Geister sind unser Geschäft. Jana Scherer
ihr wieder in Ruckelnsen, und rein zufällig geschieht genau das, was wir damals … An dieser Stelle mussten wir die Observation leider abbrechen.«
Wiebke schüttelte den Kopf. »Das klingt ja, als würde sie Klara und Aurora Schwartz schon lange kennen. Und meine Mutter meint, die stecken dahinter? Wer sind die beiden denn überhaupt? Obwohl, Moment mal … Den Namen Aurora Schwartz kenne ich irgendwoher … Ja, klar, ist das nicht die Schriftstellerin, die heute Abend im Ruckelnser Rathaus auftritt? Ich hatte überlegt, da hinzugehen.« Sie wischte sich die Finger an der Serviette ab, holte ihr Mobiltelefon heraus und tippte darauf herum. »Genau, hier steht’s ja: Ostersamstag, 19 Uhr. Die Autorin Aurora Schwartz liest aus ihrem großartigen neuen Fantasy-Roman Das Geheimnis der Grünen Johanna. Eintritt frei. Aha. Das führt sie und ihre Schwester also nach Ruckelnsen.«
»Die Grüne Johanna.« Trix lachte. »Ich höre immer nur grün.«
»Hmmmm, die Grüne Johanna also«, murmelte Wiebke.
»Die Grüne Johanna ist in Ruckelnsen keine Unbekannte«, erklärte ich Trix. »Sie ist so was wie eine Ruckelnser Legende. Johanna ist hier aufgewachsen und hat dann als Piratin die Nordsee unsicher gemacht. Das war im Mittelalter, oder, Wiebke?«
Wiebke nickte. »Ja, stimmt. An der Fassade des Ruckelnser Heimat- und Schifffahrtsmuseums hängt eine hölzerne Figur, die angeblich die original Galionsfigur vom Schiff der Grünen Johanna ist. Die Figur sieht aus wie die Piratin selbst. Jedenfalls behauptet Käpt’n Flock das.«
»Und es gibt ein Lied über die sie«, fügte ich hinzu, »aber den Text kriege ich jetzt nicht mehr zusammen. Ich weiß nur noch, dass jede Strophe mit der Zeile Und das war Grien Johanna oder so ähnlich aufhört. Grien heißt auf Friesisch grün.«
»Mehr erinnere ich auch nicht«, murmelte Wiebke.
Trix sprach in ihr Handy: »Harald, such alles über die Grüne Johanna.«
Einen Moment später erklang meine Stimme aus ihrem Telefon: »Für-Grüne-Johanna-gibt-es-einen-Treffer.«
»Nur einen Treffer?« Trix schaute auf das Display. »Tatsache, man findet bloß einen kurzen Absatz auf Wikipedia. Ich les mal vor: Die Existenz der Grünen Johanna ist historisch nicht belegt. Der Legende nach war sie eine Nordsee-Piratin des Mittelalters und stammte aus dem kleinen Ort Ruckelnsen. Sie überfiel Handelsschiffe auf der Nordsee und störte so die Geschäfte der Kaufleute. Die Hanse, ein Zusammenschluss mehrerer Handelsstädte, ging deshalb mit Soldaten gegen die Grüne Johanna vor. Sie musste sich in einer großen Seeschlacht geschlagen geben und ertrank. Ihre Geschichte wird im Lied der Grünen Johanna erzählt, das hochdeutsche, plattdeutsche und friesische Worte enthält. Diese höchst seltsame Sprachmischung entstand durch die mündliche Weitergabe des Liedes, das sich über die Jahrhunderte immer wieder verändert hat. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Lied der Grünen Johanna schließlich in Ruckelnsen in zwölf Steine eingemeißelt, um eine Attraktion für Urlauber zu erschaffen. Ebenfalls aus der Zeit um 1900 stammt die hölzerne Figur der Grünen Johanna, die heute das Ruckelnser Heimat- und Schifffahrtsmuseum ziert.«
Wiebke lachte. »Das wird Käpt’n Flock gar nicht gefallen. Von wegen original Galionsfigur.«
Trix grinste und las weiter vor: »Von den zwölf sogenannten Singenden Steinen sind heute nur noch fünf auffindbar. Mit den verschollenen sieben Steinen sind auch die darauf eingemeißelten sieben Strophen des Liedes der Grünen Johanna verloren gegangen. In einigen dieser Strophen finden sich angeblich Hinweise auf das Versteck des Schatzes der Freibeuterin.« Trix pfiff durch die Zähne. »Ein Schatz. Nicht schlecht.«
Wiebke und ich warfen uns einen skeptischen Blick zu.
