Immer weiter. Lloyd Bradley

Immer weiter - Lloyd  Bradley


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einzeln an. Und nein: Ich weiß nicht, wer am meisten Fan-Post bekam.

      Wir sorgten praktisch überall, wo wir auftauchten, für Aufruhr – ob wir nun als Gruppe oder solo unterwegs waren. Allerdings war das nicht so wie heute, wenn Prominente von Leuten belagert werden, die ein Selfie mit einem schießen wollen, oder einen von der anderen Straßenseite aus um ein Foto bitten. Damals und vor allem in Deutschland lief das viel verhaltener ab. Doch wenn wir auf der Straße gesichtet wurden, konnte es durchaus zu einem Menschenauflauf oder Verkehrsstau kommen. Wenn wir uns in Restaurants, Geschäften oder auf dem Flughafen aufhielten, mussten wir akzeptieren, dass alles ein wenig länger dauern würde. Für mich war das nie ein Problem. Die Leute wollten mir ja nur mitteilen, wie sehr sie mich mochten. Es gibt Schlimmeres.

      Ich widmete ihnen gerne meine Zeit, schließlich handelte es sich dabei um Augenblicke, die sie niemals vergessen würden. Es war Teil unseres Jobs und es war nicht weniger wichtig, als im Studio zu singen, und es bereitete mir viel Freude.

      Das hatte allerdings zur Folge, dass wir nie „dienstfrei“ hatten. Da es zum Image von Boney M. gehörte, glamourösen Fantasien zu entsprechen, mussten wir uns auch abseits der Bühne als echte Hingucker präsentieren. Wir Mädels konnten es uns nicht erlauben, in einem alten Cardigan einkaufen zu gehen. Jedes Mal, wenn wir ein Haus oder ein Hotelzimmer verließen, mussten wir wie aus dem Ei gepellt aussehen. Das war nie ein Problem für mich, da ich mich schon immer elegant kleidete – auf und abseits der Bühne. Ich hatte keinen Charakter für Boney M. erschaffen, sondern ihn schon zur Gruppe mitgebracht. Als ich noch solo aufgetreten war, hatte ich viel von Ossie Clark getragen, einem Londoner Designer, der in den späten Sechziger- und den frühen Siebzigerjahren schwer angesagt war. Ich liebte seine Designs und den Großteil seiner Blusen und Hosen aus Chiffon und Krepp. Die kosteten mich ein kleines Vermögen, da das noch vor der Zeit war, in der Designer einen kostenlos mit Klamotten versorgten, um ihre Produkte auf diese Weise zu bewerben. Damals nahm die britische Textilbranche erst langsam Fahrt auf. Deshalb waren viele der später bekannten Designer, die sich gerade zu etablieren versuchten, nicht besser dran als Popgruppen und Sänger. Ossie Clark war zwar mein Favorit, aber ich trug nicht ausschließlich seine Sachen. Ich wusste, was mir stand, und hielt manchen Boutiquen und Designern die Treue, wann immer ich mal kurz in London weilte. Ich betrieb keinen großen Aufwand, weil ich eigentlich nie eine große „Shopping Queen“ war. Die Vorstellung, die Boutiquen in jeder Stadt, in der ich mich gerade aufhielt, abzugrasen, sprach mich nie sonderlich an. Ich wusste genau, was ich benötigte, um gut auszusehen, aber ich gab nie Geld nur um meiner selbst willen aus. Das lag daran, dass meine Familie in meiner Kindheit immer knapp bei Kasse gewesen war, und so konnte ich mich einfach nicht überwinden, damit um mich zu werfen, als ich endlich genug davon hatte. Später sahen Maizie und ich uns manchmal Schmuck an – für gewöhnlich am Flughafen –, aber wenn man weiß, wie teuer der Kram war, kann man sich vorstellen, dass ich nicht allzu viel gekauft habe.

      Ein paar Leute aus unserer Tour-Karawane gingen jedoch liebend gerne shoppen und begutachteten die Schaufenster, wenn wir in Paris oder Mailand auftraten. Ich hatte das zuletzt getan, als ich noch viel jünger war. Damals hatte ich die noblen Einkaufsstraßen abgeklappert, Klamotten inspiziert, die ich mir nicht leisten konnte, und mir im Kopf Outfits zusammengestellt. Nun, da ich bei Boney M. war, hätte ich in all diese Geschäfte gehen und praktisch alles, was ich brauchte, kaufen können. Aber das hätte den Spaß daran ruiniert. Ich informierte mich immer gerne in Magazinen über die neuesten Trends, aber meine Zeit war so knapp bemessen, dass es mir nicht eingefallen wäre, sie mit Schaufenster-Shopping zu vergeuden. Wenn ich Geld ausgab, war ich mir stets sicher, dass es sich um eine gute Investition handelte. Schließlich zahlen sich gute Bekleidungsstücke immer aus, weil sie besser sitzen und länger halten. Es ist sinnvoller, sich ein paar hochwertige Stücke zu kaufen, als seinen Kleiderschrank mit billigem Ramsch zu füllen.

