Blutige Straßen. Kerrie Droban

Blutige Straßen - Kerrie Droban


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die Angst in der Magengrube. Nicht nur war er ein beschissener Fahrer, sondern auch vier Stunden zu spät für das abgesprochene Treffen mit Rudy.

      Beef mochte wohl Rudys Allerwertesten vor dem Bundesgefängnis gerettet haben, doch er stellte den größten Unsicherheitsfaktor dar und war unglücklicherweise momentan ihre wichtigste Schachfigur. Sie brauchten den rücksichtslosen Motherfucker, um sich den Hells Angels vorzustellen. Rudy wusste das und genoss es in vollen Zügen.

      Bislang hatte er nur zwei Wochen lang die Rolle eines Outlaw-Bikers gespielt. Er warf einen nervösen Blick auf das Team mit den ins Auge stechenden Kutten und Stirnbändern – eine Gang angeblicher Onepercenter und der einzige Puffer zwischen ihm und den Hells Angels.

      Der leicht angegraute Pops, ein vertrauenswürdiger Informant, der bereits seit über 15 Jahren an seiner Seite stand, zog sich schon lange Dope rein und dealte. Und nun machte er Karriere, indem er einen Doper und Dealer spielte!

      Der riesige Timmy, Detective bei den Cops von Phoenix, hatte Beef praktisch darum angebettelt, mit Bird arbeiten zu dürfen und seine Hände in der Kloake der widerlichsten Polizeiarbeit dreckig zu machen. Bird studierte nachdenkliche Timmys Gesichtsprofil. Seine Haut war mit Schweiß bedeckt, verfilzte Bartsträhnen hingen am Kinn herunter, und ein leichtes Zucken am Kiefer verriet die Nervosität.

      Carlos war ein erfahrener ATF-Agent, mit so viel Salsa in den Blutbahnen, dass er problemlos die Rolle eines Solo Angeles ausfüllen konnte. Doch er wirkte verängstigt, als er sich sein recyceltes Bike packte. Ja, und da war noch Rudy – Präsident des nicht existierenden Nomad Chapters der Solo Angeles und ein karrieregeiler Outlaw-Biker.

      Ständig zu spät.

      Unberechenbar.

      Konzentrier dich!

      Er schüttelte die Grübelei wie lästigen Ballast ab und verdrängte die Angst durch sinnvolle Gedanken. Bird hatte die ganze Nacht mit dem Undercover-Team gearbeitet, Fluchtpläne besprochen, Ziele in Augenschein genommen, die Hintergrundstorys wasserdicht gemacht, sich in seine Biker-Montur geworfen und den Bock auf Hochglanz gebracht. Das war ein Akt gewesen. Keiner der Männer wusste genau, wie man Motorrad fuhr. Das ATF verhielt sich nicht kooperativ und verweigerte Gelder für neue Maschinen. Fahrzeugscheine und Fahrzeug-Identifikationsnummern konnte man fälschen, doch Bikes für Undercover-Einsätze zu recyceln – auch wenn es sich um Unfallmaschinen handelte – barg Risiken. Entweder starben die Agenten bei einem Unfall oder durch die Hände der Hells Angels.

      Bird checkte den Motor, warf einen Blick auf die abgewetzten Stiefel und seine dreckverkrusteten Klamotten. Er mochte zwar wie ein Biker aussehen, doch noch wichtiger als das Erscheinungsbild war eine hieb- und stichfeste Story. Bloß keine Lücken! Keine Ungereimtheiten! Keine unerklärbaren Zeiten. Er spürte die Nerven bis in den Nacken. Adrenalin rauschte durch seine Adern. Genug geübt? „Ich bin seit 15 Jahren ein Waffenschmuggler und Schuldeneintreiber“, murmelte er wiederholt. Zu lang. Bird hatte sich selbst schon davon überzeugt, dass er der gewissenlose Kriminelle war, den er spielte. Nun musste er noch die Angels täuschen. Man konnte ihn als überragenden Schauspieler bezeichnen – ein professionelles Chamäleon. Lag darin der Grund, dass Beef ihn ausgewählt hatte?

