Der schöne Sommer. Cesare Pavese

Der schöne Sommer - Cesare Pavese


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sie sich am Tor, weil Ginia Rodrigues nicht begegnen wollte. Niedergeschlagen fuhr sie mit der Straßenbahn nach Hause und dachte an nichts mehr.

      So begann ihr wahres Leben als Verliebte, denn jetzt, da sie und Guido sich nackt gesehen hatten, schien ihr alles anders zu sein. Jetzt war es wirklich, als sei sie verheiratet, und auch wenn sie allein war, brauchte sie nur daran zu denken, wie seine Augen auf ihr geruht hatten, um sich nicht mehr allein zu fühlen. »Heiraten bedeutet genau das.« Wer weiß, ob ihre Mutter es auch so gemacht hatte wie sie beide. Doch sie hielt es für unmöglich, dass andere auf der Welt ebenso viel Mut aufgebracht hatten. Keine Frau, kein Mädchen konnte einen Mann nackt gesehen haben wie sie Guido. So etwas konnte nicht zweimal geschehen.

      Aber Ginia war nicht dumm, sie wusste, dass alle Mädchen so reden. Auch Rosa, damals, als sie sich umbringen wollte. Der einzige Unterschied war, dass Rosa in den Wiesen Liebe machte und nicht wusste, wie schön es war, mit Guido zu plaudern und mit ihm zusammen zu sein.

      Und doch wäre es mit Guido auch in den Wiesen schön gewesen. Ginia dachte ständig daran. Sie verfluchte den Schnee und die große Kälte, die es verhinderten, und malte sich, benommen vor Verlangen, den nächsten Sommer aus, wenn sie auf den Hügel wandern, nachts spazieren gehen, die großen Fenster öffnen würden. Guido hatte zu ihr gesagt: »Du musst mich auf dem Land erleben. Nur da male ich. Kein Mädchen ist so schön wie ein Hügel.« Ginia freute sich, dass Guido nicht das Modell genommen hatte, sondern ein Bild malen wollte, das ganz rund um ein Zimmer laufen sollte, wie ein Schlitz in der Wand, durch den man von allen Seiten Hügel und hellen Himmel sah. Damit befasste er sich schon, als er Soldat war, und jetzt hantierte er den ganzen Tag mit Papierstreifen und bedeckte sie mit Pinselstrichen, die aber noch nichts darstellten und nur Versuche waren. Eines Tages sagte er zu Ginia: »Ich kenne dich noch nicht gut genug, um dich zu porträtieren. Warten wir noch.«

      Rodrigues begegnete sie fast nie, denn wenn Ginia vor dem Abendessen ins Atelier kam, war er schon ins Café gegangen. Stattdessen tauchten andere Leute auf, um den Abend mit Guido zu verbringen – auch Frauen, denn einmal sah Ginia eine Zigarettenkippe mit Lippenstiftspuren –, und daraufhin sagte sie, um ihm zu schmeicheln, sie habe Angst, ihn zu stören, und fühle sich von diesen Leuten eingeschüchtert. Sie schlug Guido vor, er solle die Tür offen lassen, wenn er allein war und Lust hatte, sie zu sehen. »Ich würde immer kommen, Guido«, erklärte sie ihm, »aber ich verstehe, dass du dein Leben hast. Ich will, dass wir allein sind, wenn wir uns treffen, und du darfst mich nie als Belastung empfinden.« Ihm solche Dinge zu sagen, bereitete Ginia eine so heftige Freude, wie wenn sie sich umarmten. Aber als sie die Tür zum ersten Mal verschlossen fand, konnte sie sich nicht zurückhalten und klopfte, mit flatterndem Herzen.

      Amelia kam manchmal nach dem Mittagessen zu ihr, mit missmutigem Gesicht und Ringen unter den Augen. Sie gingen dann sofort aus, weil Ginia ihr keine Zeit lassen wollte, sich aufs Bett zu setzen, und streunten bis drei Uhr herum. Rücksichtslos betrat Amelia eine Bar, trank einen Kaffee und hinterließ einen Lippenstiftrand auf der Tasse. Sie schminkte sich stark, um nicht so blass auszusehen. Als Ginia sagte, so könne sie die Tassen infizieren, erwiderte sie achselzuckend: »Sollen sie sie spülen! Was glaubst du denn? Die Welt ist voll von Leuten wie mir. Der einzige Unterschied ist, dass sie es nicht wissen.«

      »Aber es geht dir besser«, sagte Ginia. »Deine Stimme klingt heller.«

      »Findest du?«, fragte Amelia.

      Über andere Dinge sprachen sie nicht, und Ginia, die sie so viel hätte fragen wollen, traute sich nicht. Als sie ein einziges Mal auf Rodrigues anspielte, schnitt Amelia eine Grimasse und sagte: »Vergiss sie, alle beide.«

      Doch eines Abends schaute Amelia bei ihr vorbei und fragte: »Gehst du heute zu Guido?«

      »Ich weiß nicht«, sagte Ginia, »ich glaube, er hat Leute da.«

      »Und das lässt du dir einfach gefallen? Dummkopf, solange du rot wirst, bringst du es nie zu was.«

      Unterwegs gestand Ginia ihr, sie habe geglaubt, Amelia hätte sich mit Rodrigues zerstritten.

      »Er ist immer noch dasselbe Schwein«, sagte Amelia. »Hat er dir das erzählt? Wenn ich daran denke, dass ich ihm die Haut gerettet habe.«

      »Nein. Er sagt nur, es sei eine Ausrede, die du erfunden hast, um mit dem Arzt ins Bett zu gehen.«

      Amelia lachte drohend. Als sie vor dem Haustor standen und Ginia oben das erleuchtete Fenster sah, war sie verzweifelt, weil sie bis zu diesem Augenblick gehofft hatte, Guido sei nicht zu Hause. »Es ist niemand da«, sagte sie hastig, »wir gehen nicht rauf.« Doch Amelia ging entschlossen hinein.

      Guido und Rodrigues waren dabei, Feuer im Kamin zu machen. Amelia trat zuerst ein, dann Ginia, die zu lächeln versuchte. »Sieh mal an«, sagte Guido.

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