Always Look On The Bright Side Of Life. Eric Idle
Dezember 1945. Darüber die lateinischen Worte des RAF-Mottos: „Per ardua ad astra.“ Durch harte Arbeit zu den Sternen. Das könnte auch die Parole der Menschheit beim Eintritt in das Weltraumzeitalter sein. Oder die eines jungen Mannes, der ins Showgeschäft strebt.
Meine Mutter verlor sich eine Zeitlang in Depressionen, und ich wuchs bei meiner Oma in Swinton in Lancashire auf. Ihr Mann, ein Zahnarzt, den ich Pop nannte, ging mit mir in Manchester in den Belle-Vue-Zirkus. Dort stellte sich erstaunlicherweise heraus, dass wir zum Zirkus-Adel gehörten. Mein Großvater war Henry Bertrand – während der 1880er Jahre ein berühmter Ringmeister, Zirkusdirektor und Manager. Ich bin noch immer im Besitz seines Briefpapiers, samt seinem imponierenden Bild mit Frack und weißem Binder, das verkündet, er sei Planungsmanager für Roby’s Midget Minstrels – Zwergen-Minnesänger. Erst später wurde mir dann klar, dass ich auch in einem Zirkus gelandet war: und dazu noch in einem fliegenden.
Als ich vor Kurzem etwas über ihn recherchierte, fand ich erstaunt heraus, dass er sein Leben als Comedian begonnen hatte. Ist das nicht ein wenig zu viel des Zufalls? In meinem Roman The Road to Mars (Die Reise zum Mars) habe ich dargelegt, dass dies den Beweis eines Comedy-Gens darstellt. Das war als Witz gemeint, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.
Egal, für mich als Kind war es spannend, im Belle-Vue-Zirkus hinter die Bühne mitgenommen zu werden, um die furchteinflößenden Clowns kennenzulernen. Die waren gegenüber Pop als einem der Bertrands sehr respektvoll und begegneten mir ebenfalls extrem freundlich. Pop nahm mich auch zu den verschiedensten Varieté-Shows im Manchester Hippodrome mit, wo ich die besten britischen Music-Hall-Comedians erlebte: Morecambe and Wise, Robb Wilton, Jimmy Edwards, Arthur Askey, Norman Evans, Mrs. Shufflewick, Norman Wisdom und die Crazy Gang. Das Unvergesslichste an den Varieté-Shows waren die tableaux vivants: Bei denen war die Bühne randvoll mit wunderschönen Mädchen, die dort still saßen oder standen: splitternackt. Dies war das erste Mal, dass ich eine unbekleidete Frau sah – und plötzlich waren da gleich vierundzwanzig von der Sorte. Man nannte das hier „Eine Winter-Szenerie“. Es fiel künstlicher Schnee, während die Damen mit nichts weiter als diskret platzierter Drapierung posierten. Das Orchester spielte auf, und jemand rezitierte ein blödes kleines Gedicht, während die Mädels einfach nur dasaßen. Sie durften sich nicht bewegen. Zu jener Zeit war es illegal, nackt auf der Bühne herumzulaufen. Wenn sie sich rührten, hätten sie verhaftet werden können. Blieben sie jedoch regungslos, war es in Ordnung, und alle klatschten Beifall. Ich kann mich entsinnen, dass ich dachte: Das ist toll, und seitdem bin ich immer ein absoluter Freund nackter Ladys gewesen. Dies ist also mein Background in Sachen Showgeschäft: Zirkusse, Clowns, Comedians und nackte Ladys.
1948, als ich fünf Jahre alt war, nahm mich meine Oma immer zu drei Filmen pro Tag mit. Ich hatte noch nie zuvor Spielfilme gesehen und war sofort wie gebannt. Wir sahen uns Joan of Arc (Johanna von Orleans) an, The Glass Mountain (Echo der Liebe) und einen Marx-Brothers-Film, einen Streifen nach dem anderen. Vierundzwanzig nackte Ladys auf einen Schlag – und dann drei Movies pro Tag. Kann man schon ahnen, welchen Kurs mein Leben nehmen sollte? Wir waren die Prä-TV-Generation. Wir sind mit dem Radio aufgewachsen, haben spannenden Serien gelauscht wie Journey into Space (Reise ins Weltall), Dick Barton Special Agent! und total witzigen Comedians wie Al Read:
„Kannst du Gas riechen, oder war ich das?“
Dann natürlich die unvergleichliche Goon Show: eine BBC Radio Comedy mit Peter Sellers, Spike Milligan und Harry Secombe.
Mein erstes Fernseh-Erlebnis war die Krönung von Königin Elizabeth II,
1953. Meine Schule hatte einen winzigen 8-Zoll-Schwarz-Weiß-Apparat besorgt, und wir saßen um den herum und betrachteten Leute, wie sie beim Ansingen von „Vivat Regina!“ in lustigen Kostümen hin und her liefen. Man schenkte uns massenhaft Krönungs-Spielzeug, Becher, goldene Kutschen und Papierkronen. Und an jenem Morgen verkündete die BBC im Radio, dass wir den Everest bezwungen hätten. Nun ja, einem Neuseeländer und einem tibetanischen Sherpa war das gelungen, aber es galt eben als eine britische Expedition.
