Blutige Straßen. Kerrie Droban

Blutige Straßen - Kerrie Droban


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      Mesa, Arizona – Juli 2002

      Zwei Wochen, nachdem die Agenten beim „Too Broke for Sturgis“-Motorradtreffen eingeführt worden waren, hielten die Solo Angeles einen Block vom Clubhaus der Mesa Hells Angels in der Lebaron Street entfernt. Nervös ließen sie die „Was ist, wenn“-Szenarien Revue passieren, plötzlich unsicher, ob sie den legendären Robert Johnston treffen sollten. Rudy, der seine Führerrolle zunehmend genoss, stampfte die Männer sprichwörtlich in den Boden und meckerte sie an. Sie seien „Pussys“ und „doch genau aus dem Grund hierhergekommen“. Er wusste nur zu gut, dass das Team auf jeden Fall eingeschleust werden musste, denn sonst war die Operation vorbei und er wanderte in den Knast.

      Ein heißer Wind strich um Birds Wangen, als er und die Männer vor dem abgewrackten Clubhaus parkten, das einer kleinen Gefängnisbaracke ähnelte. Ein mit weißer Farbe getünchter Absperrzaun verlief um den Komplex. Im bläulichen Abendlicht stachen die auf den Jacken der Posten angebrachten geflügelten Totenkopfsymbole ins Auge – die sogenannten Death Heads. Selbstbewusst ging Rudy auf die diensthabenden Wachen zu und steckte ihnen, dass sie Gäste von „Mesa Bob“ seien.

      Ghost, ein bleicher, dünner und stark tätowierter Hells Angel, eskortierte die Männer wortlos in das Clubhaus. Am hinteren Ende stand eine aus Blech gebaute Bar, wo ein Prospect den Angels Cocktails reichte. Sogar als unwichtiger Anwärter war der Biker bis an die Zähne bewaffnet, jederzeit bereit, bei einem abgedrehten Gang-Krieg mitzumachen. Eine Handfeuerwaffe steckte in seinem Gürtel, und die Griffe mehrerer Messer ragten funkelnd aus den Cowboystiefeln. Am Gürtel hingen zudem ein ausziehbarer Schlagstock, eine Totschläger aus Stahl, Schlagringe und sogar ein Hammer.

      Timmy, der die Rolle von Birds Prospect spielte, machte dagegen einen blassen Eindruck. Mit seinem Kostüm, das unglücklicherweise viel zu neu aussah, war nicht viel anzufangen. Die gerade erst eingefettete Kutte, sein hochroter Kopf und die genervte Reaktion auf Rudys Kommandos konnten schnell die Tarnung auffliegen lassen.

      „Zwölf Stunden“, hatte Timmy vor Beginn der Charade den Mitstreitern eingetrichtert. „Zwölf Stunden von diesem Scheiß, und ich bin drin!“

      Bird nahm es Timmy nicht übel, dass dieser Rudy am liebsten in der Wüste „vergessen“ hätte, denn der Biker hatte seine Rolle ein bisschen zu gut gespielt und Gefallen daran gefunden, „Timmy, dem Cop“ mit seinen ständigen Wünschen nach Bier, Zigaretten und Hot Dogs gehörig auf die Nerven zu gehen und ihn durch die Gegend zu scheuchen.

      Timmy hatte schnell die Schnauze voll gehabt und sich Bird zur Seite genommen. „Ich muss diesem Motherfucker das Fressen anschleppen. Scheiß doch drauf. Wenn der mich noch weiter anmacht, werde ich ihm den Arsch aufreißen!“

      Bird antwortete cool und beschwichtigend: „Wenn du dem Präsidenten vor den Hells Angels einen Tritt in den Arsch verpasst, können wir unser Zelt abbauen und verschwinden. Zieh’s dir rein und schluck den Scheiß runter. Trag heute mal Stiefel und keine Kinderschuhe.“

      „Leck mich doch am Arsch. Du musst ja keine Hot Dogs für das dumme Schwein kaufen.“

      „Ich mag meine mit der gleichen Menge an Senf und Ketchup. Ketchup auf der einen, Senf auf der anderen Seite“, erinnerte ihn Bird.

      „Pass auf, dass du die Sache mit den Hot Dogs gut hinkriegst“, ergänzte Rudy. „Wenn du den Test bestehst, werde ich dich befördern. Dann darfst du Hamburger holen.“

      Bird befürchtet, dass Timmy gleich explodierte. Doch er hatte sich für seine Karriere als Rudys „Hot-Dog-Schlampe“ eine kleine Variante ersonnen. Bevor er dem Präsidenten das Brötchen brachte, machte er einen Abstecher zum Klo und würzte den Hot Dog mit seiner „Spezialsoße“. Es überraschte niemanden, als sich Timmy 24 Stunden später einen Patch der Solo Angeles aus der Asservatenkammer des ATF „borgte“ und seine Frau dazu brachte, ihn morgens um 3 Uhr an die Kutte zu nähen.

