Always Look On The Bright Side Of Life. Eric Idle
es war Freitagabend, und vor Montag würden die nicht wieder aufmachen. Was konnten wir tun? Achselzucken. Das war’s mit der netten Pension. Wir hatten nur unsere Klamotten am Leib und überhaupt kein Geld. Drei Nächte lang schliefen wir im Freien, in den Parks und dem Münchner Bahnhof. Schließlich wurden uns am Montagmorgen von der Britischen Botschaft provisorische Pässe ausgestellt, und man gab uns ein wenig Bargeld, um nach Hause zu kommen. Wir trampten so zurück, wie wir gekommen waren, und erzählten unsere traurige Geschichte. All jenen Deutschen, die für uns anhielten, war unser Schicksal peinlich. Die brachten sich halb um, nett zu uns zu sein, gaben uns Essen aus und luden uns sogar in ihre Wohnungen ein. Pleite und ohne Gepäck schlichen wir uns nach England zurück. Wien haben wir nie zu sehen gekriegt. Trotzdem: „Schau immer auf die Sonnenseite des Lebens.“
Interessanterweise bekamen wir unsere Rucksäcke zurück. Es stellte sich heraus, dass der Mann ein norddeutscher Krimineller war – auf der Flucht von Hamburg aus und von der Polizei gesucht. Wir waren wahrscheinlich eine gute Tarnung für ihn. Am Ende schnappten sie ihn in Italien.
Unbeirrt von diesem ersten Abenteuer beschlossen wir im Jahr darauf, noch mal durch Deutschland zu trampen. Diesmal brachen wir aber etwas besser vorbereitet auf. Alan hatte ein paar Verwandte in Berlin, die uns ein Zimmer anboten, also trampten wir bis Nürnberg. Dort stellten wir uns auf die Tribüne des Reichsparteitagsgeländes, wo Hitler gestanden hatte, und ließen unsere Charlie-Chaplin-Imitationen vom Stapel. Weiter kamen wir nicht. Der einzige Weg nach Berlin führte durch das kommunistische Ostdeutschland, also buchten wir eine Busreise.
Wir hätten uns schon erstaunt fragen müssen, was da los war, als wir sofort aus dem Bus gezogen und von den ostdeutschen Grenzern rüde durchsucht wurden. Sie verhörten uns. Wohin unsere Reise denn gehen solle? Zwei englische Jungs, die nicht viel bei sich hatten – was interessierte die denn groß? Wir hatten drei Wochen lang keine Zeitung aufgeschlagen. Anscheinend waren wir die einzigen Menschen in ganz Deutschland, die absolut keine Ahnung hatten, dass Präsident Kennedy sich am kommenden Tag auf Staatsbesuch nach Berlin begeben sollte – auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Ganz aus Versehen waren wir im Mittelpunkt der Welt gelandet.
Alans Verwandte nahmen uns warmherzig auf, und wir bekamen sogar Betten. Am nächsten Tag säumten wir mit Tausenden von Berlinern die Straßen, um die „Kavalkade“ vorbeiziehen zu sehen. Sechzehn Geheimdienst-Limousinen, gefolgt von siebzehn Presse-Limos. Schließlich tauchten sie auf: Konrad Adenauer, der westdeutsche Kanzler, und Willy Brandt, der legendäre Regierende Bürgermeister von West-Berlin (und spätere westdeutsche Kanzler). Sie standen beide im Fonds eines offenen Fahrzeugs und flankierten den lächelnden JFK. Ich kann mich noch gut an seinen Haarschopf erinnern – und weiß noch, wie überrascht ich über seine gesunde Ausstrahlung war. Die Deutschen spielten verrückt. Wir gingen nach Hause und schauten uns die berühmte „Ich bin ein Berliner“-Rede live im Fernsehen an. Innerhalb einer Stunde tauchten Flyer und Karten und Plakate mit diesem Slogan in den Straßen auf. Es sollte sich herausstellen, dass ihm weniger als vier Monate zu leben blieben.
Am folgenden Tag besuchte der ostdeutsche Regierungschef Walter Ulbricht Ost-Berlin. Am Tag danach schlüpften wir durch den Checkpoint Charlie: zu einer Tour durch das trostlose Paradies der Industriearbeiter, das so viel dazu beitrug, dankbar für die Segnungen des Westens zu sein. Bei uns konnte man sich theoretisch als Linker geben, ohne dafür leiden zu müssen. Wir fuhren an einer Reihe hässlicher Fünfziger-Jahre-Mietshäuser vorbei. In einiger Entfernung Hitlers Führerbunker. Und am Ende jeder Straße das gleiche Elend: The Wall – die Mauer.
Als wir wieder sicher in West-Berlin angelangt waren, stellten wir fest, dass die Pembroke Players in der Stadt waren – unsere Schauspieltruppe aus Cambridge. Sie brachten eine Inszenierung von Macbeth. Also gingen wir hin. Merkwürdig war, dass sie ein Telegramm für mich hatten. In Berlin? Es kam von den Footlights, von Humphrey Barclay. Cambridge Circus erwies sich im Londoner West End als ein solcher Erfolg, dass sie ihr Engagement beim Edinburgh Festival nicht wahrnehmen konnten. Also wollte Humphrey Barclay, dass ich es mit ihm und Graeme Garden aufführte. Ich sollte mich umgehend zu Proben in Cambridge einfinden!
