Shannon und der Sklavenboss: Shannon 22. John F. Beck
klirrten. Eine kräftige Faust krallte sich in sein zerzaustes dunkles Haar und zwang seinen Kopf in die Höhe.
»Endlich!«, knurrte eine hasserfüllte Stimme. »Auf diese Stunde hab ich lange gewartet! Du wirst die Hölle erleben, Hundesohn, wenn du nicht redest, wenn du nicht alles ausspuckst, was ich von dir wissen will!«
Shannon starrte in ein breitflächiges, kaffeebraunes Gesicht mit drohend funkelnden Augen. Der breitschultrige, wie ein Cowboy gekleidete Schwarze hatte Fäuste wie Bärentatzen. Er zog Shannon mühelos hoch. Zwei, drei andere grimmige Gesichter tauchten neben ihm auf.
Shannon merkte, wie ihm der Colt aus dem Holster gezogen wurde. Es war ein ausgesprochen schwarzer Tag für ihn. Aber er wäre nicht Shannon gewesen, wenn er nicht wenigstens den Anflug eines verwegenen Grinsens zustande gebracht hätte.
»Immer mit der Ruhe, Jungs! Wenn ihr glaubt, dass ich zu diesen Brandstiftern und Menschenräubern gehöre, dann habt ihr den Falschen erwischt. Es ist nicht …«
Plötzlich war eine braune Faust so riesengroß und nahe vor seinem Gesicht, dass er nicht mehr ausweichen konnte. Es war ein Schlag wie ein Huftritt. Für eine Weile hörte Shannon nur noch ein dumpfes Brausen und sah nichts als wirbelnde Funken. Dann wurde er wieder auf die Füße gestellt. Die zornige Stimme des dunkelhäutigen Hünen schien von weit her zu kommen.
»Wo ist Clint, du Bastard? Was habt ihr mit ihm gemacht? Rede, wenn du nicht willst, dass ich weitermache!«
Die Schleier vor Shannons Augen zerrissen. Seine Kniekehlen waren noch ziemlich weich. Er versuchte lieber nicht mehr zu grinsen, als er die drohend erhobenen Fäuste des schwarzen Cowboys sah. Fäuste, die aussahen, als könne man Felsen damit zertrümmern.
»Redest du etwa von Rockfords Bruder?«
Die riesigen Fäuste sanken herab. Aber als ein unheilvolles, starres Lächeln über das Gesicht des Schwarzen glitt, wusste Shannon, dass er einen Fehler gemacht hatte.
»Na also, du weißt Bescheid! Du gibst zu, dass du zu diesen Teufelssöhnen gehörst, die erst Santa Rosa verwüstet und jetzt auch noch die Siedlung da hinter dem Hügel auf dem Gewissen haben!«
Shannon spürte eine Welle aus Hass um sich herum. Verzweifelt spannte er alle Muskeln. Nur zu oft hatte er erlebt, dass Männer in einem gesetzlosen Land ihre eigenen Gesetze schmiedeten und
mit einem vermeintlich Schuldigen nicht viel Federlesen machten. Meistens endete das mit einem Strick an einem Ast. Es war ein ziemlich schwacher Trost für den Satteltramp, dass es hier weit und breit keinen Baum gab. Trotzdem versuchte er ruhig zu bleiben.
»Ich gebe gar nichts zu. Ich bin zufällig auf die Spur dieser Verbrecher gestoßen. Ich weiß genauso wenig wie ihr, wer diese Kerle sind.«
»Immerhin weißt du etwas über den Bruder unseres Bosses. Das ist schon eine ganze Menge. Zum letzten Mal: Wo ist Clint?«
»In einem versteckten Sklavencamp an der Matagorda Bay. Mehr weiß ich auch nicht. Hernandez aus Santa Rosa hat es mir erzählt Er …«
»Hernandez ist vor vier Monaten zusammen mit den übrigen Bewohnern von Santa Rosa spurlos verschwunden. Wenn du willst, dass wir dir glauben, dann bring uns zu ihm. Dann soll er es uns selber sagen.«
»Er ist tot«, antwortete Shannon müde. »Vor etwa vier Stunden hab ich ihn begraben. Er war auf der Flucht. Er wollte, dass ich zu Rockford reite und …«
Das breitflächige braune Gesicht verzerrte sich. »Du dreckiger Lügner! Du hast ihn umgebracht! Genau wie ihr Clint Rockford aus dem Weg geräumt habt, als er euch auf die Schliche kam! Gib es zu!«
»Den Teufel tu ich! Was willst du eigentlich, Mann? Die Wahrheit hören, oder dass ich nachplappere, was du mir vorsagst? Bring mich zu Rockford, wenn dir wirklich so viel am Schicksal seines verschollenen Bruders liegt!«
Schweiß sickerte über Shannons Wangen. Er wich dem durchdringenden Blick des Schwarzen nicht aus. Langsam sanken die gefährlichen braunen Fäuste herab. »Wie heißt du?«
»Shannon. Ich bin …«
»Okay, Shannon, du kennst mich nicht, sonst würdest du wissen, was dir blüht, wenn Clint nicht mehr am Leben ist. Ich heiße Jefferson. Ich bin Vormann auf der Rockford Ranch. Clint hat mir diesen Job verschafft, obwohl es eine Menge Burschen gab, die daraufhin ihr Bündel schnürten, weil ihnen meine Hautfarbe nicht passte.«
Der dunkelhäutige Hüne spuckte heftig zur Seite aus. Er ließ Shannon, den zwei andere kräftig gebaute Kerle festhielten, keinen Moment aus den Augen. »Clint ist der einzige wahre Freund, den ich je hatte. Der einzige Mensch, für den ich mich in Stücke reißen lassen würde. Frag die Boys! Sie werden dir erzählen, wie Clint sein Leben riskierte, als ich mit gebrochenem Bein vor den Hufen einer durchgehenden Rinderherde lag und er mich im letzten Moment auf sein Pferd holte. Glaubst du immer noch, dass ich dich nicht zum Reden bringe?«
»Bringt mich zu Rockford!«, wiederholte Shannon gepresst.
