Blutige Straßen. Kerrie Droban

Blutige Straßen - Kerrie Droban


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sie sich eigentlich schon an Birds Erscheinungsbild als Street Agent gewöhnt haben müssen. Sie wusste, dass er kein Bürohengst war und nie einer werden würde. Bird vermutete, dass sie sich insgeheim noch nie mit den Opfern arrangiert hatte, die Einsatzkräfte bringen mussten – Gedanken, nur auf ein Ziel gerichtet, Schlafentzug, die merkwürdige und beklemmende Isolation, die nur die Männer kannten, die so eine Rolle spielten, und das Wechselspiel zwischen zwei Persönlichkeiten, das höchstens Schauspieler verstanden. Er wusste, warum Beef ihn für die Rolle ausgewählt hatte – es gab keinen anderen!

      Egoismus war nicht das ausschlaggebende Element, denn der Pragmatismus bestimmte Beefs Entscheidung. Beef benötigte einen Mann, der innerhalb der Szene arbeiten konnte, der sich schon eine Identität aufgebaut hatte, eine Vertrauensperson, die sich unauffällig unter die finsteren Bastarde der Outlaws mischte. Sein Mann musste vollkommen in der Rolle aufgehen, damit die Ermittlung niemals in Gefahr geriet. Während der Karriere beim ATF hatte sich Bird schon fünf bestätigte Todesdrohungen eingefangen. Statt sich zu ducken oder in eine andere Stadt zu ziehen, akzeptierte er das „Trostpflaster“ des ATF – Mitglieder einer mit Sturmgewehren bewaffneten Sondereinheit, die sich in seinem Haus niederließen, die die Kinder überwachten, während diese mit ihren Tonka-Spielzeugtrucks in Sandgräben purzelten, und Floristen „grillten“, wenn diese an der Eingangstür auftauchten, um weiße Nelken von besorgten Nachbarn und Freunden abzugeben.

      Beef musste wohl gespürt haben, dass Bird kein Typ für das „Ruhmeskarussell“ war, das Popularität und Berühmtheit mit sich brachten. Birds Talent zeigte sich durch seine Geschicklichkeit und Schläue auf der Straße. Das ATF mochte sich der Illusion hingeben, die Agenten für den Außeneinsatz zu trainieren, doch ein Typ wie Bird lernte die Regeln instinktiv. Er kreierte einen überzeugenden Background, wusste, wo die Trennlinien zwischen legal und illegal verliefen, und spürte, wann man aus einer brenzligen Situation aussteigen musste. Bird kannte den Unterschied zwischen dem Provozieren einer strafbaren Handlung und einer Ermittlung und zog sich niemals Drogen rein. Allerdings konnte auch der Fall eintreten, dass Ausnahmen von der Regel den Tagesablauf bestimmten. Bird wusste, dass der Konsum illegaler Substanzen unvermeidbar war, falls er vermutete, dass höchste Lebensgefahr bestand. Möglicherweise würde die Behörde ihn vor rechtlichen Konsequenzen schützen, doch der darauf folgende übermäßig aufwändige Papierkram hielt ihn ab, jemals diese Ausnahmeregelung in Anspruch zu nehmen.

      Bird verstand, worauf es bei der Mission ankam. Es reichte nicht, wenn das ATF die Arizona Hells Angels infiltrierte und ihre Organisation zerstörte. Die Behörde musste auf eine höchstmögliche Anzahl von Anklageerhebungen und Strafverfahren abzielen. Für eine Outlaw-Biker-Gang war es ganz und gar nicht unüblich, Mordaufträge gegen Bundesstaatsanwälte und Agenten zu kommissionieren, wichtige Zeugen zu eliminieren und Informanten vor dem Prozess um die Ecke zu bringen. Ähnlich einer terroristischen Vereinigung regierten die Gangs dank der von ihnen ausgehenden Bedrohung und verängstigten ihre Widersacher. Sie orchestrierten ein Netzwerk intelligenter Köpfe, die auf kriminelle Art und Weise die Ermittlungen gegen Aktivitäten des Clubs störten und zum Einfrieren brachten. Die Biker waren, geradeheraus gesagt, organisierte Killer! Ihre Clubs liefen wie Firmen, und sie hatten eine Satzung und feststehende Regeln. Das Protokoll und eine feststehende Rangordnung bestimmten den Alltag. Und auch wenn Bird die Hells Angels erfolgreich zu Fall brachte, musste er immer noch mit den Richtern und Geschworenen fertigwerden, die eventuell gekauft wurden, um die Angeklagten freizusprechen.

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      August 2002

      In der Biker-Community verbreitete sich die Nachricht schnell, dass sich die Solo Angeles als Mesa Bobs Gäste in Arizona aufhielten, und sich ein waschechtes Member in Bullhead City aufhielt. Doch Bird musste vorsichtig sein und dem Protokoll folgen. Es war wichtig, sich die Genehmigung zum Tragen der Solo Angeles-Kutte von Donald Smith (alias „Smitty“) einzuholen, dem altgedienten Member der Arizona Nomads. Der kräftig gebaute Mechaniker regierte angeblich die Stadt und erfreute sich einer geradezu harmonischen Beziehung zu den dortigen Strafverfolgungsbehörden.

