Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink
oder Mythen bezüglich Bon und AC/DC, die sich hartnäckig halten, aus der Welt zu schaffen.
Live Wire schönte die schmuddeligen Umstände von Bons Tod. Auch versäumte das Buch, die ewige Frage zu beantworten, wer denn nun wirklich die Lyrics auf Back In Black verfasst hatte; tatsächlich gab es sich die größte Mühe, dieser Sache aus dem Weg zu gehen.1
In einem Interview mit der schottischen Presse sagte Mary, dass Bons verschollenes Notizheft, in dem er seine Lyrics niederschrieb, „vielleicht“ seiner Familie zurückgegeben worden war, wofür es jedoch keinerlei Beweise gibt. Mary wurde rund um die Buchveröffentlichung als Bons Geliebte, seine Seelenpartnerin oder auch schlicht als seine „Ex“ tituliert. Sie selbst schreibt sogar, dass ein Freund von ihr von Bon kurz vor dessen Tod darüber aufgeklärt wurde, dass es in seinem Leben nur drei Frauen gegeben hätte, die er wirklich geliebt hat: „Seine Mutter, [seine Exfrau] Irene [Thornton] und mich.“
Bei allem Respekt glaube ich dennoch nicht, dass das der Wahrheit entspricht. Aber wer waren die Frauen, zu denen sich Bon wirklich hingezogen fühlte? Wer diente ihm als Inspiration für seine Songs? Falls er tatsächlich – wie viele vermuten – Texte zu Back In Black beisteuerte, stellt sich die Frage, ob er über echte Menschen und reale Vorkommnisse schrieb. Wenn der Songtext zu „You Shook Me All Night Long“ nicht von Brian, sondern, wie ich fest glaube, von Bon stammte, musste es doch eine Vorgeschichte dazu geben.
Wer aber war diejenige, die ihn mit „those American thighs“ ausknockte?
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Während der Arbeit an diesem Buch lernte ich zwei von Bons Geliebten kennen. Diese Liebesbeziehungen waren von prägender Bedeutung für ihn. Beide Frauen waren Amerikanerinnen, beide bis dato unbekannt. Es handelt sich um die Frisörin Pattee Bishop und um Holly X, Model und Fotografin, die aus persönlichen und beruflichen Gründen darum gebeten hat, nur mit Pseudonym und veränderten Personendaten im Buch genannt zu werden. Bon hatte noch eine Reihe weiterer Freundinnen in den Vereinigten Staaten. Manche ihrer Geschichten sind verloren gegangen und werden vermutlich auch niemals erzählt werden. Aber am wichtigsten von allen war vielleicht seine quälende On/Off-Beziehung mit der Australierin Margaret „Silver“ Smith, die durch die Geschichten um Bon geistert und die in den letzten 24 Stunden seines Lebens eine entscheidende Rolle spielen sollte. Silver verstarb am 12. Dezember 2016. Die Interviews, die sie mir für dieses Buch gewährte, sollten ihre letzten sein.
Hier werden zum ersten Mal die Geschichten aller drei Frauen einbezogen. Sie teilten das Bett mit ihm und kannten seine Geheimnisse. Sie kannten den Mann abseits der Bühne und all des Drucks auf Tour. Vieles deutet auch darauf hin, dass Bon einige seiner besten Songs über sie schrieb.
Silver, die gemeinsam mit ihrem erwachsenen Sohn und ihren Hunden im südaustralischen Jamestown ein beinahe einsiedlerisches Leben führte, gab freimütig zu, dass sie mit Heroin dealte und es auch selbst konsumierte. „Doch nicht im heutigen Sinne … die Bezeichnung bedeutet inzwischen etwas völlig anderes als damals. Ich mochte Heroin. Es tut mir nicht leid, dass ich es genommen habe … Solange man vernünftig und bemessen damit umging, konnten die Drogen, die damals angesagt waren, nicht viel Schaden anrichten. Heute ist das was anderes. Da kenne ich mich nicht gut genug aus und möchte es auch gar nicht.“
Ein Jahr vor Bons Tod wurde sie von der Londoner Polizei festgenommen. Phil Lynott von Thin Lizzy, mit dem sie befreundet war, wurde am selben Tag wie sie aufs Korn genommen. Silver wurde wegen Besitzes von Heroin, Kokain und Haschisch sowie der Absicht, es zu verkaufen, angeklagt. (Die Mengen waren jedoch gering: „Zwei Gramm Koks, ein Gramm Heroin und weniger als eine halbe Unze Hasch.“) Sie bekannte sich in Bezug auf den Besitz von Drogen schuldig, bestritt jedoch, geplant zu haben, sie weiterzuverkaufen. In zweiter Instanz wurde sie schließlich freigesprochen. Dieser schillernde Background bedeutet jedoch nicht, dass sie verantwortlich für Bons Tod war. Bon war für sich selbst immer noch am gefährlichsten.
