Shannon und der Sklavenboss: Shannon 22. John F. Beck
letzten Mal sein. Diesmal?
Er starrte den wie einen Spieler gekleideten Rancher an. »Was Sie da vorhaben, Rockford, ist Mord!«
»Pass auf, was du redest, du Lump!«, knurrte Jefferson drohend. »Wir haben die Gräber in Santa Rosa gesehen. Wir kannten die Leute, die dort lebten. Einfache, wehrlose Menschen, die keiner Fliege was zuleide tun konnten. Ihr Pech! Denn genau deshalb hatten sie keine Chance gegen euch Halunken! Wie nennst du denn das, was dort passiert ist, he?«
»Wie oft muss ich noch sagen, dass ich nichts damit zu tun habe! Ich wollte einen alten Freund in Santa Rosa besuchen! Ein Zufall, dass ich in der Nähe war, als …«
»Ich glaube nicht an solche Zufälle!«, unterbrach ihn Rockford schneidend. »Ich glaube auch nicht, dass mein Bruder noch lebt. Es war sein Fehler, dass er sich zu sehr um das Wohl der Mexikanerdörfer und Ranchos in unserer Umgebung sorgte und das Verschwinden der Bewohner von Santa Rosa nicht auf sich beruhen lassen wollte. Clint war schon immer ein Mann, der ein Herz für die Schwachen, für die Unterdrückten hatte. Ihr habt ihn ermordet. Er hat mit seinem Leben dafür bezahlt.«
»Hernandez ist dreihundert Meilen von der Küste heraufgekommen, um Ihnen zu sagen, dass Clint lebt«, murmelt Shannon bitter. »Wenn Sie je herausbekommen, dass das stimmt, dann werden Sie keine ruhige Stunde mehr haben.«
Ein wildes, aber auch verzweifeltes Blitzen war in Jake Rockfords Augen. »Dann red‘ nicht, verdammt noch mal! Dann bring mich doch zu ihm!«
»Wie denn? Gefesselt? Ohne Pferd? Ohne Waffe?«
»Lassen Sie sich nicht von ihm einwickeln, Boss!«, brummte Jefferson. »Er will Zeit gewinnen. Er wartet auf eine Chance. Vielleicht hofft er, dass seine Freunde nach ihm suchen.«
Shannon seufzte. Es war ungefähr so, als würde er immer wieder gegen eine Wand anrennen. Gab es etwas Gefährlicheres als engstirnige Verbohrtheit? Wie konnte man Menschen von der Wahrheit überzeugen, wenn sie nur das glauben wollten, was ihnen in den Kram passte? Shannon starrte auf das Seil am Torbalken. Bevor sie ihn hinausschleppten, auf ein Pferd setzten und ihm diese verdammte Schlinge um den Hals legten, würde er ihnen noch zeigen, dass sie nicht irgendeinen Satteltramp und Schießer geschnappt hatten, sondern einen Hombre von der Sorte, die man westlich des Old Man River »zweibeinige Tiger« nannte.
Noch zögerte Rockford. Offenbar setzte ihm die Ungewissheit über das Schicksal seines Bruders mehr zu, als er zeigen wollte. Seine schlanken Spielerhände zitterten unmerklich, als er sich eine Zigarette anzündete.
»Ich gebe dir eine letzte Chance, am Leben zu bleiben, Shannon«, erklärte er gepresst. »Du wirst uns alles über jenes Camp an der Küste erzählen! Du wirst uns den Weg dorthin genau beschreiben!«
»Dann hängen Sie mich besser gleich auf! Alles andere wäre nur Zeitverschwendung!«, lachte Shannon rau. »Ich weiß nicht mehr, als dass der Boss in jenem Camp Bancroft heißt.«
»Shannon, ich bluffe nicht!«
»Ich auch nicht, verdammt noch mal!«
Ihre Blicke prallten hart aufeinander. Es war Rockford, der den Kopf zur Seite drehte und nervös an der Zigarette zog. Er ließ den Vorhang los. »Schafft ihn hinaus! Wenn er es sich noch anders überlegt und reden will, dann ruft mich!«
»Nicht nötig!«, knurrte Shannon. »Ich denke, es wird Zeit, dass ich mich verabschiede.«
Sie merkten zu spät, dass es ein Fehler gewesen war, seine Hände vorn zusammenzubinden. Er hatte bisher keinen Versuch gemacht, die Riemen zu lockern oder sich von Jefferson und Corbett loszureißen. Jetzt befreite er sich mit einem jähen Ruck von ihren Fäusten. Im nächsten Moment hatte er Rockford den unter der Jacke hervorragenden Revolver aus dem Holster gezogen. Rockford erstarrte, als er die Mündung der eigenen Waffe auf den Rippen spürte. Fluchend ließen die Cowboys ihre Revolver los und sprangen zurück.