Der Schwarze lachte kehlig. »Rechne dir keine Chance aus. Jake Rockford wird dir nicht glauben. Wie ich ihn kenne, wird er vielmehr dafür sorgen, dass du noch vor Sonnenuntergang am Torbalken der Rockford Ranch baumelst!«
4
Jefferson kannte seinen Boss nur zu gut! Der einzige Unterschied zu seiner eigenen »Verhörmethode« bestand darin, dass Jake Rockford sich die Story des Gefangenen schweigend anhörte, ohne ihn zu unterbrechen oder auch nur anzusehen. Nur Rockfords Finger schlossen sich fester um das Whiskyglas, das er auf der Armlehne des ledergepolsterten Sessels hin und her drehte. Rockford war ein großer, sehniger Mann, den man in seinem dunklen Anzug und dem blütenweißen Hemd eher für einen Berufsspieler als für den Besitzer einer Rinderranch hätte halten können. Seine schlanken, gepflegten Hände sahen nicht so aus, als wären sie jemals mit einem Lasso oder einem Brenneisen in Berührung gekommen.
Das Wohnzimmer, in das die Cowboys Shannon geschleppt hatten, war mit Mahagonimöbeln, teuren Teppichen, Bildern und Ziergegenständen ausstaffiert. Ein mächtiger Kristallleuchter hing an der getäfelten Decke. In einer Ecke stand ein riesiges Klavier, dessen Transport in dieses weit weg von jeder Overlandroute gelegene Gebiet allein schon ein Vermögen gekostet haben musste. Es war ein Raum, der besser in das Haus eines Bankiers in St. Louis oder New Orleans gepasst hätte als auf diese einsame Texasranch. Die niedrigen, langgestreckten Lehmziegelgebäude lagen wie eine verlorene Insel in dem weiten sonnenverbrannten Land, auf dem dürre Rinder weideten, wo der Rauch von verwüsteten Mexikanerdörfern in den gleißenden Himmel quoll, ohne dass ein Sheriff oder Texas-Ranger davon erfuhr.
Als Shannon geendet hatte, blieb es eine Weile Still. Jefferson und ein hagerer, lederhäutiger Mann namens Corbett hielten ihn eisern fest, obwohl seine Hände mit Lederriemen zusammengebunden waren. Rockford starrte abwesend auf den Teppich. Shannon zweifelte schon daran, ob der dunkel gekleidete Rancher ihm überhaupt zugehört hatte. Da stürzte Rockford seinen Drink plötzlich in einem Zug hinab, hob den Kopf und starrte Shannon aus zusammengekniffenen, funkelnden Augen an.
»Du lügst! Du willst dich nur ‘rausreden, um dein Leben zu retten!«
»Zum Teufel, dann schicken Sie doch einen Reiter los, damit er meiner Spur folgt und feststellt, woher ich komme!«
»Das würde gar nichts beweisen!« Rockford stellte das leere Glas auf den Tisch und erhob sich. Eine dünne, ölig glänzende Schweißschicht bedeckte sein scharf geschnittenes Gesicht. Shannon spürte die Unruhe, die diesen Mann gepackt hatte. Rockford trat an ein großes Fenster, dessen Vorhänge zum Schutz gegen die Hitze, die erbarmungslos auf den Ranchhof knallte, halb zugezogen waren. Er schob den Stoff ein wenig zur Seite.
»Bringt ihn her!«
Jefferson und Corbett schleppten Shannon durch den großen dämmrigen Raum. Rockfords Augen hefteten sich stechend auf den Gefangenen, als er mit einer Hand über den Hof zeigte. Ein Seil mit einer fachgerecht geknüpften Henkerschlinge baumelte vom Querbalken des hohen Tors. Es war zu spät, den Entschluss zu verwünschen, der Wagenfährte zu folgen,