»Na ja«, teilte ich Trix mit, »diese Singenden Steine sind nichts anderes als ganz gewöhnliche Steine, auf denen Liedstrophen eingemeißelt sind. Dafür interessieren sich eigentlich nur Touristen.«
»Und der Schatz?«, hakte Trix nach.
Wiebke zuckte mit den Schultern. »Man weiß ja noch nicht mal, ob es die Grüne Johanna in Wirklichkeit gab. Der Schatz ist vermutlich genau wie sie nur eine Legende.«
Trix zupfte an ihrer Fliege. »Also gut. Ich fasse zusammen: Wiebkes Mutter verdächtigt Klara und Aurora Schwartz, etwas mit den grünen Vorkommnissen in Ruckelnsen zu tun zu haben. Und Aurora hat ein Buch mit dem Titel Das Geheimnis der Grünen Johanna geschrieben. Keine Ahnung, wie das zusammenhängt – aber es hängt zusammen, da bin ich sicher.«
Ich sah auf die Uhr. »Halb sieben. Wir sollten unbedingt zu der Lesung gehen. Wollen wir gleich aufbrechen?«
Wiebke tippte auf ihr Mobiltelefon. »Okay, ich schreibe nur noch kurz meiner Mutter, dass ich bei dir übernachte. Und dann bin ich startklar.«
Ich nickte. »Du müsstest dann allerdings bei Trix im Doppelbett schlafen. Das zweite Gästezimmer ist ja von Remmer Klaus besetzt.«
»Kein Problem. Das ist doch in Ordnung für dich Trix, oder?« Wiebke legte das Handy weg. »Wir können los.«
»Nein«, sagte Trix.
»Nein?« Wiebke und ich schauten sie irritiert an. »Warum nicht?«, fragten wir gleichzeitig.
Trix grinste. »Du kannst natürlich gerne bei mir im Doppelbett schlafen, Wiebke. Aber wir können noch nicht losgehen.« Sie fasste in die Innentasche ihrer Anzugjacke und holte ein kleines Päckchen heraus. »Harald bekommt erst noch sein Geschenk.« Es war in hellblau glitzerndes Papier eingeschlagen und mit einer dunkelblauen Schleife versehen. Nach all dem Grün war das Blau eine richtige Erholung.
»Das ist von Wiebke und mir«, sagte Trix feierlich.
Wiebke blickte mich erwartungsvoll an. »Pack aus!«
Ich knotete das Band auf und knibbelte den Tesafilm ab. Im Papier befand sich eine kleine Schachtel aus Karton. Ich nahm den Deckel ab und las:
DETEKTEI DONNERSCHLAG
GEFAHR IST UNSER GESCHÄFT
1. Detektiv: Harald Donnerschlag
1. Detektivin: Trix Dobbsen
Recherche und Öffentlichkeitsarbeit: Wiebke Jansen
Kontakt: [email protected]
Visitenkarten! Aus schwerem cremefarbenem Papier, auf dem die schwarzen Buchstaben satt glänzten.
Trix räusperte sich. »Das Wort Donnerschlag bezieht sich aber nicht auf deinen Nachnamen, sondern illustriert die Schlagkraft, Durchsetzungsfähigkeit und Schnelligkeit unserer Detektei. Einverstanden?«
»Einverstanden!« Ich strich begeistert über das Papier, dann steckte ich einen kleinen Stapel Visitenkarten in meine Manteltasche. Auch Trix und Wiebke packten sich ein paar ein.
So ausgerüstet, gingen wir los.
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