Peter Gabriel - Die exklusive Biografie. Daryl Easlea

Peter Gabriel - Die exklusive Biografie - Daryl  Easlea


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      Paul Conroy wurde der erste ordentliche Booking-Agent von Genesis. Da er im selben Alter war, wusste er genau über ihre Bedürfnisse Bescheid und verbrachte die nächsten drei Jahre damit, sehr eng mit ihnen zusammenzuarbeiten, während sie auf Tour waren. Er hatte zuvor als Privatsekretär am Ewell Teacher Training College gearbeitet, wo er die Bands für Feste gebucht hatte. Seine so erworbenen Kontakte führten ihn schließlich zu Terry Kings Booking-Agentur. „Ich suchte Konzerte für Bands wie The Fortunes, The Foundations und Caravan. Sie vertraten damals auch Charisma, wobei es sich bei ihnen in erster Linie um Rare Bird drehte, weil sie mit ‚Sympathy‘ ein Hit hatten landen können. Genesis war bemerkenswert selten gebucht worden. Ab und zu mal im Angel in Godalming.“ Das sollte sich alles schon bald ändern.

      Am 13. April 1970 spielte die Band zum ersten Mal im Friars in Aylesbury, Buckinghamshire, jener Location, mit der die Band am häufigsten in Verbindung gebracht werden sollte. Das Friars, das 1969 seine Pforten geöffnet hatte, war die Idee von Robin Pike und David Stopps gewesen, die dafür die New Friarage Hall in der Walton Street gemietet hatten. Ab Anfang 1970 hatte sich der Laden mit seiner Kapazität von 400 zugelassenen Besuchern bereits einen guten Ruf in den Rock-Zirkeln verdient.

      Indem er sie buchte, sollte David Stopps eine Schlüsselrolle in der Karriere von Genesis spielen. „Zum ersten Mal traf ich Peter im April 1970“, sagt er. „Ich habe immer noch den Vertrag für den Gig. Sie wurden mir von Terry King vermittelt. Wir informierten uns immer im Melody Maker und dem NME darüber, was andere Locations so veranstalteten.“ So wie Stratton-Smith sah Stopps etwas in Genesis – und vor allem in ihrem scheuen wie spektakulären Sänger: „Sie waren offensichtlich anders. Als erstes fiel einem Peters Bass-Drum auf. Da war der Schlagzeuger und da war Peter, der noch eines draufsetzte. Niemand hatte das zuvor so gemacht, also hebten sie sich allein dadurch schon mal ab. Dann waren da noch die ganzen Geschichten, die Gabriel zwischen den Songs erzählte. Niemand sonst brachte so was.“ Stopps wurde ein begeisterter Unterstützer von Genesis und später trat Gabriel auch auf seinen Solo-Touren bei ihm im Friars auf.

      Ian Hunters wohlwollende Worte weckten die Neugier des 15-jährigen Friars-Stammgasts und zukünftigen Musik-Schreiberlings Kris Needs. „1970 konnte man sowohl Mott The Hoople als auch Genesis eine Outsider-Band nennen, wenn es darum ging, sich mit seiner persönlichen Vision von der Konfektionsware, die damals aus Egotrips in Form von 30-minütigen Gitarren-Solos bestand, abzuheben. Mott und Genesis mochten vielleicht wie die kompletten Gegenteile voneinander wirken, aber beide hatten das gewisse Etwas, das sie zu Publikumslieblingen bei uns im Club machten, in dem – es soll nicht unerwähnt bleiben – David Bowie zum ersten Mal als Ziggy Stardust auftrat.“

      Needs erinnert sich daran, wie er die frühe Power der Band wahrnahm. „Genesis bliesen einen aus den Schuhen. Man erwartete sich nicht viel. Sie hatten ein halbgares Album zu Buche stehen – ich denke, Trespass war damals noch nicht veröffentlicht. Peter Gabriel kam einem mit seinen fünfminütigen Storys und die Meute verfolgte gebannt jedes einzelne Wort. Am Ende des Sets, bei ‚The Knife‘, drehten dann alle wieder durch!“ Needs, der die Mitgliederausweise für Friars entwarf, erinnert sich an den 13. April 1970: „Auf dem Plakat stand, dass Nick Drake im Vorprogramm auftrat, davon weiß ich aber nichts mehr. Genesis hingegen hatten etwas Besonderes, das einen fesselte. Die Songs, die sie damals spielten, stammten fast alle vom Debütalbum: ‚Visions of Angels‘, ‚Twilight Alehouse‘, ‚Looking For Someone‘, ‚The Knife‘ … Jede Nummer war wie ein Mini-Film. Im Friars war ich bekannt als ein unverbesserlicher Anhänger der uralten Kunstform des Idiotentanzes. Dabei musste man Luftsprünge vollführen und dabei jeden einzelnen Körperteil in eine andere Richtung werfen, eine Art Anfall eben. Je verrückter die Band, desto höher ihre Punktezahl auf dem ‚Hüpf-O-Meter‘. Genesis waren umsichtig genug, ihre verrückten Stücke immer wieder mit Grabesruhe zu unterbrechen, damit man wieder zu Atem kam und sich abschütteln konnte.“

      Paul Conroy stach die Intelligenz der Gruppe nicht sofort ins Auge: „Genesis hatten bereits eine Anhängerschaft, die sie kultisch verehrte. ‚Gigs‘ wurden zu dieser Zeit immer mehr zu ‚Konzerten‘. Die Leute standen sich drauf. Wegen ihrer Ausrüstung trat die Band nicht gerne mit anderen Acts auf.“ Diese ersten Auftritte – obwohl noch ein zaghaftes Vortasten – hatten eine Leidenschaft und Intensität, die einem den Atem raubte.

