Nirvana. Michael Azerrad

Nirvana - Michael  Azerrad


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      Don Cobain.

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      Nirvana im Crocodile (© Charles Peterson)

      Kapitel zwei

      Uns interessierte nur das Herumgammeln.

      Um diese Zeit herum nahm Kurt in der Schule erstmals Notiz von Chris Novoselic. „Ich wollte ihn unbedingt näher kennenlernen“, erzählte Kurt. „Aber wir kamen nie zusammen.“ Sie hatten keine gemeinsamen Schulstunden – Kurt sah Chris nur manchmal bei Versammlungen, wo Chris bei kleinen Satiren mitspielte – meist nur zu dem Zweck, sie zu sabotieren, etwa wenn er plötzlich „Star-Spangled Banner“ zu singen begann.

      „Er war ein lustiger Typ mit einem ganz eigenen Humor“, sagte Kurt. Jedermann lachte über ihn, aber ich lachte mit ihm, weil er einfach alle zum Narren hielt. Er war ein wirklich cleveres und lustiges Großmaul. Er war größer als alle anderen in der Schule. Er war riesig. Leider war ich nie mit ihm unterwegs, ich hätte in der Highschool-Zeit wirklich einen Freund gebraucht.“

      Kurt kam sich vor wie ein Ausgestoßener, aber auch Ausgestoßene können andere Ausgestoßene finden und sich mit ihnen anfreunden. Außer natürlich in Aberdeen. „Ich wollte irgendwo dazugehören, aber nicht zum Durchschnitt, nicht zu den üblichen Schulkindern. Ich wollte zu den Ausgeflippten gehören, aber die Ausgeflippten in Aberdeen waren bloß Narren. Sie waren nicht wirklich auf meinem Trip – sie hörten zum Beispiel keine Musik von Devo. Sie waren einfach ganz normal geschädigt.“

      Kurt erzählte, dass es ganze zwei Typen in der Schule gegeben hatte, mit denen er sich eine Freundschaft auch nur vorstellen hätte können. Die beiden waren zumindest so cool, dass sie sich für Oingo Boingo, die verrückte New Wave Band aus Los Angeles, interessierten. „Aber sonst waren sie totale Idioten“, sagte Kurt. „Typen, die sich beim Footballspielen das Gesicht anschmierten,“

      Die Highschool war für Kurt eine einzige Einöde, die aus drei Klassen bestand: den Angepassten, den Mathematiktrotteln und den Kiffern. Kurt war den Mädchen in der Aberdeen High wegen seiner neckischen Grübchen und blauen Augen aufgefallen, sie hielten ihn für süß. „Irgendwie mochten sie mich“, sagte Kurt, „aber ich mochte keine Einzige – sie waren einfach dumm.“ Und weil die Mädels Kurt mochten, versuchten sich auch noch deren sportliche Freunde bei ihm beliebt zu machen, aber Kurt ließ auch sie abblitzen.

      Blieben nur mehr die Kiffer. „Ich hasste sie zwar, aber zumindest interessierten sie sich für Rock’n’Roll.“ Also zog sich Kurt ihre typische Uniform an – die Jeansjacke mit Vliesfutter, die sich unter den jungen Drogenfreaks auch heute noch großer Beliebtheit erfreut – und begann sich beim örtlichen Raucher-Treffpunkt in einem Schuppen herumzutreiben. Er sprach kaum mit jemandem; er war so verschlossen, dass man ihn manchmal sogar für einen Drogenfahnder hielt.

      Nachdem er wieder nach Aberdeen gezogen war, hatte Kurt den Kontakt zu den Melvins verloren. Aber im Raucherschuppen lernte er einen Musikfan namens Dale Crover kennen. Auch Chris kannte Crover, von dessen Jam Sessions mit Robert, seinem jüngeren Bruder. Als die Melvins einen Schlagzeuger benötigten, schlug Chris Crover vor, und er wurde es auch. Und weil Kurt Crover kannte, kam er wieder in den Kreis rund um die Melvins.

      Die Melvins hatten ihr Probenquartier in einem Extrazimmer im Haus von Crovers Eltern. Wie jeder Standort zuvor wurde auch dieser Anziehungspunkt für eine Runde von Kiffern aus Aberdeen, die „Cling-Ons“ (Wortspiel: to cling on – anhaften, aber auch die Klingonen aus der TV-Serie StarTreck) genannt wurden. Sie trugen Glockenhosen und gesteppte Jacken mit Zipptaschen, damit ihnen niemand ihren Stoff stehlen konnte. „Sie waren die klassischen Comic-Kiffer-Metalheads“, erinnerte sich Kurt. „Einfach witzig – sie hatten Pickel, keine Zähne und stanken nach Dope.“

      Für die Cling-Ons waren die Proben der Melvins die einzige Unterhaltung, die es gab. „In Aberdeen konnte man nichts tun außer Bier trinken, Gras rauchen und den Teufel anbeten“, kicherte Crover. „Es gibt dort einfach nichts. Außer viel Fernsehen.“

