Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink
Back In Black
31 What Do You Do For Your Honey Money
32 Rock And Roll Ain’t Noise Pollution
34 Ain’t No Fun (Waiting ’Round To Be A Millionaire)
36 It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock ’N’ Roll)
37 Dirty Deeds Done Dirt Cheap
39 You Shook Me All Night Long
Danksagungen: Crabsody in Blue
Bibliografie: Beating Around The Bush
Opener
Shot Down In Flames
Es war an einem heißen Sommernachmittag, drei Tage vor Weihnachten 2014, in Kings Cross, einem Stadtteil von Sydney. Ich, mein Vater Fred sowie ein Freund von ihm aus Perth namens David, dem ich ein Exemplar meines ersten Buchs über AC/DC, Die Brüder Young, überreicht hatte, verließen gerade ein Café. Auf dem Weg zurück zum Auto blätterte David in dem Buch. Er hatte AC/DC Live At River Plate auf DVD gesehen, einen Live-Mitschnitt eines ausverkauften Konzerts in Buenos Aires von 2009. „Ich habe noch nie in meinem Leben ein Publikum gesehen, das sich so bewegt“, sagte er. Was er nicht wusste: Wir befanden uns nur ein paar Hundert Meter vom Hampton Court Hotel in der Bayswater Road entfernt, wo AC/DC Anfang 1974 – sie spielten zu diesem Zeitpunkt erst wenige Monate zusammen – mehrere Abende hintereinander vor Betrunkenen und Nutten aufgetreten waren. 40 Jahre später ist vom ursprünglichen Gebäude, das inzwischen in ein Haus mit Eigentumswohnungen umgewandelt wurde, nur mehr wenig übrig. AC/DC hatten einen langen Weg zurücklegen müssen, bevor sie in der Lage waren, südamerikanische Fußballstadien zu füllen.
Fred, David und ich kletterten ins Auto und wollten gerade losfahren, als ich bemerkte, dass ein kleiner Mann auf uns zusteuerte. Er hatte schulterlanges, bräunlich-graues Haar, das unter einem Panamahut herausragte, und trug ein schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans und schwarze Turnschuhe. Eigenartig schien mir, dass er von einem viel jüngeren Pazifikinsulaner gestützt wurde, obwohl er einen relativ jugendlichen Eindruck machte und nicht alt genug wirkte, um so gebrechlich zu sein.
Ich hatte keinerlei Zweifel, wen ich da vor mir hatte. Endlich sah ich mich Malcolm Young gegenüber, dem Gründer von AC/DC. Das unumstrittene Raubein der weltweit populärsten Rock-’n’-Roll-Band kann sich nur mehr mithilfe eines Pflegers fortbewegen. In den Monaten seit der offiziellen Bekanntmachung seiner Demenzerkrankung und der Ankündigung, dass er nicht wieder auftreten würde, war er nirgends öffentlich in Erscheinung getreten. Es kursierten auch keine Fotos. AC/DC veröffentlichten mit Rock Or Bust zum ersten Mal in 40 Jahren ein Album ohne ihn und begaben sich auf eine Welttournee, von der man annahm, dass es sich um ihre letzte handeln würde.
Ich hatte mehrere Jahre meines Lebens damit zugebracht, über jenen Mann, den Rockfans rund um den Globus unter dem Namen „Mal“ kennen, Nachforschungen anzustellen und zu schreiben. Weder AC/DCs Management noch offizielle oder inoffizielle Kanäle hatten es mir ermöglichen können, auch nur in seine Nähe vorzudringen. Immerhin hatte mir ein Mitglied seiner Familie versichert, dass sowohl er als auch seine Frau Linda Die Brüder Young gelesen hatten. Nun saß ich da, festgeschnallt in einem Mazda, nur wenige Meter entfernt vom größten lebenden Rhythmusgitarristen. Der Biograf trifft auf das Objekt seiner Begierde. Ein Zufall mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million. Meine Gedanken überschlugen sich. Inzwischen hatten auch Fred und David mitbekommen, wer sich uns da näherte. Ich hätte einfach aussteigen können, um Malcolm entgegenzugehen und mich überfallartig vorzustellen. Aber das hätte sich falsch angefühlt. Der Mann war krank. Hätte er überhaupt gewusst, wer ich war und worüber ich sprach? Das stand also nicht zur Debatte. Und so saßen wir einfach stumm da und sahen zu, wie er im Rückspiegel immer kleiner wurde. Näher war ich noch nie an ihn herangekommen.
Ich zögerte, ein weiteres Buch über AC/DC zu schreiben, da einer der Hauptdarsteller darin, eben Malcolm, nun an einer degenerativen Erkrankung leidet. Mir ist das bewusst. Genauso ist mir bewusst, dass ich Dinge aus seiner Vergangenheit hervorkrame, obwohl er selbst nicht mehr Stellung dazu beziehen kann. Aber auch wenn er bei guter Gesundheit wäre, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Malcolm sich kooperativ verhalten hätte. Die Youngs gehören wohl zu den verschlossensten Familien im Musikgeschäft und weigern sich seit jeher, Biografen ihre Geschichten zu diktieren – vermutlich aus gutem Grund.
Dies hier ist in erster Linie ein Buch für einen Mann, den ich seit Langem verehre, Bon Scott, und nicht für AC/DC. Auch ist es für die Leute gedacht, die sich Back In Black gekauft oder Bons krönenden Höhepunkt „Highway To Hell“ während des Abspanns des Hollywood-Blockbusters Iron Man 2 gehört haben und nun die Geschichte dieses Mannes, dessen Schwächen und Süchte ihn schlussendlich umbrachten, lesen wollen. Die Geschichte von AC/DC, die Existenz der Band selbst, beruht auf der Story dieses einen außergewöhnlichen Mannes, der so verschwenderisch mit sich umgegangen ist: Bon Scott. Malcolms Demenz macht das Schreiben dieser Geschichte nicht unmöglich. Wie er es 1978 in Sheffield selbst einmal gegenüber einem Reporter des New Musical Express ausdrückte: „Ich habe die Schnauze voll davon, irgendeinen Scheiß zu lesen. Du wirst die Wahrheit drucken lassen.“ (Ein Zitat, das sogar für das AC/DC-Boxset Bonfire zu Ehren von Bon verwendet wurde.)
Also gut, Mal. – If you want blood, you’ve got it.
* * *
Die kollektive Erinnerung an Bon bedarf einer ehrlichen und aufrichtigen Überarbeitung – und keiner weiteren Mythenbildung. „Offizielle“ Abbildungen der Geschichte von AC/DC wie etwa Blood + Thunder: The Sound of Alberts von ABC Television (von der BBC als The Easybeats to AC/DC: The Story of Aussie Rock ausgestrahlt) oder auch Behind the Music: AC/DC auf VH1 bekräftigen höchstens die bestehenden Mythen über ihn und die Band. Wie können diese Mythen ernsthaft weitergetragen werden, wenn sogar David Krebs – dessen Managementfirma Leber-Krebs AC/DC von 1979 bis 1981, also in jener Phase, in der die Band ihre kommerziell erfolgreichsten Alben veröffentlichte, betreute – nicht glaubt, dass Brian Johnson die Lyrics zu Back In Black beigesteuert