Queen intim. Peter Hince

Queen intim - Peter Hince


Скачать книгу
Rhapsody“, fiel mir oft auf, während ich über die Sinnlosigkeit des ganzen „Rock-Krams“ sinnierte und darüber, wie schnell man auf einer Tournee übersättigt war. Wenn der Song jedoch endete, die Scheinwerfer erstrahlten und Tausende von Menschen in Licht hüllten, die von „Bo Rhap“ ganz aus dem Häuschen waren, erkannte ich: Für manch einen war es von großer Bedeutung, und Queen wurden zu einem wichtigen Teil seines Lebens.

      Als ich weiter grübelte, donnerte Queen in die nächste Rocknummer und meine Innenschau löste sich in Luft auf. Zurück zum Geschäft – wie üblich. Der letzte Song ihres Sets endete mit einer Reihe pyrotechnischer Explosionen am vorderen Bühnenrand als Höhepunkt, die ich startete und mit denen ich einige Fotografen und Leute von der Security versengte. So ist das nun mal im Sport. Brian war das einzige Mitglied von Queen, das das Publikum bei einem Auftritt direkt ansprach, dabei beschränkte er sich aber auf ein oder zwei Ansagen. Mitte der Siebziger, vor der letzten Nummer eines Konzerts, sagte Brian mal: „Wir möchten euch wie immer mit den besten Wünschen verlassen – und im Schoße der Götter wissen.“ (Crew-Version: „Wir möchten euch wie immer mit den besten Wünschen verlassen – gelangweilt und nach Rückgabe des Eintrittsgelds schreiend.“)

      Queen verließen die Bühne unter donnerndem Applaus, Stampfen und Schreien im Dunkeln, woraufhin wir quasi in einer Zwielichtzone vor den Zugaben schwebten. Um uns herum sahen wir Tausende angezündeter Streichhölzer oder Feuerzeuge, die durch die rauchdurchdrungene Luft schimmerten, die Luftfeuchtigkeit, den Staub der Pyrotechnik und die energiegeladene Atmosphäre. Eine Flamme aufleuchten zu lassen, entwickelte sich schnell zu einem allzu gewohnten Anblick, doch als ich das erstmalig in den USA erlebte, hätte ich am liebsten innegehalten, das alles auf mich wirken lassen und dabei spekuliert, wie lange dieser Anblick wohl anhält.

      Möchten Sie noch mehr?

      Eine Zugabe vielleicht?

      Die Zugabe bei einer Rock-Show – man weiß, dass sie kommt. Ein kleiner zweiter Auftritt oder vielleicht auch ein dritter. Mitte der Siebziger trat Fred bei einer Zugabe an den Bühnenrand und warf rote Rosen ins Publikum. Die Dornen der Rosen waren natürlich zuvor entfernt worden, was eine mühselige Aufgabe war, doch Fred beschwerte sich immer darüber, nicht genügend Blumen zur Verfügung zu haben. Unvermeidbar wurden einige kleinere Dornen übersehen, die auf seinen zarten Händchen eine unbeabsichtigte Akupunktur hinterließen. Um Freds Nachschub zu garantieren, das Budget nicht zu überschreiten und weiteres Blutvergießen zu vermeiden, verlagerte man die Auswahl auf Nelken, die ich in Wassereimern unter dem Flügel versteckte.

      Auf ein Zeichen hin rannte ich mit einem Arm voller Blumen zu Fred. Während er sie an den Stielen in ein regelrechtes Meer aus ausgestreckten, greifenden Armen warf, nahm ich das Mikro mit zur Bühnenseite und stellte den nächsten Strauß zusammen. Wenn er alle Nelken verteilt hatte, sprintete er zum Flügel, und ich beeilte mich, ihm auf halbem Weg das Mikro zu geben. Ein nettes Beispiel für eine Choreographie. Fühlte Fred sich übermütig, schnappte er sich die Plastikeimer mit den Blumen und schüttete den gesamten Inhalt aufs Publikum, über sich selbst – oder über mich.

      Bei den frühen Queen-Tourneen führte die Band den leicht tuntigen Kabarett-Song „Big Spender“ von Shirley Bassey auf: „The minute you rolled up the joint …“ Fred schlich sich in einem mit Pailletten bestickten japanischen Kimono auf die Bühne, den er wie ein Stripper abstreifte und dabei rot-weiß gestreifte Shorts mit passenden Hosenträgern enthüllte. Er riss dramatisch am Gürtel des Kimonos, damit dieser an ihm herunterfiel. Was nicht immer geschah. In einem bis auf den letzten Platz gefüllten Hammersmith Odeon versuchte ich ihn nervös von dem japanischen Kleidungsstück zu befreien und zog dabei die Shorts unbeabsichtigt halb herunter. Panisch schnitt ich Fred mit einem rasierklingenscharfen Stanley-Messer los. Nach dem Zwischenfall lag ständig eine handlichere und sichere Schere in der Nähe. Freds Stimme war schon hoch genug und sicher nicht auf einen spontanen chirurgischen Eingriff durch den Roadie angewiesen.

