Immer weiter. Lloyd Bradley
er nach Deutschland, wo er ebenfalls für etliche Pop-Hits verantwortlich zeichnete. Zum ersten Mal traf ich ihn in Franks Offenbacher Studio, als wir „Ma Baker“ aufnahmen, eine Kollaboration zwischen Hans-Jörg und Fred. Zunächst sollte der Song „Ma Barker“ heißen – wie die reale Gangsterbraut. Nur ließ sich das nicht so leicht singen, weshalb Fred sagte: „Okay, wie wäre es dann mit Baker? Das lässt sich leichter singen. Ihr könnt den Song ‚Ma Baker‘ nennen.“
Stefan Klinkhammer wiederum war ein echtes Genie als Arrangeur. Auch er arbeitete von Anfang an mit Frank zusammen. Ich traf ihn bei meinem ersten Vorsingen für Boney M. Viele Leute wissen nicht um die Bedeutung des Arrangeurs, vor allem bei jenen großen Produktionen, die Frank vorschwebten, als Boney M. sich weiterentwickelten. Stefan spielte eine zentrale Rolle dabei, das Grundgerüst eines Songs dahingehend auszugestalten, dass sich pure Pop-Sounds ergaben, die mit Disco-, Reggae- oder Rock-Elementen oder was auch immer versehen waren, wodurch sie sich von der breiten Masse abhoben.
Später arbeiteten noch andere Songwriter mit Boney M., aber anfangs waren diese Jungs und Stefan nicht weniger wichtig als Frank, als es darum ging, den Sound von Boney M. zu formen. Ich möchte Franks tatsächlichen Beitrag gar nicht schmälern. Er war ein verdammt guter Produzent und der Kopf hinter allem, der all diese Faktoren zusammenbrachte. Allerdings war er kein Songwriter und er sollte nicht so tun, als hätte er sich bei uns um alles gekümmert, wie er mal in einem Fernsehinterview behauptete. Nein, das war ordentliches Teamwork von Leuten aus Deutschland, Amerika und der Karibik. Den wahren kreativen Köpfen hinter Boney M. sollte deshalb auch die entsprechende Anerkennung zuteil werden.
Obwohl Frank den Sound eher formte, als ihn selbst zu komponieren, wurde er dennoch als Autor ausgewiesen. Somit war er an den Einkünften der Songwriter beteiligt.
Das ist schon lange eine Grauzone im Musikbusiness. Songwriter mussten sich darauf einlassen, einen Prozentsatz ihrer Einkünfte abzugeben, weil ihre Songs sonst künftig nicht mehr zum Zuge kämen – und 70 Prozent der Vergütung eines Hits sind immer noch besser als 100 Prozent von nichts.
Der Look von Boney M. resultierte ebenfalls aus Teamarbeit, obwohl es mitunter auch ganz schön beängstigend sein kann, wenn jemand anderes darüber entscheidet, wie wir schon früh herausfanden.
Von Anfang an ließen wir uns von dem renommierten deutschen Rock-Fotografen Didi Zill ablichten. Er gehörte zu den besten seines Fachs und fotografierte fantastische Studio-Sessions mit so ziemlich jedem von Little Richard über Tina Turner bis zu Culture Club oder Alice Cooper. Von uns schoss er ein paar großartige Live-Aufnahmen und ich liebte es, mit ihm zu arbeiten. Ich war also rundum happy, als ich erfuhr, dass er die Fotos für die Plattenhülle von Take the Heat off Me schießen würde. Wir trafen ihn in einem Berliner Fotostudio und warteten darauf, dass die Beleuchtung eingerichtet wurde, als mir auffiel, dass etwas fehlte. Ich fragte also Frank, wo denn unsere Kostüme wären. Er meinte, ich müsste mir deswegen keine Sorgen machen, denn er wolle sie gerade abholen gehen. Fein. Als er dann zurückkehrte, hatte er nicht mehr dabei als eine kleine Einkaufstüte. Im ersten Moment dachte ich mir noch nichts dabei und fragte ihn erneut nach unseren Kostümen. Doch er grinste nur und hielt die Tüte hoch.
Noch bevor er sie aufhielt, blieb uns die Spucke weg. Als wir drei Mädels dann die durchsichtigen Dessous, die sich darin befanden, erspähten, waren wir durch die Bank schockiert: „O nein! Was sollen wir bei diesem Fotoshooting machen?“ Obwohl wir auf der Bühne manchmal eher gewagt wirkten, waren wir abseits davon vier ganz gewöhnliche Leute mit ganz gewöhnlichen Neigungen – und auf keinen Fall wollten wir uns halbnackt vor drei oder vier Männern im Studio in Pose werfen. Didi eilte uns schließlich zuhilfe, da es ein Teil seines Jobs war, seine Motive in eine entspannte Stimmung zu versetzen – und Didi war sehr gut in seinem Job. Er machte gar keinen großen Wirbel, sondern schickte uns einfach in die Garderobe, wo wir unsere, ähem, Kostüme anlegen sollten. Allerdings durften wir unsere eigene Unterwäsche anbehalten und die dort bereitliegenden Bademäntel anziehen. Als wir zurückkamen, arrangierte er uns so auf dem Boden des Studios, wie er uns haben wollte – immer noch in Bademäntel gehüllt. Schritt für Schritt positionierte er uns: Liz und ich standen uns mit den Gesichtern so nahe gegenüber und sahen uns an, als wären wir Lesben; Maizie wand sich, wodurch es wirkte, als würde ihr der Unterrock herunterrutschen; und Bobby stand, ganz der Macho, hinter uns. Als Didi endlich zufrieden war, meinte er: „Jetzt könnt ihr ablegen!“ Eine seiner Assistentinnen half uns aus unseren Bademänteln und Büstenhaltern, ohne dass wir dabei zu viel zeigten. Er linste durch seine Kamera und schwärmte: „Fantastisch! Marcia, kannst du noch ein wenig nach links rücken? Mmmhmmm, fantastisch … bleib so … und jetzt alle!“ Dann knipste er drauflos und wir fühlten uns, als wären wir bei einem Mode-Shooting gelandet.
