Das machte morgens um vier Uhr dicht, aber um die Zeit waren Lou und ich immer noch auf Methedrin und wollten natürlich noch etwas erleben. Also sind wir in die Bars gegangen, die noch länger offen hatten und wo man um die Uhrzeit noch tanzen konnte. Und wenn es dann langsam hell wurde, sind Lou und ich gemächlich rüber zur Factory spaziert und haben dort eine Nummer gescho­ben. Wir hatten keine Liebesbeziehung, sondern waren einfach nur gute Kum­pel, die es ab und zu miteinander getrieben haben.

      Ich glaube nicht, dass wir uns richtig einen geblasen haben, ich hasse es, jemandem einen zu blasen. Das ist so kompliziert. Ich hasse es, wenn mein Kopf von etwas okkupiert wird – das wird schnell eng und klaustrophobisch. Lou hat eigentlich immer nur gewichst, und dann ist er von mir runtergestiegen, ist auf­gestanden und wollte sich aus dem Staub machen. Ich musste ihm dann immer sagen: „Halt, hier geblieben, Freundchen, mir ist es doch noch überhaupt nicht gekommen.“

      Lou setzte sich dann auf mein Gesicht, während ich mir einen runterge­holt habe. Man konnte das mit kleinen Jungs vergleichen, die heimlich hinter der Scheune Zigaretten paffen, es war wirklich Kinderkram. Mit Hingabe oder Romantik hatte das nun wirklich nichts zu tun. Wir haben uns in solchen Momenten eher gegenseitig die Hoden entladen, denn wenn man sich mit Mäd­chen einließ, hatte das immer eine Beziehung zur Folge und diesen ganzen Scheiß. Mit einem Typen war das einfach unverfänglicher.

      Danny Fields: Ich war bis über beide Ohren in Lou Reed verliebt. Für mich war er der heißeste Typ, der mir je begegnet ist. Ich glaube, er ging davon aus, dass jeder in ihn verliebt war, er tat immer so cool. Und dann diese Sonnenbrille! O mein Gott, all die emotionale Energie, die ich auf diesen Typen verwendet habe – was habe ich mir bloß dabei gedacht?

      Ronnie Cutrone: Sadomaso­Sex hat mich schon immer fasziniert, obwohl ich damit überhaupt keine Erfahrung hatte. Ich hatte einfach nur eine angeborene Neugier, und deshalb fragte ich Lou: „Worum geht es eigentlich in Venus in Furs?“

      „Das ist so eine Art Schundroman.“

      Ich fragte ihn, wo ich ein Exemplar kaufen könnte, und Lou antwortete: „Einen Block weiter gibt es eine Buchhandlung.“

      Also ging ich los und kaufte das Buch. Ich ging damals noch auf die High­school und habe Venus in Furs, die Geschichte der O und Justine mit in die Schule genommen und das Zeug dort gelesen.

      Das ist auch der Grund, weshalb mir die Musik von den Velvets auf Anhieb gefallen hat. Da ging es um Großstadtgeschichten und um Sex, vor allem ging es um Sex – in manchen Songs ging es um Sex, von dem ich keinen blassen Schimmer hatte, aber ich war dabei, mich schlau zu machen.

      Allmählich entwickelten Gerard, Mary und ich eine ausgesprochene Rou­tine für den Song „Venus In Furs“, weil darin drei Hauptcharaktere vorkom­men: die Domina, der Sklave Severin und der düstere russische Prinz, der am Schluss den Sklaven killt. Ich wollte kein Sklave werden und hatte auch nicht das Zeug, eine gute Domina abzugeben, also war die Rollenverteilung von Anfang an klar: Mary und ich tanzten mit Peitschen und kreuzigten Gerard.

      Im Grunde genommen haben wir ausschließlich


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