      Ich fühlte mich immer wohl dabei, meine Garderobe zur Schau zu stellen: Als Kind in Jamaika liebte ich meine Schuluniform und achtete darauf, wie ich saß, damit ich die Buntfalten, die ich am Abend so akribisch gebügelt hatte, nicht zerknitterte. Sobald ich nun gut verdiente, kleidete ich mich auffällig und war auch stolz darauf. Niemand trug täglich Klamotten von Ossie Clark. Ich hingegen stolzierte jetzt die Oxford Street in einer seiner Chiffon-Blusen hinunter. Sogar heute noch verlasse ich nicht die Wohnung, bevor ich nicht mit meinem Look völlig einverstanden bin – mein Mann Marcus kann ein Lied davon singen. Mein Hut und die Handschuhe müssen zueinander passen und sich mit den vorherrschenden Farbtönen des Ensembles ergänzen – und ich verfüge über eine große Auswahl. Wenn ich das nicht ordentlich machen kann, bleibe ich eben zu Hause.

      Was bei Boney M. von mir erwartet wurde, sprach meine extrovertierte Seite an. Wenn ich in meiner Solo-Zeit ein kleines Vermögen ausgegeben hatte, so investierte ich nun eher ein großes Vermögen. Ich kaufte meine Kleider vor allem bei Dagmar Engelbrecht, einer Hannoveraner Schneiderin, die für unsere Bühnen-Outfits verantwortlich war, da ich bei ihr genau das bekam, was ich mir wünschte. So ersparte ich es mir auch, einkaufen gehen zu müssen, was ich ohnehin nie wirklich gern getan hatte. Außerdem fehlte mir nun schlichtweg die Zeit dafür. Dagmar ist immer noch meine Freundin und schon damals verstand sie, was ich wollte. Es musste besonders aussehen, aber nicht so, als würde ich damit gleich auf die Bühne steigen. Schließlich musste ich es auch noch zum Abendessen oder so tragen. Sie war in der Lage, meine Ideen zu modifizieren, und verbesserte sie sogar noch. Wenn ihr ein bestimmter Stoff in die Hände fiel oder sie eine Idee hatte, die gut zu mir passen könnte, kontaktierte sie mich einfach. Da sie meine Maße bereits hatte – und die blieben in meiner Zeit bei Boney M. immer konstant! –, konnte ich sie ganz sich selbst überlassen. Wenn ich etwas für einen bestimmten Anlass brauchte, versorgte sie mich stets rechtzeitig mit dem exakt richtigen Outfit. Somit verfügte ich über viele wunderbare Kostüme für einmalige Anlässe. Ich brauchte keine Ausreden zu finden, um voll ausstaffiert und geschminkt über den Flughafen zu staksen, und kleidete mich ein wenig sorgfältiger, was ein bisschen länger dauerte. Aber warum nicht? Das war nun mal mein Job, und wie sich herausstellte, war es der beste Job der Welt.

      Unser Terminplan war randvoll. Wenn wir ein bis zwei Monate auf Tour waren, klapperten wir bis zu 20 Länder ab. Aber es machte alles großen Spaß. Wir verdienten Geld für die Plattenfirma und die Konzertveranstalter, weshalb die Budgets nun viel größer waren, was wiederum mit sich brachte, dass sich das Leben auf Tour für uns viel komfortabler gestaltete. Die Hotels wirkten gehobener und wenn wir innerhalb Deutschlands reisten oder uns am Flughafen trafen, wurden wir in einem Pullman transportiert, der Mercedes-Version einer Stretch-Limousine mit Luxusausstattung.

      Im Unterschied zum ersten Jahr bestand ich bei Auslandsreisen nun auf Erste-Klasse-Flügen. Das wurde so wichtig für mich, dass es gar nicht mehr anders ging. Manchmal musste ich selbst dafür bezahlen, obwohl ein Veranstalter oder die Plattenfirma es uns zugesichert hatte. Wenn wir dann am Flughafen eintrafen, musste ich zur Kenntnis nehmen, dass wir nur in der Economy Class sitzen sollten. Oder aber die erste Klasse war zwar für uns gebucht, aber nicht bezahlt worden. Dabei ging es nicht darum, die Diva raushängen zu lassen, die glaubt, sie stünde über den anderen Leuten. Vielmehr waren die Flüge eine der wenigen Möglichkeiten, mich zu entspannen – auch wenn es sich nur um ein paar Stunden handelte. Ich brauchte dafür meinen Freiraum. Fliegen ist ohnehin schon stressig genug und ich wusste, dass ich ausgeruht sein musste, um in der Lage zu sein, eine ordentliche Show abzuliefern und dabei gut auszusehen. In der ersten Klasse konnte ich wenigsten meine Beine hochlegen, Champagner schlürfen und meine Gedanken sammeln. Nachdem wir angefangen hatten, regelmäßig mit dem Flugzeug zu reisen, war ich schnell zu dem Schluss gekommen, dass ich so am einfachsten zu etwas Zeit nur für mich käme. Allzu oft schliefen wir zu verqueren Zeiten und schlangen irgendwo unterwegs ein paar Bissen hinunter. Dagegen war die erste Klasse eine Wohlfühl-Oase, die mir half, mit all den widrigen Umständen zurechtzukommen.

      Am Flughafen erwarteten uns bereits Journalisten. Manchmal wurde auch eine Pressekonferenz im Hotel abgehalten. Ich musste also wissen, was ich von mir gab und aufmerksam genug sein, um Fragen zu beantworten. Außerdem mussten wir gut aussehen, da uns immer Fotografen verfolgten, egal wohin. In der ersten Klasse konnte ich mich in Ruhe schminken und vor der Landung meinen Hut zurechtrücken, ohne dass jemand an die Toilettentür pochte.

      Oft bestand auch die Gefahr, dass wir nach unserer Ankunft im


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