4
SHOWBUSINESS!
Sommersemester in Cambridge. Immer die beste Saison. Die Colleges hatten geschlossen, und jede Menge Mädchen liefen dort in ihren Sommerkleidchen herum. Das exquisite Pärchen Gita und Sonny Mehta hielt Hof – in ihrer mondänen Bleibe, die voller Bücher steckte. (Er sollte später ein distinguierter Publizist bei Picador in London und bei Knopf in New York werden, sie eine angesehene Autorin.) Gleichzeitig hauste ich während der dreiwöchigen Proben des Footlights-Clubs in einem winzigen Zimmer über einem miefigen Restaurant.
Edinburgh war der Hammer. Wir kampierten alle in einer Wohnung im sechsten Stock, ohne Fahrstuhl, nur kaltes Wasser. Aber endlich war das hier Showbusiness! Im zarten Alter von zwanzig Jahren hatte ich meinen ersten Fernsehauftritt: mit Humphrey Barclay beim Festival Special des Scottish TV. Wo ich einen John-Cleese-Sketch brachte. War ja klar …
Footlights ’63 war eine Sensation, ausverkauft. Hauptsächlich, weil wir all die besten Sketche vom West-End-Erfolg der Footlights hatten. Harold Hobson von der Sunday Times meinte: „Sie ziehen so mühelos Bewunderung an wie Blumen die Sonne locken.“ Das war nett von ihm, denn am nächsten Abend brachten wir ihn fast um: Sämtliche Kulissen krachten zusammen, als sich bei der Weltpremiere von Henry Millers einzigem Theaterstück Wild About Harry (Wild About Harry – Ein Koch spielt verrückt) die Drehbühne nicht drehen mochte. Dieses legendäre Desaster hatte all diese Londoner Kritiker nach Edinburgh gelockt.
Der Cambridge Amateur Dramatic Club hatte nämlich herausgefunden, dass Henry Miller mal ein Theaterstück geschrieben hatte, das nie zur Aufführung kam. Und nichts konnte ihn davon abhalten, eine Weltpremiere dieses Stückes beim Edinburgh Festival zu präsentieren. Sie beschlossen – typisch Cambridge –,
eine alte Baptistenkirche in ein modernes Theater umzuwandeln, Drehbühne inklusive. Sechs Wochen lang sägten und hämmerten extrem vollbärtige Kerle herum. Aber zum Premierenabend war klar, dass weder das Theater noch die Bühne fertig waren. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als zu verschieben. Da sie ja aus Cambridge waren, hatten sie das schon eingeplant. Sie hielten eine Pressekonferenz ab und gaben bekannt, dass ein regionales Kontrollgremium (das in Schottland Theaterstücke und öffentliche Aufführungen zensierte) „sehr geringfügige Änderungen“ verlange. Diese hätten sich aber als derart ungeheuerlich herausgestellt, dass sie es notwendig machten, zunächst Henry Miller selbst zu kontaktieren, um herauszufinden, ob der die überhaupt erlaube.
Die Kontaktaufnahme mit Henry Miller in Kalifornien verzögerte sich. Als man ihn schließlich erreichte, war der nicht nur überrascht, dass überhaupt jemand sein Stück aufführte. Er hatte außerdem keinerlei Einwände, was immer sie damit anstellen wollten. Also das war in Ordnung. Ein für Cambridge typischer perfekter Sturm im Wasserglas. Sie konnten loslegen. Schlagzeilen wurden verfasst, Tickets verkauft, und das Stück konnte am kommenden Tag aufgeführt werden. Nur passierte dies nicht. Die erste Szene lief noch sicher genug durch: Graeme Garden und ich – unter all diesen Mimen für das Stück gekapert – wechselten ein paar Worte mit einer speziell engagierten winzigen Person, während wir vorgaben, ein Apartment in San Francisco anzustreichen. Also gut, sie war weiblich und spielte jemand Männlichen. Es ist aber auch gar nicht leicht, so Kurze so kurzfristig für Amateur-Produktionen ungewollter Henry-Miller-Stücke aufzutreiben. Und Cambridge war schon immer berüchtigt für einen laxen Umgang mit Genderfragen. Und das ist auch prima so. Also, so weit, so gut – das Publikum applaudierte pflichtschuldigst. Aber der Traum vom Theater endete zur selben Zeit wie diese Szene. Die Drehbühne verweigerte die Drehung. Zwanzig Minuten vergingen. Mit Stoßen, Schieben, Wuchten und Fluchen. Egal wie viele Stoßer, Schieber, egal wie viele Wuchter und Flucher, die Bühne blieb felsenfest in ihrer Position arretiert. Die Akteure der nächsten Szene blieben felsenfest in den Kulissen. Am Ende schlingerte die Drehbühne nach einem letzten verzweifelten Wuchten. Die schweren Platten begannen zu vibrieren und krachten dann langsam wie Dominosteine runter. Die Theaterkritiker rannten alle um ihr Leben die Seitengänge hoch. Den armen Harold Hobson ließen sie in seinem