Im Jahre 1948, als ich fünf Jahre alt war, schickte mich meine Mutter zum ersten Mal zur Schule. Sie arbeitete inzwischen als Krankenschwester in Cheshire. Es ging zur St. George’s School in Wallasey, einem kleinen Städtchen am Meer. Von Liverpool aus liegt es nur eine Fähre über den Mersey entfernt. Eines Tages wurde ich zuhause vermisst. Ich hatte einen Jungen namens George kennengelernt – beim Spielen in The Red Noses, den Sanddünen bei New Brighton. Die waren ein beliebtes Ausflugsziel für Liverpooler, und wir trafen uns immer mit Kindern von der anderen Seite des Mersey-Flusses. George und ich hatten den ganzen lieben langen Tag gespielt und völlig den Sinn für die Zeit verloren. Viele Jahre später, als ich George Harrison kennenlernte, hatte ich dieses intensive Gefühl, dass wir uns schon mal begegnet waren. Und ich habe mich oft gefragt, ob er der Junge war, der mit mir an jenem Tag geschwänzt hatte. Ich schätze, das werde ich wohl nie herauskriegen, aber als ich schließlich zuhause ankam, rastete meine Mutter total aus. Es war schwierig für sie, mit einem heranwachsenden Sohn und einem Vollzeitjob klarzukommen, und dass ich einfach so verschwunden war, jagte ihr einen gehörigen Schreck ein. Daher akzeptierte sie ein Angebot des RAF-Wohltätigkeits-Fonds The Benevolent Fund: Sie steckte mich im Alter von sieben Jahren in die Royal School Wolverhampton, die gerade erst ihren Namen The Royal Orphanage –Königliches Waisenhaus also – in den neuen geändert hatte. Der Krieg hatte dieser viktorianischen Institution Auftrieb gegeben, aber dem Sog der Ironie kann man nicht entkommen. Wir wurden zu einer Schule geschickt, für die die RAF zahlte – und wuchsen mit Jungs auf, die allesamt ihren Vater im Krieg verloren hatten. Wir nannten sie The Ophny, als Kurzform für Orphanage.
Während meiner ersten Nacht in der Schule fand ich mich in einem Schlafsaal voller weinender Jungen wieder. Ich nahm mir vor, da nicht mit einzustimmen. Wozu sollte das gut sein? Früh an jenem Tage hatte mich meine Mutter dort schlicht abgeladen, worauf sie einfach wegfuhr und verschwand. Sie sagte nicht Tschüs, sie machte sich einfach aus dem Staub. Später meinte sie dann: „Nun ja, ich wollte kein Aufsehen. Du warst so schön beim Spielen, also dachte ich, am besten ziehe ich mich zurück und vermeide eine Szene.“ Eine typische Mutter des Nordens eben. Eine Szene vermeiden, das steht über allem. Ich habe noch immer Albträume, in denen ich zurück im Ophny bin. Das war schon zu jener Zeit äußerst finster, und im Nachhinein furchtbar. Ich war dort, seit ich sieben war, bis es mir im Alter von neunzehn Jahren gelang zu entkommen. Für ein heranwachsendes Kind war es ein von körperlichem Missbrauch, Schikanen und Strenge bestimmtes Milieu. Die Quartale liefen über nicht enden wollende vierzehn Wochen. Im Alter von sieben schienen sie mir unendlich. Zwölf Jahre? Da kriegt man ja für Mord weniger.
In der Grundschule peitschte mir Miss McCartney ihr hölzernes Lineal quer über die Hand, weil ich ein Mathe-Problem nicht verstand. Erstaunlicherweise blieb ich in Mathe schlecht. Im Alter von elf Jahren ging ich nervös in die Sekundarstufe über. Mobbing war an der Tagesordnung. Die stubenältesten Präfekte durften uns mit ihren Slippers schlagen. Die Hausvorsteher, Masters genannt, konnten uns mit dem Stock prügeln. Für schwere Straftaten, wie etwa Kichern bei den Hausaufgaben, konnte man für „Sechs von den Besten“ zum Direktor geschickt werden. Einmal wurde ich aufgrund „stiller Anmaßung“ zur Prügelstrafe beordert. Hatte nicht mal was gesagt. Ich meine, was für eine Chance hast du da noch? Die Oberschule hatte einen hundert Meter langen Schlafsaal, und während der Nacht patrouillierten die Stubenältesten hin und her. Wenn sie jemanden nach dem Lichtausmachen quatschen hörten und keiner es gewesen sein wollte, mussten alle aus der Koje kommen und sich über ihre Betten beugen. Dann schritten sie die Reihe ab und prügelten den ganzen Saal durch. Und es war eiskalt. Ich fror, bis ich neunzehn war. Kein Wunder, dass ich nach Kalifornien gezogen bin.
Aber das Unglück dauert eben nie ewig. Es gab durchaus Glücksmomente. Süffisantes Lachen, wenn sie einem beim Prügeln auch noch sagten: „Es ist zu deinem eigenen Besten.“
„Ach ja? Und warum biete ich dir das nicht an?“
Ich war ziemlich witzig in der Schule, und Humor ist eine gute Waffe gegen Schikanen. Es ist schwierig, einen kleineren Jungen zu schlagen, wenn man am Lachen ist. Ich gewöhnte mich daran, mit Jungs-Cliquen umzugehen und unter schwierigen Bedingungen mein Leben auf die Reihe zu kriegen. Der perfekte Trainingslauf für einen Python.
Ich spürte