Darin lag meiner Meinung nach das Genie Didi Zills. In kürzester Zeit gelang es ihm, uns die Angst zu nehmen, wie Stripperinnen zu wirken, und vermittelte uns stattdessen das Gefühl, Fotomodels zu sein. Wir fingen an, die Session richtig zu genießen, was an dem Aufwand lag, den er betrieb, um sicherzustellen, dass wir uns wohl fühlten. Er versicherte uns auch, dass wir auf gar keinen Fall billig wirken würden. Obwohl ich mehr Haut zeigte, als ich ursprünglich angenommen hatte, fühlte ich mich auf keinen Fall bloßgestellt.
Im Anschluss an diese Session wurde mir schnell bewusst, dass wir uns später nicht darüber beklagen dürften. Es war etwas, was wir tun mussten. Wir waren uns auch sicher, dass wir so niemals auf die Bühne gehen würden. Aber im privaten Ambiente von Didis Studio und so ganz unter uns machte es tatsächlich Spaß. Ich verstand anfangs nicht, warum die Plattenfirma, Frank und so gut wie jeder andere in der Branche so besessen davon waren, dass wir viel Fleisch zeigten. Ich hielt es, ehrlich gesagt, stellenweise für Pornografie und fragte mich: „Was hat das denn mit unserem Gesang zu tun?“ Doch dann begriff ich, dass das Musikbusiness etwas Frivoles brauchte, um wieder mal für Aufsehen zu sorgen.
Die Werbeplakate zum Album wurden überall aufgehängt, weshalb sie nicht nur unsere Fans zu Sicht bekamen. Das bereitete mir zwar ein wenig Kopfzerbrechen, aber wie sich herausstellte, waren die Leute bereit dafür. Außerdem strahlten sie nicht die Art billiger Sexualität aus, die mit der damaligen Disco-Musik in Verbindung gebracht wurde. Vielmehr ließen sie uns wirken, als hätten wir vor, noch länger zu bleiben – so nobel sahen sie aus. Das hatten wir zu einem großen Teil Didi zu verdanken und wie er Boney M. wahrnahm: Er investierte viel Mühe in die Beleuchtung und kümmerte sich um jede Feinheit unserer Posen, damit wir auch gut aussahen. Die Plattenhülle zu Take the Heat off Me, die mir so große Sorgen bereitet hatte, wurde letztlich richtig elegant und war ganz in Weiß gehalten. Viele Leute liebten die Gestaltung, weil sie aufregend und interessant war. Schwule begeisterten sich dafür, weil ein paar der Bilder einen leicht kitschigen Anstrich hatten. Und die geilen Säcke liebten unsere Plattencover wie Love for Sale, weil es ihre Fantasie anregte.
Love for Sale war das nächste Album, für dessen Cover wir fotografiert wurden. Unsere Herangehensweise zeigte, wie sehr sich unsere Einstellung innerhalb nur eines Jahres verändert hatte – immerhin erinnerte der Look viel mehr an Pornografie als noch Take the Heat off Me. Wieder einmal fanden wir uns in Didis Studio ein, nur kam Frank Farian dieses Mal mit einer Tüte Ketten an. Als er sie verteilte, waren wir schlichtweg fassungslos. Wir drei Mädels wussten gar nicht, wie wir die tragen sollten – wenn man das überhaupt so nennen kann. Bobby starrte sein silbernes Suspensorium an, das aussah wie ein Stück Alufolie. Er drehte und wendete es in seinen Händen und sagte mit seinem Aruba-Akzent: „Das soll ich also anziehen?“ Da mussten wir alle lachen. Dann fingen wir an, Faxen zu machen, und konnten uns kaum noch halten vor lauter Lachen. Didi selbst war auch ein echt lustiger Typ und ermutigte uns, Spaß zu haben, weil uns der entspannte. Er wusste ja, dass wir professionell genug waren, um uns am Riemen zu reißen, wenn wir schließlich posieren mussten. Auch konnte er sehr überzeugend sein und zerstreute stets alle unsere Bedenken, so wie das auch bei Love for Sale der Fall war, als Liz und ich, die wir beide als brave jamaikanische Mädchen erzogen worden waren, uns sorgten, was wohl unsere Mütter davon halten würden.
Also streiften wir uns in Didis Studio die Ketten über und trugen, als wir aus der Garderobe kamen, zusätzlich noch unsere Unterwäsche und Bademäntel. Dann drapierte uns Didi auf eine Weise, die es uns erlaubte, unsere Höschen anzubehalten, obwohl es so aussah, als wären wir nackt. Dann kam wieder die Dame,