„Bon wurde nicht ‚Ronnie Roadtest‘ genannt, weil er auf Motorräder abfuhr“, erklärte sie mir und bezog sich damit auf ein aktuelles Buch, in dem diese lachhafte Behauptung aufgestellt worden war. „Wenn irgendjemand bei einem Tierarzt oder so eingebrochen war und sich nun nicht sicher war, was er hatte mitgehen lassen, fand Bon es für ihn auf die harte Tour heraus. Ich habe es einfach so satt, als Junkie hingestellt zu werden, der Bon Heroin verschafft hat. Das macht mich und viele andere Leute echt sauer. Ich habe ihm definitiv niemals Heroin gegeben, nie.“
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Bons Rang als Legende steigert sich immer weiter. Das beschränkt sich mittlerweile nicht nur auf die Musik; inzwischen gilt er als Inbegriff eines Menschen, der sein Leben auszukosten versteht. 2016 wurde sein 70. Geburtstag in Australien wie eine Art nationaler Event begangen. 1980 jedoch stuften ihn Zeitungen von Australien über Großbritannien bis hin zu Kontinentaleuropa und Nordamerika nicht einmal als wichtig genug ein, um seinen Namen in ihren Schlagzeilen zu erwähnen. „ROCKSÄNGER TOT AUFGEFUNDEN“ in der australischen Canberra Times war ein typisches Beispiel dafür. Der Artikel, ganze sechs Zeilen lang, fand sich fernab der Titelseite direkt unter einer Story über den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau durch die Vereinigten Staaten. Es war einfach keine große Sache, ganz anders als etwa John Lennons Ermordung im Dezember desselben Jahres in New York.
Doch Bons Musik aus dieser Zeit gehörte zum Besten, was das Jahrzehnt zu bieten hatte. Weshalb erhielt er damals dafür kein bisschen Anerkennung? Die Wahrheit ist, dass nur wenige Kritiker AC/DC jemals richtig ernst genommen haben. Nach Bons Tod sollte es noch 28 Jahre dauern, bis die prestigeträchtigste Musikzeitschrift der Welt, Rolling Stone, AC/DC auf ihr Cover hievte. Als 2008 Black Ice erschien, stellte Chefredakteur Jason Fine ein paar Nachforschungen an, die ihn zutiefst überraschten: „Die letzte größere Story über AC/DC haben wir 1980 gebracht. Wir haben die Band buchstäblich übersehen. Sie kam bei uns nur ganz selten in ein paar Kurzberichten vor. Aber Rolling Stone stand damit nicht allein. AC/DC waren einfach nie ein Band, die von vielen Kritikern beachtet wurde. Irgendwie hat man sie immer von oben herab behandelt.“
Das trifft absolut zu, vor allem in Bezug auf den Rolling Stone. Bei ihrer ursprünglichen Veröffentlichung wurden Bons beste Platten – Let There Be Rock, Powerage, If You Want Blood You’ve Got It und Highway To Hell – dort nicht einmal einer Besprechung für würdig befunden.2
Der späte Respekt, der AC/DC seitens der amerikanischen Mainstream-Musikpresse zuteilwurde, kam viel zu spät für Bon. Angus amüsierte dies ungemein: „Es ist schon seltsam, weil, als er noch lebte, alle über Bon gesagt haben, dass er direkt aus der Gosse käme. Niemand nahm ihn ernst. Dann, nachdem er tot war, war er plötzlich ein großer Poet. Sogar er selbst hätte darüber gelacht.“3
Im Grunde genommen stellen die Blütejahre 1977 bis 1979 den Ursprung der Legende um Bon dar. Sie bilden auch die Grundlage für AC/DCs großen Durchbruch, der sich schließlich 1980 mit Back In Black einstellen sollte. Es gab im Bereich der Rockmusik wohl kaum eine Band, die härter als AC/DC schuftete. Immerhin gaben sie in dieser Zeit 450 Konzerte, den Großteil davon in den USA. Ihr Terminplan war mörderisch und viele andere Bands wären daran zerbrochen. Bons letzte zwei Touren durch Nordamerika zogen sich fast ohne Unterbrechung von Mai bis Oktober 1979 hin – eine schier endlose Abfolge von Flughafenhallen und Imbisslokalen am Straßenrand. Am Ende dieses kritischen Jahres hatten AC/DC Auftritte in drei Dutzend amerikanischen Bundesstaaten sowie drei kanadischen Provinzen absolviert. Sie waren so gut, so unnachgiebig, so voller Schwung, dass andere große Bands keine große Lust hatten, mit ihnen eine Bühne zu teilen. So etwa die Gruppe Molly Hatchet, die gerade erst ihr Album Flirtin’ With Disaster veröffentlicht hatte.
„Wir sollten zehn Shows mit AC/DC spielen“, sagte ihr leider verstorbener Leadsänger Danny Joe Brown. „Zwar hatten sie bereits mehr Alben veröffentlicht, doch wir verkauften uns zu diesem Zeitpunkt besser als sie. Als wir festlegten, wer die Shows eröffnen und wer sie abschließen sollte, einigten wir uns darauf, dass wir uns abwechseln würden. Wir spielten in Knoxville, Tennessee