Big Ideas. Das Politik-Buch. John Farndon

Big Ideas. Das Politik-Buch - John  Farndon


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etwa mussten ihre Pflichten tugendhaft erfüllen und sollten dabei auch gesehen werden. Konfuzius legte großen Wert auf Zeremonien. Sie signalisierten, welche Positionen eine Person innerhalb einer Gesellschaft einnahm.

      Zeremonien und Rituale erlaubten es den Staatsbeamten, Ergebenheit (nach oben) und Rücksichtnahme (nach unten) zum Ausdruck zu bringen. Doch Konfuzius zufolge sollte es in allen Gesellschaftsgruppen Rituale geben: vom formalen Zeremoniell bei Hofe bis zur täglichen sozialen Interaktion, bei der die Beteiligten sorgfältig ihre Rollen einhielten. Nur so konnte die Idee der Führung durch Vorbild Erfolg haben. Für Konfuzius zählten dabei Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zu den wichtigsten Tugenden, Treue war ebenfalls von Bedeutung.

      Viele der Rituale und Zeremonien entstammten religiösen Riten, aber dieser Aspekt stand nicht im Vordergrund. Die Ethik des Konfuzius beruhte nicht auf religiösen Überzeugungen. Er ging einfach davon aus, dass die Religion einen festen Platz in der Gesellschaft hat. Tatsächlich bezog er sich in seinen Schriften selten auf die Götter. Allenfalls äußerte er die Hoffnung, dass die Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Mandat des Himmels organisiert und regiert werden könne – was dazu beitragen würde, die Staaten, die um die Macht kämpften, zu vereinen. Obwohl Konfuzius an die Vererbung der Herrschaft glaubte, sah er keine Notwendigkeit, sie als göttliches Recht hinzunehmen.

      »Der Edle regiert die Menschen nach ihrem Charakter, wie es zweckmäßig ist, und sobald sie sich vom Falschen abwenden, hört er damit auf.«

       Konfuzius

      Dieser Gedanke und das Klassensystem, das auf Verdiensten beruhte und nicht auf Vererbung, sind die radikalsten Ideen im konfuzianischen System. Generell sprach sich Konfuzius für eine Hierarchie aus, die durch strenge Benimmregeln und Protokollvorschriften geregelt wurde. Jeder sollte wissen, wo in der Gesellschaft er stand. Dies bedeutet nicht, dass es keine sozialen Auf- und Abstiegsmöglichkeiten gab. Wer die Fähigkeiten (und einen guten Charakter) besaß, konnte ohne Rücksicht auf den familiären Hintergrund über alle Ränge bis in die höchsten Ebenen der Regierung gelangen. Und wer eine Machtposition innehatte, konnte sie verlieren, wenn er nicht die entsprechenden Qualitäten bewies, egal wie angesehen seine Familie war. Dieses Prinzip bezog sich sogar auf den Herrscher selbst. Konfuzius betrachtete den Anschlag auf ein despotisches Staatsoberhaupt als das notwendige Entfernen eines Tyrannen und nicht als Mord an einem legitimen Herrscher. Er meinte, durch diese Flexibilität ergäbe sich echter Respekt und politischer Konsens – die notwendige Basis für eine starke und stabile Regierung.

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      Schauspieler vollziehen in der Provinz Shandong (China) ein konfuzianisches Ritual. Ihre strenge Tradition vermittelt den Zuschauern heute den Eindruck respektvoller Zurückhaltung.

       Verbrechen und Strafe

      Die Prinzipien der konfuzianischen Moralphilosophie erstreckten sich auch auf die Bereiche Recht und Strafen. Zuvor hatte das Rechtssystem auf religiösen Verhaltensvorschriften beruht, aber Konfuzius wollte die von Gott gegebenen Gesetze durch einen am Menschen orientierten Ansatz ersetzen. Wie bei seiner Sozialstruktur plädierte er für ein System, das auf Gegenseitigkeit beruhte: Wirst du mit Respekt behandelt, handelst du selbst auch mit Respekt. Seine Version der goldenen Regel war als Verneinung formuliert: »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andren zu.« Damit standen nicht mehr die begangenen Taten im Blickfeld, sondern es ging darum, schlechtes Verhalten zu vermeiden. Und dies ließe sich am besten durch das richtige Vorbild erreichen, was Konfuzius so ausdrückte: »Wenn du einen weisen Mann triffst, so versuche, ihm nachzueifern. Wenn du einen törichten Mann triffst, so prüfe dich selbst in deinem Innern.«

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      Das Gemälde aus der Song-Dynastie zeigt, wie der chinesische Kaiser bei den Prüfungen der Beamten den Vorsitz führt. Derartige Prüfungen wurden zu Konfuzius’ Lebzeiten eingeführt und beruhten auf seinen Vorstellungen.