      Freddie Mercury hielt während einer Queen-Tournee alle Mitarbeiter auf Trab – alle, und auch ich blieb davon nicht verschont. Er agierte spontan, wenn man es überhaupt nicht von ihm erwartete, und änderte seinen Bewegungsablauf, den Rapport und sogar die Texte. Spielten Queen „Jailhouse Rock“ als Zugabe, konnte man auf neue Wörter zur Bereicherung des englischen Wortschatzes gefasst sein. In einem Mix aus Singen und Sprechen murmelte er rhythmische Phrasen, während die Band einen ausgedehnten Boogie hinlegte. Ich kann mich noch an folgende Sprachfetzen erinnern: „Shaboonga“, „Shebbahhh“ und „Mmmmmmuma muma muma muma muma muma muma muma muma muma muma – Yaatch!“ Mmmm? Eine alte persische Sprache? Vielleicht ein lokaler Dialekt aus Sansibar?

      Wenn wir Fred nach Bedeutung und Herkunft der Laute fragten, antwortete er verteidigend: „Das singe ich doch nicht – oder?“ Doch! Den Beweis lieferte der Tontechniker, der ihm einen Mitschnitt der Show vorspielte. Auch wies man Brian darauf hin, dass der Beginn des Gitarrensolos der TV-Westernserie Bonanza verdächtig ähnelte. Schließlich kamen noch Roger und John an die Reihe, denen man klarmachte, dass sie die Rhythmus-Sektion sind, also auch die Verantwortung für das Timing tragen – sollten!

      Nach kurzer Zeit einigte man sich auf eine stets gültige Titelabfolge der Queen-Zugaben: Zuerst spielte die Band Brians „We Will Rock You“, gefolgt von Freds „We Are The Champions“. Als Fred im Sommer 1977 während der Proben zu den Aufnahmen von News Of The World in die Shepperton Film Studios stolzierte und bekanntgab, einen Song für Fußball-Fans zu haben, reagierte die Band skeptisch und mit einem gesunden Misstrauen – was machte er denn nun schon wieder? Von der Rockmusik zur Oper bis hin zu Stadionrängen und Hooligans? Es funktionierte. Fred mag ein zurückgezogen lebender Mensch gewesen sein, oftmals ruhig und reserviert, aber nicht, wenn er auf die Errungenschaften von Queen hinwies: „We are the champions – of the world!“

      Ich bin mir sicher, dass er das Potential seiner Sporthymne schon erkannt hatte und zugleich wusste, dass sich die Nummer erfolgreich in ein Konzert einfügen würde. Allerdings bezweifle ich sehr, dass Fred jemals Fußball gespielt oder auf den Rängen eines Stadions gestanden hatte (Sansibar Rovers?). Er erkannte jedoch das bei einem Fußballspiel entstehende Gemeinschaftsgefühl, die Leidenschaft und die Begeisterung. Trotz seiner eher elitären Erziehung konnte Fred gut mit ganz normalen Menschen kommunizieren und die Fans verstehen. Er sah sich im Fernsehen Fußballübertragungen an und liebte alle größeren Sportveranstaltungen. Sein Lieblingsteam – nach England – war Brasilien. Er bewunderte das geschmeidige Auftreten der Brasilianer, das Lächeln, das die Lippen der Sportler umspielte, und die hingebungsvolle „Karneval-Armee“ enthusiastischer Fans. Wenn aus der Menge ein Ball geflogen kam, kickte er manchmal auf der Bühne und schoss ihn kraftvoll und mit ein wenig Stil zurück. Ich kann mir gut vorstellen, dass er einen starken und nach vorne drängenden Mittelfeldspieler abgegeben hätte, der jede Lücke im Tor der Gegenspieler ausnutzt. Doch Fred betrieb nur einen Outdoor-Sport – Tennis, das auch Roger gerne spielte, wann immer sich dazu die Gelegenheit bot.

      Der Aspekt Sport tauchte manchmal bei Queen-Shows auf. Zur allerersten Aufführung von „We Are The Champions“ im Dezember 1977 im Madison Square Garden in New York erschien Fred mit einer blau-weißen Jacke der New York Yankees und einer Baseball-Kappe. Die Yankees hatten gerade die World Series gewonnen. Trotz der Tatsache, dass der Garden im fünften Stockwerk lag, brachte die Menge von 20.000 Zuschauern den Veranstaltungsort mit ihrem Beifall zum Beben. Beim Bühnen-Baseball erwies Fred sich als äußerst geschickt, denn als diverse Gegenstände auf die Bühne flogen, betätigte er sich als Batter und setzte den umgedrehten Mikrostab zur Abwehr ein. Die Japaner entwickelten eine wahre Leidenschaft für den Sport. Zu ihrer großen Begeisterung heimste Fred einige Home-Runs mit den bunten Plastikbällen ein, die sie gerne auf die Bühne warfen. Zum Dank warf er einige Flaschen Heineken zielsicher ins Publikum.

      Auf der Magic-Tour entfaltete sich während des zweiten Auftritts in München ein wahrhaft magisches Szenario. Abgesehen von der Tatsache, dass man die Stadt als zweite Heimat von Queen bezeichnen konnte und hier viele Freunde wohnten, war es der Tag des Fußball-WM-Endspiels 1986 zwischen der BRD und Argentinien. Die deutsche Crew und das Backstage-Personal in der Olympiahalle


Скачать книгу