Shannon lächelte grimmig. »Schade, dass das die einzige Sprache ist, die ihr versteht! An die Wand hinüber mit euch, Amigos! Ihr wisst hoffentlich, was geschieht, wenn einer von euch eine falsche Bewegung riskiert!«
Sie wussten es nicht. Denn Shannon würde niemals auf einen Wehrlosen schießen, auch nicht, um seinen Skalp zu retten. Er bluffte. Er hatte keine andere Wahl. Langsam, geduckt, den Remington-Revolver in den ausgestreckten gefesselten Händen bewegte er sich rückwärts zur Tür.
»Du wirst nicht weit kommen!«, knirschte Rockford. »Ich brauch keine zehn Minuten, ein Rudel hartgesottener Burschen in die Sättel zu bringen, die dich wie einen Hasen hetzen werden!«
»Nicht, wenn du mich begleitest!«, lächelte Shannon gefährlich.
Rockfords halb erhobene Hand mit der Zigarette sank herab. Ein kurzes Flackern war in seinen Augen, dann hatte er sich schon wieder in der Gewalt. Seine Miene wurde eisig. »Du bringst mich hier nicht weg, Shannon. Glaub mir, ich lass es drauf ankommen.«
Shannon hörte die stählerne Entschlossenheit in Rockfords Stimme. Aber irgendwie hatte er plötzlich den Eindruck, dass Rockford Angst vor etwas hatte, das stärker war als die Waffe in seinen Händen. Gespanntes Schweigen füllte den Raum. Jefferson und Corbett warteten darauf, dass Shannons Sixshooter für einen Moment aus der Richtung kam. Vor allem der hagere Corbett sah wie ein Bursche aus, der nicht nur im Umgang mit Lasso und Brenneisen ein Meister war. Seine Waffe hing tiefer, als es bei den meisten anderen Weidereitern der Fall war. Jefferson dagegen war eher ein Mann, der sich auf seine Bärenkraft und auf seine Fäuste verließ. Das hieß aber nicht, dass er ein weniger gefährlicher und entschlossener Gegner war. Shannon hatte längst begriffen, dass der schwarze Vormann noch immer Clint und nicht Jake als seinen wirklichen Boss betrachtete.
Plötzlich blickte Rockford mit einem gespannten Ausdruck an Shannon vorbei. Im ersten Moment glaubte Shannon an einen simplen Trick, dann hörte er die leichten Tritte und das Zuklappen einer Nebentür. Der Revolverhahn knackte unter seinem rechten Daumen. »Vorsicht, Rockford! Bedenken Sie, dass ich nichts zu verlieren habe!«
»Er wird nicht schießen, Jake«, sagte eine angenehm dunkle Frauenstimme mit mexikanischem Akzent »Er ist kein Bandit. Ich kenne ihn. Er war vor mehreren Jahren in Santa Rosa …«
Ein Kleid raschelte. Der Duft eines herben Parfüms stieg Shannon in die Nase. Dann spürte er die sanfte Berührung einer Hand an der Schulter.
»Hallo, Shannon! Erkennst du mich noch? Ich bin es – Ramona Perez. Erinnerst du dich?«
Sie lachte, als sie die Überraschung auf seinem Gesicht sah. Damals war sie noch ein junges, ärmliches Mexikanermädchen gewesen. Jetzt stand sie als schöne, elegante, begehrenswerte Frau vor ihm. Ihr schmales, faszinierendes Gesicht wurde von großen, ausdrucksvollen Augen und einem herben, zugleich verlockenden Mund beherrscht. Das hochgesteckte rabenschwarze Haar ließ den schlanken, makellosen Hals frei, an dem eine Perlenkette schimmerte. Ein bis zu den Hüften enganliegendes Kleid betonte noch ihre hinreißende Figur. Die festen, runden Brüste zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab. Ihr dunkler Blick ließ Shannon für einen Augenblick alles andere vergessen. Ein Blick, der Männerherzen verbrennen konnte, wie die Mexikaner es nannten. Shannon ließ den Remington sinken.
»Ramona! Natürlich erinnere ich mich! Wie kommst du hierher?«
Ihr strahlendes Lächeln erlosch. Sie senkte die Wimpern. »Clint hat mich hergeholt, damit ich seine Frau werde. Zwei Wochen vor unserer Hochzeit kehrte er von einem Erkundungsritt nicht mehr auf die Ranch zurück. Shannon, bringst du wirklich Nachricht von ihm?«
»Ich weiß nur, was ich von Hernandez erfuhr. Er sagte, Clint lebt.«
Rockford kam hastig vom Fenster herüber. Er legte einen Arm um die schmalen, weich gerundeten Schultern der jungen Frau. »Bist du sicher, Ramona, dass du diesen Mann kennst und dich nicht irrst?«
»Aber Jake! Es ist Shannon, ein Freund von Pablo Alvaro, der genauso spurlos verschwunden ist wie Clint. Ich würde meine Hand für ihn ins Feuer legen.«
»Danke«, lächelte Shannon. »Wenn du die Gents jetzt noch dazu bringst, mir diese Armbänder abzunehmen, steh ich für ewig in deiner