Peter Gabriel - Die exklusive Biografie. Daryl Easlea

Peter Gabriel - Die exklusive Biografie - Daryl  Easlea


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paar Songs und schauten, was sich damit machen ließ. Vielleicht würde sie ja jemand covern. Wie man weiß, tat das aber keiner, also spielten wir sie selbst. Wir hatten ursprünglich nicht vor, live aufzutreten, aber Dinge wie dieses Konzert von The Nice änderten meine Einstellung dazu.“

      Banks ging an die Sussex University, wo er zuerst Chemie und dann Philosophie und Physik studierte. Er verbrachte an den Wochenenden auch Zeit im Haus der Gabriels, um mit ihm an Musik zu arbeiten, die sie später bei Genesis verwendeten. „Ich hatte meinen Platz in Sussex“, sagt Banks. „Die Idee, die Musik zum Beruf zu machen, erschien mir wie eine Träumerei, an die ich noch nie gedacht hatte.“

      Gabriel blühte während seiner letzten Tage an der Privatschule richtig auf. Phillips meint dazu: „Sobald wir uns damit abgefunden hatten, dass ich zwei Jahre jünger war als er, gingen wir zusammen zu Doppel-Dates. Ich war da 15 und er 17. Er machte eine seltsame Metamorphose durch. Er gehörte, was Musik und Sport anging, nicht so richtig zu den anderen Jungs. Er war keiner, der sich irgendwie hervortat. Ich war mir nicht sicher, ob er noch derselbe Typ wie früher war, weil er plötzlich schlank und sehr exzentrisch war. Die Mädchen beteten ihn an, da ihn eine leicht mysteriöse Aura umgab. Er war kein raubeiniger Macho, aber er hatte dieses Geheimnisvolle und Reservierte, auf das die Frauen abfuhren. Er war da schon mit Jill zusammen.“

      Phillips meint Jill Moore, mit der Gabriel zu dieser Zeit eine Beziehung begann. Die Verbindung zwischen Moore und Gabriel sollte 20 Jahre andauern und ihn zu einigen seiner besten Arbeiten inspirieren.

      ***

      Decca fand heraus, dass es noch eine andere amerikanische Band gab, die sich ebenfalls Genesis nannte, weshalb die Gruppe dazu gedrängt wurde, ihren Namen zu ändern. Jonathan King lehnte dies ab. Stattdessen beschloss er, die LP nicht unter dem Namen der Band, sondern unter dem Titel des Albums zu vermarkten – From Genesis To Revelation. Als es schließlich im März 1969 auf den Markt kam (Decca SKL 4990), steckte die Schallplatte in einer in Schwarz gehaltenen Hülle – möglicherweise eine Antwort auf das weithin als „Weiße Album“ der Beatles bekannte Album, das im November zuvor veröffentlicht worden war. Mit einer goldenen, altmodischen Schrift verziert, wirkte es wie ein Konzeptalbum. Auf der Rückseite befand sich eine ominöse Grußnote, in der Gabriel die Situation mit der amerikanischen Band gleichen Namens darlegte. Er schrieb: „Die Gruppe begann als Genesis vor biblischen Jahrhunderten“, und fuhr dann fort, „es sollte einfach sehr angenehm sein.“ Dann ergänzte er noch, wo sich die Band, mit 17 oder 18, selbst sah: „Diese Jahre zwischen 15 und 20. Nicht länger ein Junge oder ein Mädchen, noch kein Mann oder eine Frau. Verwirrt vom strahlenden Licht des Alters, voller Erinnerung an die vage Entspanntheit der Jugend. Jahre, in denen man versucht, zurückzukehren, vorwärts, aufwärts, abwärts. Niemals statisch, im Reinen mit dem Erwachsenwerden.“ Die Conclusio setzte eine ordentliche Portion Sixties-Chuzpe voraus, die sich in Gabriels anmutig untertriebene Abwiegelung mischte: „Lauscht und versetzt euren Verstand in das Klangspektrum. Hört, was ihr hört – lächelt und genießt, von Anfang bis Ende, von Genesis bis zur Offenbarung.“ Vielleicht sagte die folgende Zeile am meisten aus:

      „Wir hoffen, dass ihr es nicht humorlos oder prätentiös findet, weil wir weder das eine noch das andere beabsichtigt haben.“

      Das Album bleibt ein wunder Punkt in der Genesis-Diskografie. Es ist nicht humorlos, aber vielleicht schon ein wenig prätentiös. Es befindet sich ein wenig abseits des restlichen Katalogs der Band und wird zumeist als eine Art Jugendsünde abgetan. Zweifellos lässt das Album den Biss und das Gefühl der frühen Demos vermissen. Auch fehlt noch die typische Erhabenheit, die spätere Releases auszeichnen sollte. „Wir versuchten, ein zusammenhängendes Ding zu erschaffen“, erzählte Gabriel 1980 Armando Gallo. „King schlug vor, dass wir uns Gedanken zum Anfang der Welt machen sollten. Es war schrecklich hochtrabend, wenn ich mich daran zurückerinnere: Die Geschichte der Menschheit in zehn simplen Popsongs. Absurd, aber uns hat schon immer die biblische Bildwelt gefallen.“

