Big Ideas. Das Politik-Buch. John Farndon
Wissen, wann man kämpft
Während die Beschreibung der militärischen Hierarchie in Die Kunst des Krieges die Struktur der chinesischen Gesellschaft widerspiegelte, waren die Empfehlungen für die internationale Politik deutlich innovativer. Wie zahlreiche Generäle vor und nach ihm glaubte Sunzi, es sei der Zweck des Militärs, den Staat zu schützen und dessen Wohl zu sichern. Allerdings sollte ein guter General zunächst versuchen, die Pläne des Feindes zu durchkreuzen. Wenn das nicht gelingt, sollte er sich gegen Angriffe verteidigen, und erst als letzte Möglichkeit eine Offensive beginnen.
Sunzi sprach sich für eine starke Verteidigung und die Bildung von Allianzen mit Nachbarstaaten aus, um Krieg zu vermeiden. Auch weil ein kostspieliger Krieg beiden Seiten schadet, fand er es sinnvoller, sich friedlich zu einigen. Seine Begründung: Lange Feldzüge und Belagerungen belasten die Staatskasse sehr, sodass die Kosten häufig sogar den Vorteil eines Sieges übersteigen. Die Opfer, die das Volk bringen muss, belasten dessen Treue und lassen es an der moralischen Gerechtigkeit einer Sache zweifeln.
Der Einsatz von Spionen
Als Schlüssel zu stabilen internationalen Beziehungen sah Sunzi das Wissen über die Pläne des Feindes. Spione sollten die entsprechenden Informationen liefern. So konnten die Generäle bei Kriegsgefahr gut einschätzen, wie die Chancen des Herrschers auf einen Sieg standen. Weiter erklärte Sunzi: Das nächstwichtige Element im Informationskrieg sei die Täuschung. Trägt man dem Feind Falschinformationen zu, lassen sich Kampfhandlungen oft vermeiden. Außerdem riet er davon ab, den Feind im Kampf zerstören zu wollen, weil das den Sieg schmälern würde – und zwar sowohl in Bezug auf das Wohlwollen der unterlegenen Soldaten als auch auf die Gewinne aus den eroberten Gebieten.
»Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.«
Sunzi
Die große chinesische Mauer, begonnen im 7. Jh. v. Chr., diente zur Verteidigung neu eroberter Gebiete. Für Sunzi waren solche Maßnahmen ebenso wichtig wie die Angriffskraft.
»Man führt durch Vorbild, nicht durch Zwang.«
Sunzi
Die praxisnahen Ratschläge in Die Kunst des Krieges beruhen auf den moralischen Werten Gerechtigkeit, Angemessenheit und Mäßigung. Im Text heißt es, militärische Taktik, internationale Politik und Krieg existierten, um diese Werte zu erhalten, und sollten immer in Einklang mit diesen durchgeführt werden. Der Staat setzt seine militärische Macht ein, um diejenigen zu bestrafen, die ihn von außen schädigen oder bedrohen – so wie er Kriminelle im Innern bestraft. Wenn das auf moralisch gerechtfertigte Weise geschieht, ist der Lohn für den Staat ein glücklicheres Volk und der Gewinn von mehr Land und Reichtum.
Die Kunst des Krieges gewann großen Einfluss unter Herrschern, Generälen und Ministern der verschiedenen Staaten, die um ein vereintes chinesisches Reich rangen. Später war das Buch eine wichtige Grundlage für die Taktik von Revolutionären, darunter Mao Zedong und Ho Chi Minh. Heute ist Die Kunst des Krieges Standardlektüre an zahlreichen Militärakademien und in Kursen über Politik und Wirtschaft.
Sunzi
Er gilt als Verfasser der legendären Abhandlung Die Kunst des Krieges: Sun Wu (später bekannt als Sunzi) wurde vermutlich um 544 v. Chr. im chinesischen Staat Qi oder Wu geboren. Über sein frühes Leben ist nichts bekannt, aber als General im Dienst des Staates Wu führte er viele erfolgreiche Feldzüge gegen den benachbarten Staat Chu.
Sunzi wurde zum unverzichtbaren Militärberater König Helüs von Wu und schrieb seine berühmte Abhandlung als Handbuch für den Herrscher. Sie ist knapp gehalten und besteht aus 13 kurzen Kapiteln. Nach Sunzis Tod um 496 v. Chr. wurde sie überall gelesen: von den Staatsführern, die um die Kontrolle im chinesischen Reich kämpften, und von militärischen Denkern in Japan und Korea. 1782 wurde Die Kunst des Krieges erstmals in eine europäische Sprache übersetzt. Gut möglich, dass die französische Ausgabe Napoleon beeinflusst hat.
Hauptwerk
6. Jh. v. Chr. Die Kunst des Krieges
PLÄNE FÜR DAS LAND SOLLTEN NUR MIT DEN GEBILDETEN GETEILT WERDEN
MOZI (UM 470–UM 391 V. CHR.)
IM KONTEXT
IDEENLEHRE
Mohismus
SCHWERPUNKT
Meritokratie
FRÜHER
6. Jh. v. Chr. Der chinesische Philosoph Laozi plädiert für den Daoismus, das Handeln in Übereinstimmung mit dem Weg (dao).
5. Jh. v. Chr. Konfuzius entwickelt ein Regierungssystem auf Basis der traditionellen Werte, umgesetzt von Gelehrten.
SPÄTER
4. Jh. v. Chr. Die autoritären Vorstellungen von Shang Yang und Han Feizi werden im Staat Qin als Doktrin des Legalismus übernommen.
372–289 v. Chr. Der Philosoph Menzi plädiert für die Rückkehr zum Konfuzianismus in abgewandelter Form.
20. Jh. Mozis Vorstellungen beeinflussen die Republik Sun Yatsens und die kommunistische Volksrepublik China.
Gegen Ende des goldenen Zeitalters der chinesischen Philosophie, das zwischen dem 8. und 3. Jahrhundert v. Chr. die »Hundert Schulen des Denkens« hervorbrachte, begann man, die moralphilosophischen Vorstellungen auf soziale und politische Organisationen anzuwenden. In erster Linie ist hier Konfuzius zu nennen. Er plädierte für eine Hierarchie, die auf den traditionellen Familienbeziehungen beruhte, verstärkt durch Zeremonien und Rituale. Innerhalb dieser Hierarchie betonte er die Bedeutung einer führenden Klasse von Gelehrten zur Unterstützung des Herrschers, eine Idee, die Mozi später weiterentwickelte.
Nach Mozis Ansicht konnten geschickte Handwerker mit Talent durch eine Ausbildung fähige Verwaltungsbeamte werden.
Sowohl Konfuzius als auch Mozi gingen davon aus, dass das Wohlergehen des Staates auf der Zuverlässigkeit einer herrschenden bürokratischen Klasse beruht. Sie waren jedoch unterschiedlicher Ansicht darüber, wie diese Verwalter ausgewählt werden sollten. Für Mozis Verständnis hielt Konfuzius es zu sehr mit den Gepflogenheiten der adligen Familien, aus denen nicht zwangsläufig jene Tugenden und Fähigkeiten hervorgingen, die für eine erfolgreiche Staatsverwaltung erforderlich sind. Mozi glaubte, die Qualitäten, ein hohes Staatsamt ausfüllen zu können, resultierten aus Begabung und Studium, ohne dass der Hintergrund eine Rolle spielte.
Ein verbindender Kodex
»Die Erhebung der Tugendhaften«, wie Mozi seine meritokratische Vorstellung beschrieb, stellte einen Grundpfeiler des