Please Kill Me. Gillian McCain

Please Kill Me - Gillian McCain


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auf der Bühne ein Instrument zerstört hat. Ich habe im YMHA eine Geige angezün­det, und aus dem Publikum kamen dann Rufe wie: „Fackelt den Komponisten ab!“ Dann begann John Cale, mit meiner Gruppe The Dream Syndicate zu musi­zieren, die buchstäblich sieben Tage in der Woche und sechs Stunden täglich probte. John spielte auf der Bratsche ganz spezifische Brumm­oder Summton­höhen – bis Ende 1965, als er anfing, mit Velvet Underground zu proben.

      John Cale: Als mir Lou zum ersten Mal „Heroin“ vorspielte, hat es mich total umgehauen. Der Text und die Musik waren so vulgär und vernichtend. Und außerdem passten Lous Songs perfekt zu meinem Musikkonzept. Lou hat diese Songs geschrieben, in denen es immer wieder um die Zerstörung des Charak­ters geht. Er hat sich mit den Charakteren, die er besingt, immer sehr stark iden­tifiziert. Bei ihm war es die auf seine Songs übertragene Stanislawski­Methode.

      Al Aronowitz: Ich habe Velvet Underground ihren ersten Auftritt ermöglicht. Ich habe sie in der Summit­Highschool in New Jersey als Vorgruppe auftreten lassen, und sie hatten nichts Besseres zu tun, als mir meinen brieftaschengro­ßen Cassettenrecorder zu klauen. Sie waren eben einfach Junkies, Gauner und Stricher. Damals hatten die meisten Musiker geistig hoch stehende Ideale, die Velvets hingegen hatten nichts als Scheiße im Kopf. Sie waren einfach nur Stri­cher. Und ihre Musik war absolut unzugänglich. Das war auch das, was Bob Dylans Manager Albert Grossman immer zuerst gefragt hat: ob die Musik zugänglich oder unzugänglich ist. Und die Musik von den Velvets war total unzugänglich. Aber ich habe mich trotzdem auf sie eingelassen. Also habe ich sie ins Café Bizarre bestellt und ihnen gesagt:„Wenn ihr hier auftretet, bekommt ihr die nötige Publicity, also übt fleißig und reißt euch zusammen.“

      Ed Sanders: Um das Café Bizarre machten alle einen großen Bogen, weil man dort diese komischen Drinks bestellen musste – mit fünf Kugeln Eiscreme und Coconut Fizz. Das war was für Touristen. Aber Barbara Rubin sagte ständig: „Ihr müsst euch unbedingt diese Band anhören!“

      Paul Morrissey: Andy Warhol wollte mit dem Rock’n’Roll­Business nichts zu tun haben; ich wollte allerdings schon ins Rock’n’Roll­Business einsteigen, um damit Geld zu verdienen.Andy hatte damit nichts am Hut und wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen. Selbst nachdem ich es mir gründlich überlegt hatte, musste ich ihn zwingen, bei der Sache mitzumachen. Ich weiß, dass ihr jetzt denkt, dass ANDY immer derjenige war, der unbedingt dies wollte und das wollte, und dass immer alles auf ANDYS Mist gewachsen war. Wenn ihr die tatsächlichen Abläufe in der Factory kennen würdet, wäre euch klar, dass Andy überhaupt nichts getan hat, sondern immer nur von anderen erwartet hat, dass man alles für ihn macht.

      Irgendjemand wollte Andy dafür bezahlen, damit er in einen Nachtclub in Queens mitkommt, also wurde er dafür bezahlt, dass er mitkommt. Ich meinte: „Das macht zwar überhaupt keinen Sinn, aber immerhin bringt es Geld.“ Also sagte ich: „Ich hab da eine Idee. Wir gehen nach Queens in diesen Nachtclub und werden dafür bezahlt, aber der eigentliche Grund, weshalb wir dort hingehen, ist, dass wir eine Gruppe managen, die dort auftritt.“

      Ich hatte mir vorgestellt, dass man einen Haufen Kohle verdienen könnte, wenn man eine Rock ’n’Roll­Band managen würde,deren Name häufig in den Zeitungen steht, und für so was war Andy unheimlich gut zu gebrauchen: dass sein Name in die Zeitungen kam. Und dann fragte Barbara Rubin Gerard Malanga, ob er ins Café Bizarre kommen könnte, um dort ein paar Aufnahmen von dieser Band, den Velvet Underground, zu machen. Im West Village gab es diese vielen Beatnik­Coffeeshops, denen das Wasser bis zum Hals stand und die deshalb versuchten, von Beatniks und Folksongs zu irgendwelchem Rock ’n’ Roll überzugehen. Ich bin dann also ins Café Bizarre gegangen. Ich glaube, an diesem Abend waren die Velvets zum ersten Mal aufgetreten, und sie hatten diese elektronische Bratsche dabei. Dadurch fielen sie natürlich enorm auf. Und dann hatten sie diesen total androgynen Schlagzeuger. Man konnte beim besten Willen nicht erkennen, ob Maureen Tucker ein Mann oder eine Frau war. Das waren sie also, die großen Attraktionen.