      21 Uhr. Für diese Zeit war es im Clubhaus noch recht leise. Hier stank es nach Schweiß, Bier, dreckigem Sex und Marihuana. Der Laden erinnerte an ein vollkommen heruntergekommenes Bruderschaftshaus. Man hatte die Wände lieblos in Rot und Weiß angestrichen, den Farben der Angels. Es erinnerte Bird unheimlicherweise an ein Damebrett. Blechschilder hingen in Reihen an den Wänden und riefen die „Errungenschaften“ der einzelnen Member ins Gedächtnis. An der hinteren Wand des Gebäudes prangte das als Graffito gesprayte riesige Wandgemälde eines geflügelten Totenkopfs. Darunter standen die Namen verschiedener Mitglieder.

      Mesa Bob tauchte aus dem verschwommenen Dunkel auf, ein über 1,90 Meter großer, bulliger Biker, an dessen Körper massige Goldketten hingen. Er erinnerte an einen Godfather der Mafia. Er begrüßte die Agenten mit einem herzlichen Händedruck. Es wirkte so, als würde er sie schon eine ganze Zeit lang kennen oder zumindest ihren Ruf schätzen. Rudy hatte tatsächlich schon genügend Vorarbeit für eine ausreichende Vertrauensbasis zwischen den Bikern geleistet.

      „Ihr seid meine persönlichen Gäste“, erklärte der Präsident mit der geschmeidigen Stimme eines Gebrauchtwagenverkäufers (das war sogar sein regulärer Job!) und klatschte einen Mesa-Supporter-Sticker in Birds Hand. „Kleb ihn auf deinen Bock.“

      Der Präsident des Chapters deutete den Männern mit einer Handbewegung an, sich hinzusetzen. Die Bar erinnerte an eine Lounge voller abgewetzter Sofas. Bird zupfte an einem Kissensaum, während Mesa Bob in den weichen Polstern versank. Der Präsident stellte die Hände mit gespitzten Fingern auf den Tisch und versicherte ihnen: „Ihr habt meine Erlaubnis, mit Unterstützung des Clubs Drogen in Arizona zu verschieben.“ In seinen Augen zeigte sich amüsiertes Funkeln. „Echt schade, dass ihr unseren kleinen Zeitvertreib gestern Abend verpasst habt. Eine Gruppe von Stewardessen hat uns zu einer netten Orgie eingeladen.“

      Marihuana-Rauch hing wie ein seidenes Netz über der Bar. Die Männer hörten Stimmen, die dann wieder leiser wurden und einer Art weißem Rauschen Platz machten. Einige Hells Angels, Vollmitglieder und gleichzeitig Geldeintreiber, standen dicht gedrängt in der Nähe, jederzeit bereit, Bird eine Kugel zu verpassen, wenn er sie nur schräg ansah. Doch der Agent verzog keine Miene. Er spürte die Fähigkeit dieser Clowns, Angst wahrzunehmen, ähnlich Raubtieren, die einen in die Enge getriebenen Hirschbock auf einer Waldlichtung rochen. Glücklicherweise war Rudy in seinem Element und laberte Mesa Bob voll. Sie redeten über die schwierige Lage mit den Mongols, wobei er einige Hinweise wie Brotkrumen fallen ließ, dass „seine Jungs“ noch einige Geschäfte in Bullhead regeln müssten. Timmy zapfte zwischenzeitlich Bierkrug nach Bierkrug, während Pops die ihm regelmäßig angebotenen Methamphetamin-Trips abwehrte.

      Bird beobachtete Rudy nervös. Der Kerl kippte sich fast einen ganzen Krug Bier die Kehle runter und schnippte mit den Fingern, damit Timmy für Nachschub sorgte. Das konnte Bird im Moment überhaupt nicht gebrauchen – einen besoffenen Informanten, den er kontrollieren musste. Nach eineinhalb Stunden voller Anspannung schlug Bob vor, die Party in der Spirits Lounge in Gilbert weiterzufeiern. Doch zuerst bot er jedem einen kleinen „Straßenfeger“ an. Im Hinterzimmer des Clubhauses hatte er einen prächtigen Haufen Methamphetamin versteckt.


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