Please Kill Me. Gillian McCain

Please Kill Me - Gillian McCain


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war, aber Lou war eben nicht der geborene Performer. Also sagte ich zu Andy: „Sie brauchen einen Sänger. Erinnerst du dich an das Mäd­chen, das neulich mal da war? Nico? Sie hat ihre Platte dagelassen, diese hüb­sche kleine Platte, die sie zusammen mit Andrew Loog Oldham in London auf­genommen hat.“

      Gerard Malanga: Als wir nach Paris fuhren, hat sich Nico an Andy und mich drangehängt. Ich habe einfach zwei und zwei zusammengezählt, denn für mich war es klar, dass Nico mit Dylan geschlafen hat. Das war mehr als offensicht­lich. Bob hat einen Song für sie geschrieben,„I’ll Keep It With Mine“, und er hat dafür bestimmt eine Gegenleistung bekommen, einen Ersatz.

      Aber Nico war ein Freigeist. Sie war nicht das typische Hollywood­Stern­chen. Sie hatte ihre eigene persönliche Geschichte geschrieben: Brian Jones, Bob Dylan, sie hatte eine Rolle in Fellinis La dolce vita und war die Mutter von Ari, dem unehelichen Sohn von Alain Delon. Nico hatte also bereits ihren persön­lichen Lebensstil, bevor wir sie kennen gelernt haben.

      Nico: Als wir uns in Paris getroffen haben, war Edie Sedgwick viel zu sehr mit ihrem Lippenstift beschäftigt, um anständig zuzuhören, aber Gerard Malanga hat mir von diesem Studio in New York erzählt, in dem sie zusammen arbeiten. Es hieß Factory. Er sagte mir, dass ich herzlich eingeladen wäre, wenn ich das nächste Mal in New York bin. Edie hat die Unterhaltung immer wieder mit ihren dämlichen Kommentaren über meine Haarfarbe unterbrochen. Aber Andy war beeindruckt, dass ich bereits in Filmen mitgespielt und mit den Rol­ling Stones zusammengearbeitet habe.

      Billy Name: In der Factory waren alle total begeistert von Nico. Sie war wirk­lich eine faszinierende Erscheinung, und sie war absolut ungehemmt und unprätentios, aber sie hatte auch etwas sehr Magisches. Und sie trug nicht die­sen Hippie­Blumenkram, sondern immer diese schwarzen oder weißen Hosen­anzüge – eine wirklich nordische Schönheit. Sie war einfach zu viel, wirklich, und wir konnten an nichts anderes mehr denken, als dass sie unbedingt bei unserem Projekt mitmachen müsste. Sie sollte bei dem, was wir machten, eine zentrale Rolle spielen, und da sie eine Sängerin war, dachte Paul Morrissey, es wäre eine ausgezeichnete Idee, wenn sie bei den Velvets sänge– was natürlich zu dem Zeitpunkt ihrer Entwicklung das denkbar Ungünstigste war, was man den Velvets vorschlagen konnte.

      Paul Morrissey: Nico war absolut spektakulär. Sie hatte definitiv Charisma. Und sie war interessant. Sie war unverwechselbar. Und dann hatte sie diese wunder­bar tiefe Stimme. Sie sah umwerfend gut aus. Sie war groß. Sie war eine Erschei­nung. Ich sagte:„Sie ist großartig, und sie sucht einen Job. Wir nehmen sie in die Band auf, weil die Velvets unbedingt jemanden brauchen, der singen kann und hinter dem Mikrofon die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen weiß. Sie sollte Lead­sängerin werden, und die Velvets könnten immer noch machen, was sie wollten.“

      Al Aronowitz: Nico hat mich benutzt. Sie hat mich ziemlich angemacht, weil ich eben jeden kannte und mit allen Umgang pflegte. Ich meine, mir ist jeder in den Arsch gekrochen, und Nico hat mich immer scharf gemacht und mir ihre Möse versprochen, aber mich nie rangelassen. Für sie war ich einfach immer nur das einfältige Arschloch. Sie hat es mit jedem getrieben, aber ich war meiner Frau treu. Nico sagte zu mir:„Los, lass uns einen Ausflug machen.“ Also machten wir einen Ausflug zur Delaware­Schlucht, und sie hatte ein Fläschchen LSD dabei, das sie aus der Schweiz herausgeschmuggelt hatte, und tauchte ständig ihren kleinen Fin­ger hinein. Sie hat mir auch welches gegeben, und irgendwann waren wir total stoned, und dann wollte sie bei einem Motel anhalten. Ich sagte: „Klar doch.“

      Wenn eine Frau sagt, dass sie gern bei einem Motel anhalten möchte, was bedeutet das für einen Mann? Aber für sie bedeutete das überhaupt nichts – es ist mir wirklich ein Rätsel, warum sie bei einem Motel anhalten wollte. Wir haben die Nacht nebeneinander und unter einer Bettdecke verbracht, aber sonst ist nichts passiert, denn sie hatte ihre Liebhaber immer am liebsten im halb toten Zustand – wie Lou Reed. Alle haben sie einen Teil von Nico bekommen, außer mir, hahaha. Bob Dylan hatte keine Affäre mit Nico, sondern hat nur einen Teil von ihr bekommen. Ich meine, sie alle haben nur einen Teil von ihr bekommen. Aber das war ihnen egal, sie wollten sie nur ganz schnell wieder los­werden und nicht von ihr belästigt werden.

