Queen intim. Peter Hince
der Hand. Auch Brian und Roger begrüßten meine Eltern warmherzig, erkannten sie bei jeder Ankunft wieder und erinnerten sich an vorherige Besuche.
Mum brachte mich oft in Verlegenheit, denn sie brachte mir zu den Shows Essen mit.
„Mum – sie füttern uns schon durch, keine Sorge.“
„Aber du siehst so blass aus – und bist so dünn.“
„Tja, es ist eine harte Arbeit und ich bin nicht dünn, sondern schlank, einfach fit.“
Die eingemachten Zwiebeln waren populäre Hausmannskost, die besonders gut Trip Khalaf schmeckte, dem amerikanischen Tontechniker von Queen.
Er begrüßte sie immer sehr freundlich: „Hello, Mrs Hince.“ Dann zeigte er mit dem Finger auf mich und sagte kopfschüttelnd: „Wie fühlt man sich als am meisten peinlich berührte Frau in ganz Großbritannien?“
Sie nahm es mit Humor.
Wenn wir nach dem Konzert mit einem Bus über Nacht weiterfuhren, konnten wir uns darin erst einmal abregen und runterkommen, bis die Tontechniker, mit denen wir reisten, ihren Job erledigt hatten.
Sobald Queen die Garderobe verlassen hatte, checkten wir, was wir noch an Essen plündern konnten. Bei den Tourneen Mitte der Siebziger war dort nicht viel zu finden, denn es gab noch keinen Catering-Service, der mit uns reiste. Ein geiziger Veranstalter beauftragte meist einen Assistenten, das übriggebliebene Essen so schnell wie möglich beiseite zu schaffen, um es am nächsten Tag wieder aufzutischen – zum vollen Preis. Jener Assistent hatte sich zuvor kritisch über unsere Crew ausgelassen, und so entschieden wir, ihm eine Lektion zu erteilen. Der Kerl bewahrte zur Sicherheit ein neues, schickes, weißes Sporthemd in der Garderobe auf. Wir „entführten“ das teure Kleidungsstück, legten es vor der Newcastle City Hall auf den Gehweg und zündeten es mit Feuerzeugbenzin an.
Als er fragte, ob jemand die geschätzte Neuerwerbung gesehen habe, wurden ihm mehrere Polaroids ausgehändigt, die zuerst das Hemd in Flammen und dann den kleinen Aschehaufen zeigten. Danach achtete er bei jeder Begegnung darauf, für uns Käse und Plätzchen aufzubewahren.
In Europa wurde uns die Zwischenmahlzeit, im Grunde genommen also das reguläre Abendessen, vom Tour-Koch „Toad In The Hole Of Barry Wales“ im Catering-Bereich serviert. Barry Wales? Keine Comicfigur, sondern das kleine Seestädtchen im Süden von Wales. Mittlerweile weiß ich, dass St. David der Schutzpatron von Wales ist, aber werden denn wirklich alle männlichen Nachkommen nach ihm benannt? Der Name des Catering-Besitzers lautete Dave Keeble und die bei ihm angestellten Köche hießen Dave Thomas und Dave Lewis. Man rief die drei allgemein und mit aller Liebenswürdigkeit „Dave, Dave and Dave“. Als die Queen-Tourneen größer wurden, stellten sie einen zusätzlichen Koch ein, den sie Steve nannten, woraufhin es hieß: „Dave, Dave, Dave and not Dave.“
Dieses walisische Quartett – auch bekannt als „die walisische Magen-Mafia“, die „Innereien-Saboteure“ und „die kulinarischen Kriminellen“ – bereiteten für gewöhnlich herzhafte Kost, um eine hart arbeitende Mannschaft nicht vom Fleisch fallen zu lassen: Steaks, Auflauf aus Hackfleisch und Kartoffelbrei, Spaghetti Bolognese, Chili con Carne und ähnliche Mahlzeiten. Dennoch backten sie für die stets größer werdende Zahl von Vegetariern leckere Omelettes. Das Team brutzelte auch die Mahlzeiten für Queen, wobei Dave x 3 + 1 das Menü durch lokale Produkte und Spezialitäten der verschiedenen Regionen Europas bereicherten, durch die wir gerade tourten. Die US-Abteilung der Crew ging ihnen ständig auf die Nerven, den Truthahn für das traditionelle Thanksgiving zu beschaffen, obwohl der Bühnenmanager sie nach Kräften zu überzeugen versuchte, dass in Boston edelster, frischer Hummer zum Feiertag gehört – aber vergebens. Sie einigten sich auf „Thousands on a Raft“, in Haute-Cuisine-Kreisen auch bekannt als „Bohnen auf Toast“. Die lokalen Produkte wurden mit all den ach so gesunden und aus Großbritannien importierten Zutaten ergänzt: Marmite, HP-Soße, Worcester-Soße, Marmelade und Senf.