      John Cale, der Bratschist, sah mit seiner Richard­III.­Frisur einfach umwer­fend aus, und dann trug er auch noch diese mächtige Kette aus Klunkern. Es ist kaum zu glauben, aber damals war das ziemlich verrückt.

      Rosebud: Dann kam also Andy Warhol mit seiner Entourage ins Café Bizarre, und es war ganz offensichtlich, dass Andy auf der Stelle wie hypnotisiert war.Aus­strahlung war das Einzige, was zählte, und die war bei Velvet Underground ohne Zweifel vorhanden. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass dort überall Touristen rumsaßen, an ihren komischen Drinks nippten und sich anhörten, wie Velvet Underground von Heroin und Sadomaso sangen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Publikum überhaupt nicht mitgekriegt hat, worum es ging, denn die Song­texte waren absolut unverständlich. Aber ich dachte, das ist der Hammer!

      Lou Reed: Musik kann nie laut genug sein. Am besten steckt man seinen Kopf in den Lautsprecher. Lauter, lauter, lauter. Mach schon, Frankie, mach schon. Oh, mach schon, mach schon.

      Paul Morrissey: Ich wusste, dass ich bei der richtigen Band gelandet war. Ich sprach an besagtem Abend mit der Band und fragte sie, ob sie einen Manager hätten, und der wortkarge kleine Lou Reed antwortete: „Also, hm, irgendwie, vielleicht, hm, nicht wirklich, aber, hm, ja, nein.“ Er hat alle möglichen Ant­worten gegeben.

      Ich sagte ihnen: „Also ich suche jemanden, den ich managen und für den ich einige Alben produzieren kann. Ihr hättet einen geregelten Job in einem Nachtclub und würdet nominell von Andy Warhol gemanagt.“

      Sie antworteten: „Wir haben aber keine Verstärker.“

      „Dann besorgen wir euch eben Verstärker.“

      „Das wäre natürlich großartig, aber wir haben leider kein Dach über dem Kopf …“

      „Okay, okay, okay. Wir werden uns morgen noch mal treffen, und dann reden wir über alles.“

      Also erzählte ich Andy, dass wir eine Band gefunden hätten, die wir ab sofort managen würden. Andy antwortete: „Oh uu­uu­uuuu ohouuuuuuuuu­uuuuuu!“

      Andy hatte immer Angst, eine Aufgabe in die Hand zu nehmen, sobald er aber merkte, dass jemand Vertrauen hatte in das, was er tat, insbesondere in meinem Fall, sagte er einfach nur: „Oh, oh, oh, oh, oh, oh, oh, oh … okay.“

      Sterling Morrison: Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, Andy Warhol zu beeindrucken. Warum sollte ich auch? Für mich war er nur jemand aus der Kunstszene, der immerhin genug an unserer Musik interessiert war, dass er sich auf den Weg machte, um uns zu hören – aber das war nicht wie der Besuch von einem einflussreichen Plattenboss. Er war einfach nur ein Künstler, über den ich nicht allzu viel wusste – außer dass er ziemlich berühmt war. Damals ent­sprach Pop­Art nicht unbedingt meinem Geschmack. Ich stand eher auf flä­mische Malerei, ich weiß es auch nicht. Die Impressionisten … nein, die Prä­raffaeliten. Ich glaube, dass mir damals die Präraffaeliten am besten gefallen haben, die möglicherweise die Vorläufer des Pop waren.

      Al Aronowitz: Ich habe Velvet Underground zu einem Auftritt im Café Bizarre verholfen, und als Nächstes habe ich dann erfahren, dass sie sich von Andy War­hol managen lassen wollten. Sie haben mir nie ein Wort davon gesagt, und auch Andy Warhol hat sich mir gegenüber nie darüber geäußert. Das verstieß gegen jeden ethischen Grundsatz, es war wirklich gegen jedes Gesetz. Sie haben sich per Handschlag geeinigt, aber was bedeutet schon ein Handschlag für Lou Reed – der war doch nichts weiter als ein opportunistischer Scheißjunkie. Wenn wir mit den Velvets einen schriftlichen Vertrag gemacht hätten, hätte ich Andy War­hol spielend die Hölle heiß machen können.

      Lou Reed: Andy Warhol hat mich darauf hingewiesen, dass das, was wir mit unserer Musik machen, dasselbe wäre, was er bei seiner Malerei und Filmerei und beim Schreiben macht – nämlich, die Sache ernsthaft angehen. Soweit ich das beurteilen kann, hat außer uns keine von den Bands Musik gemacht, die auch nur annähernd den Kern der Sache trifft. Wir haben eine ganz spezifische Sache verfolgt, die sehr, sehr authentisch war. Was wir gemacht haben, war weder auf irgendeine Art gefällig oder unaufrichtig, und das war der einzige Weg, mit ihm zusammenarbeiten zu können. An Andy hat mir auf Anhieb gefallen, dass er sehr authentisch war.

      Paul Morrissey: Bei Velvet Underground ist mir als Erstes


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