      Dann habe ich Nico zu Velvet Underground mitgenommen. Nico hatte ein­fach nie Geschmack, aber für Lou Reed hat sie sofort eine Leidenschaft ent­wickelt – weil sie eben die Vision hatte, selbst ein Popstar zu werden.

      Und dann fing auch Nico an, bei Andy Warhol rumzulungern, der diese ganze Freakshow um sich versammelt hatte. Das war alles, was Andy Warhol hatte – eine Freakshow. Und das war es, was alle so magisch anzog. Er hatte die­sen Ort namens Factory, und da ging es zu wie auf einer Nebenbühne: „Her­einspaziert, schaut euch diese Freaks an!“ Und die gesamte High Society von Uptown kam hereinspaziert, um zu schauen. Mir haben sich immer die Nackenhaare aufgestellt, wenn ich in die Factory gegangen bin, weil mich diese arroganten Freaks mit ihrem arroganten und aufgesetzten Getue und ihrem stolzierenden Gang immer total angeekelt haben. Das war alles nur ein Getue. Nico wurde eine von ihnen – sie machte genau dasselbe. Aber ihr konnte man das verzeihen, weil sie so schön war, genauso, wie mir viele Leute vieles verzie­hen haben, weil ich gut schreiben kann.

      Paul Morrissey: Natürlich hat es Lou Reed beinahe die Sprache verschlagen, als ich ihm sagte, dass wir in unserer Band eine Sängerin bräuchten, damit wir mehr Publicity bekämen. Ich konnte ihm schlecht plausibel machen, dass wir jeman­den bräuchten, der mehr Talent hätte als er, aber das war schon das, was ich meinte. Es ging Lou enorm gegen den Strich, mit Nico zusammenzuarbeiten, aber ich denke, dass sich John Cale gegen ihn durchsetzen konnte und er es als Teil der Abmachung akzeptiert hat. Und Nico biederte sich bei Lou an, in der Hoffnung, er würde noch einen Song für sie schreiben, was er allerdings nie tat. Er ließ ihr zwei oder drei unbedeutende Songs und ließ sie nichts anderes tun.

      John Cale: Lou war damals völlig auf sich selbst fixiert und ziemlich tuntig. Wir nannten ihn Lulu, und ich war Black Jack. Lou wollte die Oberhexe sein und giftete jeden an, der sich in seiner Nähe aufhielt. Lou trieb sich immer mit irgendwelchem Pack herum, und in der Factory wimmelte es nur so von Trans­vestiten, mit denen er um die Häuser ziehen konnte. Lou war allerdings von Andy und Nico geblendet. Er war total verunsichert durch Andy, weil er einfach nicht glauben konnte, dass jemand so wohlwollend und trotzdem so bösartig sein konnte – auf dieselbe transvestitische Art, wie Lou es war, wenn er seinen sprudelnden schwulen Humor raushängen ließ.

      Lou versuchte, mit ihnen in Konkurrenz zu treten. Zu seinem Unglück war Nico ihm haushoch überlegen – Nico und Andy hatten leicht unterschiedliche Ansatzweisen, aber sie übertrumpften Lou immer wieder aufs Neue. Andy war uns gegenüber immer sehr aufmerksam, was Lou nie ganz nachvollziehen konnte. Er konnte Andys freundschaftliche Gefühle nie richtig begreifen. Was noch schlimmer war: Immer wenn Lou etwas richtig Zickiges geäußert hatte, war Andys Antwort noch viel zickiger – und charmanter. Das machte Lou wütend. Nico hatte dieselbe Wirkung auf ihn. Sie konnte beispielsweise Äuße­rungen machen, auf die Lou überhaupt nichts zu sagen wusste. Man sieht also, dass Nico und Lou so etwas wie eine Affäre hatten, sie ergänzten und behin­derten sich gegenseitig in einer Zeit, in der Lou ihr psychologisch angehauchte Liebeslieder wie „I’ll Be Your Mirror“ und „Femme Fatale“ auf den Leib schrieb.

      Als ihre Affäre in die Brüche ging, konnten wir uns davon überzeugen, dass Nico mit nur einem einzigen destruktiven Einzeiler die Herrin rauskehrte. Ich erinnere mich, dass wir uns eines Morgens zu Proben in der Factory verabredet hatten. Nico kam wie immer zu spät. Lou begrüßte sie mit einem ziemlich unterkühlten Hallo.

      Nico stand einfach nur da. Man konnte merken, dass sie sich mit ihrer Ant­wort so lange Zeit lassen wollte, wie es ihr passte. Nach reiflicher Überlegung und wie aus heiterem Himmel sagte sie schließlich: „Ich will nicht länger mit Juden schlafen.“

      Nico: Lou liebte es, Frauen zu manipulieren, so, als würde er sie programmie­ren wollen. Das hätte er mit mir auch am liebsten gemacht. Das waren seine eigenen Worte. Als wollte er mich computerisieren.

      Danny Fields: Jeder war in jeden und jede verliebt. Wir waren alle wie die Kin­der, und es ging zu wie auf der Highschool. Ich fühlte mich wie mit sechzehn, der eine liebt die eine in dieser Woche, und ein anderer liebte jemand anderes in der Woche nicht, dafür aber


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