      Der Probenraum selbst war vollgepflastert mit Postern von Kiss, Mötley Crue und Ted Nugent, herausgerissenen Seiten aus der Zeitschrift Circus und Bildern von nackten Frauen, denen sie andere Köpfe aufgeklebt hatten (ein Motiv, das später auch auf einem Nirvana-T-Shirt auftauchen sollte). Besucher mussten das Haus durch den Hintereingang betreten, dann ging es durch ein winziges Zimmer in den Probenraum. Bei den Proben selbst wollte Buzz nicht viel Publikum, die Cling-Ons begnügten sich daher damit, im Hinterhaus herumzuhängen. Die Melvins probten drei oder mehr Stunden am Tag, aber sie machten ungefähr alle 20 Minuten eine Pause, weil ein Bandmitglied mit einem der Cling-Ons Geschäfte machen musste.

      Kurt spielte einmal bei den Melvins vor, aber das war ein Reinfall. „Ich habe es total verpatzt“, sagte Kurt. „Ich war so nervös, dass ich alle Songs vergaß. Ich konnte buchstäblich keine einzige Note spielen. Ich stand nur da mit meiner Gitarre und hatte einen hochroten Kopf.“

      Das war jedoch nicht weiter schlimm, denn Kurt schrieb schon seine eigenen Songs und nahm sie auch auf. Matt Lukin erinnerte sich an ein Tonband mit Kurts Eigenkompositionen – nur Gitarre und Gesang. „Sie waren wirklich recht gut, erzählte Lukin. „vor allem für einen in Aberdeen in seinem Alter – die meisten anderen wollten nur Judas Priest spielen. Wir fanden es auf jeden Fall ungewöhnlich, dass da einer seine eigenen Songs schrieb und diese lieber spielte als Mötley Crue.“

      Buzz Osborne brachte dann Kurt Cobain endgültig zum Punkrock. Er stellte ein paar Bänder zusammen, hauptsächlich mit Bands aus Südkalifornien wie Black Flag, Flipper und MDC. Das erste Lied auf dem ersten Band war „Damaged 11“ von Black Flag, eine einzige Attacke von schreienden Gitarren und schepperndem, mörderischem Schlagzeug. Die Nummer quoll über vor Hass. „Damaged by you, damaged by me/ I’m confused, I’m confused/ Don’t want to be confused“, brüllte der Sänger Henry Rollins.

      Kurt war elektrisiert. „Es war, als hätte ich Musik von einem anderen Planeten gehört. Ich brauchte ein paar Tage, um damit fertigzuwerden.“ Am Ende dieser Woche war er ein überzeugter und selbsternannter Punkrocker. „Ich spürte, dass diese Sachen klarer und wirklichkeitsnaher waren als die durchschnittlichen Rock’n’Roll-Texte.“

      Kurze Zeit später, im August 1984, fuhren Kurt, Lukin, Osborne und noch ein paar andere nach Seattle, um sich im Mountaineer Club ein Black-Flag-Konzert im Rahmen der Slip It/w-Tour anzuschauen. Um genug Geld für ein Ticket aufzutreiben, verscherbelte Kurt seine Plattensammlung – sie bestand damals aus Platten von Joumey, Foreigner oder Pat Benatar – um zwölf Dollar. „Es war wirklich toll“, sagte Kurt über die Show. „Ich war auf der Stelle bekehrt.“

      „Es war gut für mein schwach ausgebildetes Selbstbewusstsein, dass ich ein Punkrocker wurde, denn es half mir, von der Zielvorstellung des Rockstars wegzukommen. Ich wollte gar kein Rockstar mehr werden“, erzählte Kurt. „Es war ein ewiger Balanceakt zwischen Wollen und Nicht-Können auf der einen und gleichzeitiger Gleichgültigkeit auf der anderen Seite. Dennoch wollte ich mich beweisen. Ziemlich verwirrend. Ich bin sehr froh, dass ich mich damals dem Punkrock verpflichtet habe, das gab mir einfach die paar Jahre, die ich benötigte, um mein Weltbild in Ordnung zu bringen. Dass ich Punk entdeckt habe, das war wirklich ein Gottesgeschenk.“

      Osborne zeigte ihm auch einen Weg, wie er mit seiner Umwelt fertigwerden konnte. „Er hatte eine Art, mit den Rednecks umzugehen, die mir unheimlich imponierte“, sagte Kurt. „Seine Einstellung inspirierte mich sehr, sie lautete ungefähr: Geh ihnen auf die Nerven, so viel du nur kannst. Wir gingen auf die Parties der Sportstypen, hängten uns dort an die Fersen der großen Muskelmänner und spuckten ihnen auf den Rücken. Wir schrieben dreckige Sprüche auf die Wände, nahmen die Eier aus dem Kühlschrank und legten sie ins Bett des Gastgebers. Wir versuchten, so viel Schaden wie möglich anzurichten.“

      Dann lernte Kurt Jesse Reed kennen. Er bezeichnete ihn als „den einzigen netten Freund, den ich in Aberdeen finden


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