Gesättigt von den Resten aus der Garderobe unserer Meister, schlenderten wir durch den jeweiligen Veranstaltungsort, während man die letzten Showelemente abbaute und das Gebäude für das nächste Konzert vorbereitete. Zu solch einem Zeitpunkt eine leere Arena zu betreten, wird zu einer beeindruckenden Erfahrung. Ein riesiger Raum, in dem vor ein oder zwei Stunden noch Tausende Menschen wie gebannt ein Spektakel beobachtet hatten, war nun eine Ansammlung von zusammengestellten Metallstühlen, großen summenden Industriereinigungsmaschinen, quietschend manövrierenden Gabelstaplern, Lichtgerüsten, an denen Ketten entlang krächzten, und einer Vielzahl von Stimmen, die durch den ganzen Lärm angestrengt schrien, Anweisungen gaben und Beleidigungen austeilten. Rauch und der Staub der Pyrotechnik hing immer noch in der Luft und vermischte sich mit dem stechenden Gestank der Reinigungsflüssigkeit, Abgasen der Gabelstapler und dem Geruch von fallengelassenem Popcorn – das alles hinterließ ein süßliches, ekliges Kratzen im Hals. Morgen würde ein neuer Tag sein, an dem sich in dem kalten Beton-Kokon die Hoffnungen und Träume einer anderen gesellschaftlichen Schicht treffen und sie ihren Leidenschaften nachgehen würden. Heute Nacht hatten die siegreichen Gladiatoren aber das Colosseum verlassen und der magische Flaschengeist war wieder sicher eingesperrt – nur darauf wartend, wieder zu entweichen.
Den uniformierten hispanischen und asiatischen Einwanderern, die in US-Stadien als Reinigungskräfte schufteten, den Boden und die Toiletten putzten und dabei einen gelben, fluoreszierenden Eimer auf Rollen hinter sich herzogen, war es egal, wer Freddie Mercury oder ein anderer Rock-Act war. Sie versuchten hier nur das saubere Image der USA zu bewahren. Eigentlich wollten sie bei ihrer Familie sein und das Leben führen, das ihnen der amerikanische Traum versprach und ihr Traum ihnen vorgaukelte. Ein gutes Leben.
Moment mal – was machte ich eigentlich aus meinem Leben? Klar, es war ein gutes Leben: Um die Welt reisen und als Sahnehäubchen Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Doch ich hätte meine Zeit auch mit etwas Sinnvollerem verbringen können. Zum Beispiel für eine Wohltätigkeitsorganisation in der Dritten Welt arbeiten, mich an der medizinischen Forschung beteiligen oder Kundgebungen zur globalen Erwärmung oder der Umweltverschmutzung abhalten. Über all diese Themen habe ich seit damals nachgedacht. Doch zu der Zeit verschwendete ich keine Gedanken daran, denn ich hatte schlichtweg zu viel Spaß. Wie war ich eigentlich zu dem Job gekommen? Und wo hatte das alles begonnen? In einem Supermarkt in Fulham, im Südwesten von London. Allerdings hatte ich keine Regale befüllt, sondern Verstärker und Boxen gestapelt.
Früher hatte ein altes Kino an dem Platz gestanden, den nun der Supermarkt einnimmt. Nachdem es in den frühen Siebzigern geschlossen worden war, hatte die „Super Group“ Emerson, Lake & Palmer darin ihr gigantisches Equipment gelagert und es Manticore genannt. Abgesehen von der Aufbewahrung der Ausrüstung und den genutzten Büroräumen, wurde es an damals populäre Bands vermietet, die es für Aufnahmen und zum Proben nutzten. Man hatte die Kinositze herausgerissen, und ein verdreckter und schäbiger Teppich erstreckte sich bis zur Theaterbühne, die groß genug war, um den wichtigsten Rock-Shows Platz zu bieten. Obwohl Fallschirmseide zur Verschönerung und Isolierung vom Balkon aus über dem alten Parkett herunterhing, war Manticore im November 1973 – als ich Queen erstmalig begegnete – ein kalter und verdammt ungemütlicher Ort. Ich arbeitete zu der Zeit für Mott The Hoople, eine großartige Rockband, die gerade von einer erfolgreichen US-Tour zurückgekehrt war. Mich beeindruckte das ganze Brimborium mit amerikanischen Markenzeichen, das Richie und Phil, Motts erste Vollzeit-Roadies, aus den Staaten mitgebracht hatten. Das wollte ich schon immer mal machen – in die USA reisen! Mit einer Rockband auf Tour gehen, wäre die Erfüllung eines Traums gewesen – mit kleinen Glöckchen als Bonus. Freiheitsglöckchen!
Industrie-Heizlüfter, angetrieben mit Gas aus großen Flaschen, wärmten den Proberaum nur unzureichend auf, und so trugen die Crew und die Musiker dicke Jacken, Mäntel und sogar Schals. Mott The Hoople zählten damals zu den populärsten Acts und standen auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sie waren bereit, zu einer ausgedehnten Großbritannien-Tour aufzubrechen. Nach einigen Tagen Arbeit im Manticore tauchten Queen, die die Vorgruppe sein sollten, bei den Proben auf. Es erschien ein wenig seltsam, dass Queen, die bei der EMI unter Vertrag standen, als Support einer CBS-Band auftraten, denn meistens achtete man darauf, dass die Bands vom selben Management oder einer gemeinsamen Plattenfirma kamen. Die vier Typen waren scharf darauf zu spielen und setzten