      Er hatte die hämmernden Fragen am Abend zuvor überstanden. Das war in einem alten Warenlager für Konserven auf der Südseite von Phoenix gewesen. Die Agenten nannten den Laden scherzhaft „die Kürbisfarm“. Er und die Kollegen stellten sich in der drückenden Hitze nacheinander vor Beef auf und wurden von ihm und einem großen Überwachungsteam mit Fragen gelöchert. Wie waschechte Schauspieler rezitierten sie den Text ihrer Background-Storys. Birds alte Dame lebte in Tucson. Gelegentlich besuchte er seine Kids, die mal hier, mal dort wohnten.

      Bloß die Lücken füllen.

      Das Profil vervollständigen.

      Wissen wo, warum und wie man die Kumpels von den Solo Angeles kennengelernt hatte.

      Das Dröhnen eines Bikes kündigte Rudys Erscheinen an. Hinter ihm wehte eine Mähne blonden Haares im Wind. Unglaublich! Er hatte eine abgehalfterte Mieze aufgelesen. Dünne, nackte Beine drückten sich um seine Taille. „Was zur Hölle?“ Bird starrte die Frau an und erkannte ein befremdliches, nervöses Glitzern in ihren Augen.

      Rudy grinste dümmlich und zuckte mit den Achseln: „Ich traf Sheila in einem Circle K und dachte, dass ich meiner Alten mal eins auswischen sollte.“

      Bird wusste nicht, ob er den Informanten auf der Stelle umbringen oder ihm für seine Brillanz gratulieren sollte. Rudys Anhängsel verlieh der ganzen Operation eine höhere Glaubwürdigkeit. Eigentlich hätte hinter jedem Fahrer eine Biker-Bitch sitzen müssen! Doch Bird zweifelte daran, dass seine Behörde solche Accessoires besonders schätzte, denn das bedeutete zusätzliche Haftungsansprüche.

      Er und die Kollegen hatten eigentlich schon genug Sorgen, und jetzt mussten sie sich auch noch um die Sicherheit der Tussi kümmern. Falls das Treffen mit den Angels in die Hose ging, war ein zusätzlicher Plan vonnöten, damit die Frau aus dem Schussfeld kam. Verfluchter Rudy!

      Die heiße Sonne brannte auf Rudys Gesicht, entzog ihm jeden Tropfen Flüssigkeit. Er blickte zu Timmy, der schon jetzt genervt und völlig fertig wirkte. „Du wirst uns doch nicht ohnmächtig werden?“, zog ihn Bird auf, damit auf Timmys Angst vor einem Hitzschlag oder einer Lebensmittelvergiftung anspielend. Zu stolz, um sich hinter verdorrten Kakteen zu verstecken, hielt der Junge ohne Meckern tapfer durch.

      Verglichen mit Carlos war das schon ’ne Kante vorbildlicher. Der saß neben ihm, grunzte wie ein brünstiger Ziegenbock und beschwerte sich über die stundenlange Extra-Arbeit, die er ohne Bezahlung geleistet hatte. Er war nur für kurze Zeit zum Team abgestellt worden, um das Fundament für die Arbeit mit den Angels zu legen, bevor er sich einem neuen Job in Florida widmen musste.

      Die Zeit drängte, und der Startschuss musste schnellstmöglich erfolgen.

      Bird gab ein Signal, und die Männer starteten die Motoren, darauf eingestimmt, die letzten Meilen bis zum Camp zu fahren, wo das Meeting stattfand. Schon in der Nacht hatten sie die Bikes aus dem Trailer geholt, mit dem sie die Karren transportierten. Jetzt stand der erste Auftritt als Solo Angeles bevor. Ziel: Sich geschickt unter die Hells Angels zu mischen. Die Agenten mussten


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