      Mit der finanziellen Unterstützung Charismas im Rücken erstand die Band das Instrument, das in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern jeder haben musste: ein Mellotron. Seine erste Popularität erlangte es durch ‚Strawberry Fields Forever‘ von den Beatles und Mike Pinder von Moody Blues, bevor es mit King Crimsons Debütalbum schließlich den Gipfel erreichte. Genesis kauften ihres schließlich sogar von Robert Fripp selbst, dem Anführer von King Crimson. „Das erste Mellotron der Band stammte von Crimson“, erinnert sich auch Macphail. „Das Gehäuse war bei einem Feuer beschädigt worden und jemand hatte einfach mit schwarzer Farbe drübergemalt. Fripp kam vorbei, als Charisma sich noch in der Old Compton Street befand. Ich traf ihn da zum ersten Mal. Der Deal war besiegelt und wir übernahmen dieses Ungetüm von einem Instrument. Es war irre schwer. Man drückte auf der linken Seite auf einen Knopf und dann spielte es für acht Sekunden.“

      Tony Banks machte sich daran, das Instrument in den sich stets weiterentwickelnden Sound der Band einzuarbeiten. Die Zeitdauer, die nötig war, es auf der Bühne zu stimmen, gab Gabriel auf der Bühne Gelegenheit, seine Geschichten noch mehr in die Länge zu ziehen.

      ***

      Angetrieben von ihrer wachsenden Beliebtheit als Live-Act und ihrem neuen Deal mit Charisma, begaben sich Genesis im Juni 1970 in die Trident Studios, um ihr erstes Album für die neue Firma einzuspielen. Trident, im Herzen Sohos gelegen, war von Norman und Barry Sheffield gebaut worden und hatte binnen zweier Jahre bereits eine feine Reputation erlangt. Es war eines der ersten Londoner Studios, das mit einem Achtspur-Aufnahmegerät aufwarten konnte. Die Beatles hatten einst für kurze Zeit Abbey Road den Rücken gekehrt, um Teile des Weißen Albums hier aufzunehmen, wobei vor allem die damalige Single „Hey Jude“, die sie am 31. Juli 1968 im Trident einspielten, herausragte. Außerdem entstand hier David Bowies „Space Oddity“ und Marc Bolans Frühwerk mit Tyrannosaurus Rex.

      Stratton-Smith mochte an Trident seine entspannte Einstellung in puncto Aufnahmen, das topmoderne Equipment, die Anpackermentalität des Studio-Teams und natürlich die Nähe zu seinen bevorzugten Tränken in Soho. Die Gruppe, die von John Anthony betreut wurde, der wiederum von Robin Cable unterstützt wurde, konzentrierte sich auf das Material, das sie im Cottage geschrieben hatte, wobei sie sich die Highlights aus den mittlerweile eineinhalb Stunden Musik, an der sie auf Tour gefeilt hatte, aussuchen konnte. Es war nicht so, dass sich die Gruppe – wie Phillips es ausdrückte – von einem „faulen Ei“ losgesagt hätte, indem sie sich von Jonathan King getrennt hatte. Außerdem würde man ja erneut mit einem Produzenten arbeiten müssen. Sie zogen es in Betracht, ein paar alten Stücken, die sie hinter sich gelassen hatten, noch eine Chance zu geben, aber sie standen unter Zeitdruck.

      „Trespass war unser erstes Album als Band. From Genesis To Revelation war im Prinzip einfach ein paar Kids während der Sommerferien“, sollte Mike Rutherford später sagen. Es sollte das einzige ihrer Alben werden, das sie als Ganzes vor der Veröffentlichung live gespielt hatten. Gabriel nahm sich bereits damals so viel Zeit wie möglich, um die bestmögliche Performance abzuliefern: „Im Studio war er nicht langsam, weil er etwa faul gewesen wäre“, meinte Phillips. „Er nahm sich einfach nur die Zeit, um den richtigen Sound hinzubekommen. Der Rest von uns, vor allem Tony und ich, war ungeduldiger. Peter brauchte seinen Freiraum, um seinen Ideen genügend Zeit zu widmen und um seinen Eingebungen nachgehen zu können, was ihm ermöglichte, ein paar sehr originelle Arrangements beizusteuern.“

      Als das Album unter Dach und Fach war, suchten Genesis erneut personelle Schwierigkeiten heim. Und dieses Mal war das Schisma besonders ernst. „Nach den Aufnahmesessions fühlte ich mich ein bisschen wie ein Zombie“, sagte Phillips 2007. „Und als wir dann auf Tour gingen, fühlte ich mich wie ausgebrannt, komplett leer. Ich war zwar noch kein Wrack, aber ich war nicht mehr mit dem Herzen bei der Sache. Ich konnte mich einfach nicht mehr motivieren.“ Er hatte an Drüsenfieber gelitten und im Anschluss an einer Bronchopneumonie, was zweifellos mit der Intensität


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