      Inspiriert von der orchestralen Begleitung, die ihre Kollegen bei Decca, The Moody Blues, einsetzten, nahm King die fragilen, skelettartigen Songs und holte erneut den weithin geschätzten Orchestermeister Greenslade ins Boot, um freimütig Streicher-Arrangements über die Tracks zu verteilen. Der in der Londoner Musikszene der Sixties sehr gefragte Arrangeur Greenslade hatte bereits mit so unterschiedlichen Acts wie Billy Fury, Them, Dusty Springfield und Shirley Bassey zusammengearbeitet. Trotzdem war die Band entsetzt, als sie ihre Songs mit den süßlichen Streichern hörte. Banks sah es noch relativ locker, da er es als Teil der Zusammenarbeit mit Plattenfirmen und erfahrenen Produzenten begriff. Rutherford war völlig perplex. Phillips hingegen war außer sich und stürmte sogar aus dem Studio. „Ich rannte hinaus und legte mich hin. Meine Freundin hatte mich gerade verlassen und ich dachte, dass das Leben gar nicht mehr schlimmer werden könnte. Kurz darauf bekam ich dann noch Pfeiffer’sches Drüsenfieber!“

      Obwohl alle Songs ihre Qualitäten haben, stechen von den ursprünglichen zwölf Tracks ein paar heraus. „Where The Sour Turns To Sweet“ erhebt sich aus einer bluesigen Piano-Phrase und Fingerschnippen, bevor es sich in eine konventionellere Richtung à la Bee Gees bewegt. „In The Beginning“ und „Fireside Song“ sind simple, naive Nummern mit eingängigen Refrains. Das bluesige Zwischenspiel „The Serpent“ basiert auf „She Is Beautiful“, dem Song von Gabriel und Banks, der King ursprünglich so beeindruckt hatte. „Am I Very Wrong“ ist womöglich der schlechteste Track von allen, eine skurrile Komposition, bei der Banks und Phillips in den Refrain einstimmen. Andererseits klingt das Intro mit seinen gezupften Akustikgitarren und der Flöte nicht unähnlich der zukünftigen Genesis-Hymne „Supper’s Ready“. Nichts wurde hier verschwendet. Durch den Filter von Greenslades Streichern hindurch hört sich „In The Wilderness“ wie klassischer, feenhafter Sixties-Pop an. Bei diesem fröhlichen Refrain verwundert es ein wenig, dass sich dafür kein anderer Act finden lassen wollte. Der hätte einigen etablierten Sängern, die sich im Underground nach gutem Material umsahen, um ihre Karrieren zu verlängern, sicherlich gut zu Gesicht gestanden. Es ist nicht allzu schwer, sich vorzustellen, dass Matt Monro, Des O’Connor oder sogar Jonathan King selbst sich diesem rührenden Kleinod annehmen hätten können. Es war Banks Lieblingssong auf dem Album und es waren viele Anläufe nötig, bis es Gabriel schließlich gelang, den gewünschten Gesang beizusteuern. Zwischen den Takes nahm er Duschen, um so die bestmögliche Gesangsleistung abzurufen, was wohl ein Hinweis war auf die pingelige Exzentrik, auf die er sich zubewegen sollte.

      King erkundigte sich bei Silver, ob er auf „The Conqueror“ – jenem Song auf dem Album, der am ehesten nach herkömmlichen Rock klang – in der Art von Charlie Watts bei „Get Off Of My Cloud“ spielen könnte. Diese Ähnlichkeit lässt sich auch heute noch heraushören, obwohl sich der Song ansonsten auch reichlich bei Bob Dylan und Lou Reed bediente. Auch wenn vieles auf dem Album auf liebenswürdige Weise abgekupfert klingt, so war „In Hiding“ doch seiner Zeit voraus und erinnert ein wenig an Crosby, Stills & Nash, wohingegen „One Day“ möglicherweise der am meisten von den Beatles beeinflusste Track auf der Platte ist. „Window“ hatten Rutherford und Phillips im Herrenhaus der Eltern von David Thomas in Hampshire geschrieben, wo sie sich von der Schönheit der Gegend inspirieren ließen. „In Limbo“ hat ein bemerkenswertes Outro, bei dem Gabriel die Zeile „Peace is floating in Limbo“ gegen einen Chorgesang und Phillips verfuzztes Solo ansingt. Die Summe daraus deutete ganz klar auf die glorreiche Zukunft, die noch vor ihnen lag. „The Silent Sun“ wurde für das Album noch einmal aufgenommen und blieb dabei so lieblich wie beim ersten Mal. „A Place To Call My Own“ hat einen angenehmen und sanften Schlussteil, der gleichzeitig auch das Album abschließt.

      From Genesis To Revelation wurde ein grandioser Flop, von dem sich nachweislich weniger als 1.000 Einheiten in Großbritannien verkauften. Banks sagte dazu: „Nach einem Jahr hatten wir 649 Stück verkauft – und wir kannten diese Leute alle persönlich. Es war kein sehr vielversprechender Beginn.“ Aber immerhin war es ein Beginn, den sie voll und ganz und für immer Jonathan King zu verdanken hatten. Wie Mike Rutherford 1985 sagte: „Er gab uns die Chance, ein ganzes Album einzuspielen. Wir waren ein Haufen Typen, die echte Amateure waren, nicht besonders gut spielen konnten – und trotzdem durften wir damals während dieser Sommerferien eine ganze Platte machen.“ In einem Interview von 1972 sagte Gabriel: „Ich habe mir das Album schon lange nicht


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