      Die Entscheidung, Smitty zu treffen, erfolgte eher aus strategischen denn aus praktischen Beweggründen – wenn Bird nicht zufälligerweise scharf auf eine Kugel im Rücken war. Smitty mochte es nicht, wenn jemand seine Führungsposition in Frage stellte.

      Bird kannte den Typen noch aus seiner Zeit als Waffenschieber. Nun musste er Smitty und seiner kriminellen Gefolgschaft erklären, warum er ihn neun Monate lang getäuscht und angelogen hatte und ihm nicht erklärte, dass er in Wahrheit ein Outlaw-Biker sei.

      „Frag Smitty, warum ich nicht mehr im Club bin“, riet ihm Dave B., ein ehemaliger Hells Angel, nachdem er einen Schluck aus Birds Bierkrug genommen hatte. Die beiden saßen in O’Learys Bar in Bullhead City. Dave war ein stämmiger Typ mit einem verschwitzten roten Gesicht, das bei der spärlichen Beleuchtung einem Lötkolben auf vollen Touren glich. Er drehte die Hand um und zeigte Bird das Death-Head-Tattoo. Unter dem Logo stand „out date“, womit er signalisierte, dass er nicht mehr zum Club gehörte. Offensichtlich hatte er Smitty in seiner Führungsrolle herausgefordert. Einige Zeit später verriet Smitty Bird im „Vertrauen“, dass Dave eines „natürlichen Todes“ gestorben sei. Angeblich hatte er aber vorher Smitty seine Bike-Papiere zur „sicheren Aufbewahrung“ überlassen.

      Bird und Carlos trafen sich mit Smitty in seinem „Heiligtum“, dem Inferno, zum Abendessen. Smitty brachte sein Pixie-ähnliches Weib Lydia und das Hells Angels Member Chef Boy Are Dee mit. Zufrieden, dass die Solos Mesa Bobs Segen hatten, sich in Bullhead City breitzumachen, gab er sein Okay zum Tragen der Kutte. Allerdings machte er ihnen eins unmissverständlich klar: Er mochte den Tod nicht, außer, wenn er ihn befahl!

      Kapiert! Erstaunlicherweise hatten sich die Solo Angeles innerhalb nur weniger Wochen die Sympathie von zwei Hells Angels-Anführern verdient und zugleich die Erlaubnis eingeholt, in dem Bundesstaat Geschäften nachzugehen.

      Jetzt stand eine Dankesbekundung auf der Tagesordnung. Auf Birds Anweisung hin ließ Rudy den Hells Angels von den Solos ein „Danke“ zukommen, und zwar in Form von 500 Dollar für den „Verteidigungsfonds“, der für die juristische Unterstützung von Mitgliedern eingesetzt wurde. Es war nur eine Geste, die sich aber für das Team in der Zukunft als wichtig herausstellen sollte, denn damit hatten sie sich das Vertrauen der Angels verdient. Eine zuvorkommende Attitüde war ein bedeutendes Merkmal für Respekt. Mit ein wenig Glück besänftigte das Team durch so einen Schachzug auch die wahren Solo Angeles in Mexiko, deren Unmut sich wegen der Präsenz des Nomad Chapters in Bullhead City regte. Eines Morgens erfuhren die Agenten bei einigen Waffeln, dass Rudy sich nicht die Genehmigung des Mutter-Chapters in Tijuana eingeholt hatte. Das überraschte allerdings kaum jemanden. Offiziell durften die Solos also ihre Nomads-Abzeichen nicht in Arizona sehen lassen.

      Eiligst arrangierten Bird, Carlos und Rudy ein Meeting mit „Teacher“, einem alten Member der Solos, das in Sylmar, Kalifornien, lebte. Sie verbrachten zwei Stunden mit mühseligen Erklärungen und heuchlerischen Entschuldigungen, warum sie das Territorium der Solos ohne Erlaubnis verletzt hatten. Teacher bestand darauf, dass die neuen Nomads den Verstoß gegen die Club-Regeln sühnen und nach Tijuana fahren sollten, um dort „Suzuki“ zu treffen, den internationalen Präsidenten des Clubs.

      „Da scheiß ich doch drauf“, wütete Beef und schlug dabei mit der Faust auf den Tisch.

      „Uns bleibt gar keine andere Wahl“, lenkte Bird ein.

      „Ich entsende doch keine Bundesagenten für einen Grenzübertritt und lasse sie in einem anderen Land Outlaw-Biker spielen“, kochte Beef, wobei sich in seinem Kopf die Gedanken drehten, denn so ein Unternehmen erforderte ausreichende Logistik, Sicherheit und eine komplizierte rechtliche Absicherung. Es war schon schwierig genug, ein Überwachungsteam in Arizona zusammenzutrommeln, das die Agenten unterstützte und für ihre körperliche Unversehrtheit sorgte. Solch eine Task-Force für ein anderes Land aufzustellen, provozierte regelrecht Ärger und Probleme. Beef wollte auf gar keinen Fall die Kontrolle über die Mission verlieren oder das Risiko einer Enttarnung der Männer außerhalb der USA eingehen.

      „Das musst du nicht“,


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