      »Wer Kraft seines Wesens herrscht, gleicht dem Nordstern. Der verweilt an seinem Ort und alle Sterne umkreisen ihn.«

       Konfuzius

      Konfuzius wollte Verbrechen nicht mit strengen Gesetzen oder harten Strafen bekämpfen. Er hielt es für den besseren Weg, das Gefühl der Scham zu wecken. Mag sein, dass die Menschen nicht kriminell werden, wenn sie durch Gesetze geführt oder durch Strafen gehindert werden. Aber sie entwickeln kein Gefühl für Richtig und Falsch. Werden sie hingegen durch ein Vorbild geführt und durch Respekt gehindert, dann schämen sie sich für ihr Fehlverhalten und lernen, wirklich gut zu sein, so seine Idee.

       Unpopuläre Ideen

      In der Philosophie des Konfuzius verbinden sich Vorstellungen von der angeborenen Güte und Geselligkeit des Menschen mit den starren Strukturen der traditionellen chinesischen Gesellschaft. Angesichts seiner Position als Berater bei Hofe überrascht es auch nicht, dass Konfuzius der neuen meritokratischen Klasse der Gelehrten einen wichtigen Platz einräumte. Doch die Angehörigen der herrschenden Familien fühlten sich durch die Macht, die Minister und Berater erhalten sollten, bedroht. Die Beamten hätten vielleicht gern mehr Kontrolle ausgeübt, glaubten aber nicht daran, dass das Volk sich durch ein Vorbild regieren lasse. Und sie wollten nicht ihr Recht aufgeben, Macht durch Gesetze und Strafen auszuüben. Die Ideen des Konfuzius wurden also mit Misstrauen betrachtet und zu seinen Lebzeiten nicht umgesetzt.

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      Als offizielle chinesische Staatsphilosophie erfüllte der Konfuzianismus auch religiöse Funktionen. Im ganzen Land entstanden konfuzianische Tempel wie dieser in Nanjing.

      Auch spätere Denker hatten allerlei daran auszusetzen. Mozi, ein chinesischer Philosoph, der kurz nach Konfuzius’ Tod geboren wurde, stimmte zwar mit dessen modernen Vorstellungen der Meritokratie und der Führung durch ein Vorbild überein, aber er glaubte, die Orientierung an Familienbeziehungen würde zu Vetternwirtschaft führen. Und militärisch geprägte Denker wie Sunzi hatten wenig Zeit für Moralphilosophie – sie näherten sich der Frage des Regierens von der praktischen Seite und zogen ein autoritäres System vor, um die Verteidigung des Staates sicherzustellen. Dennoch wurden in den beiden Jahrhunderten nach Konfuzius’ Tod immer mehr Elemente seiner Lehre in die chinesische Gesellschaft aufgenommen. Unter Mengzi (372–289 v. Chr.) gewannen sie im 4. Jahrhundert v. Chr. sogar eine gewisse Popularität.

      »Was man weiß, als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß, als Nichtwissen gelten lassen: das ist Wissen.«

       Konfuzius

       Die Staatsphilosophie

      Der Konfuzianismus mochte zum Regieren in Friedenszeiten geeignet sein. Aber in der Zeit der »streitenden Reiche«, als es darum ging, China zu vereinen, verdrängte ein autoritäres Regierungssystem, bekannt als Legalismus, die konfuzianischen Ideen. Auch der Kaiser, der seine Autorität über das neue Reich behaupten musste, setzte diesen Regierungsstil fort. Als im 2. Jahrhundert v. Chr. der Friede nach China zurückkehrte, wurde unter der Han-Dynastie der Konfuzianismus zur offiziellen Staatsphilosophie. Fortan prägte er die Strukturen in der chinesischen Gesellschaft, vor allem was die Rekrutierung der Beamten anging. Die Prüfungen für den Staatsdienst, die 605 n. Chr. eingeführt wurden, beruhten auf klassischen konfuzianischen Texten – daraus entwickelte sich eine Praxis, die bis ins 20. Jahrhundert hinein bestand.

      Auch unter dem kommunistischen Regime verschwand der Konfuzianismus in China nie vollständig. Bis zur Kulturrevolution hatte er unterschwellig Einfluss auf die Strukturen in der Gesellschaft. Heute sind Elemente des konfuzianischen Denkens (etwa im Verhältnis Vater–Sohn)


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