Immer weiter. Lloyd Bradley

Immer weiter - Lloyd  Bradley


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wir kamen so spät im Hotel an, dass ich nicht mehr fürs Abendessen wach bleiben wollte. In der ersten Klasse zu fliegen erlaubte es mir, eine gepflegte Mahlzeit zu mir zu nehmen und in behaglichem Ambiente zu speisen.

      Die Gewichtsbeschränkungen beim Gepäck waren ein Nachteil davon, dass wir immer glamourös aussehen mussten: Je größer wir wurden und je länger wir auf Tour gingen, desto mehr eigenen Kram mussten wir mit uns herumschleppen. Bevor ich bei Boney M. ausstieg, reiste ich mit sieben Koffern. In der ersten Klasse war das kein Problem, doch ansonsten mussten wir immer Aufpreise berappen, weil wir mit Übergepäck reisten.

      Jeder, der sich in irgendeiner ungewöhnlichen, fordernden Situation wiederfindet, muss seine eigenen Lösungen finden, um damit klarzukommen. Wenn nicht, wird man relativ bald mürbe davon. Liz, Maizie und Bobby hatten ihre eigenen Methoden. Mir bedeuteten die Erste-Klasse-Flüge aber so viel, dass ich mich deswegen sogar mal mit der Plattenfirma anlegte, um sicherzustellen, dass wir von nun an immer so reisten – nicht nur ich, sondern die ganze Gruppe, weil ich wusste, wie sehr wir davon profitieren würden. Ich schaltete auch im Namen der anderen auf stur und ließ die Plattenfirma und Frank wissen, wie sehr es sich für sie bezahlt machen würde, wenn wir unsere Promo-Auftritte und Konzerte zufrieden und ausgeruht absolvierten. Selbstverständlich leuchtete ihnen das ein, woraufhin sie uns die Erste-Klasse-Flüge genehmigten.

      Auch bezüglich unserer Unterbringungen sprach ich ein Machtwort. Zwar hatten wir nach Take the Heat off Me die Einzelzimmer in billigen Motels gegen Doppelzimmer in besseren Hotels eingetauscht, aber ich wünschte mir eine Suite mit voneinander getrennten Wohn- und Schlafbereichen. Das würde uns etwas Privatsphäre verschaffen. Wenn dann irgendwer vorbeikäme – die anderen Mitglieder der Gruppe oder sonst wer – müsste man sie nicht im Schlafzimmer empfangen. Vor allem wenn das Bett nicht gemacht war, nervte das. Ich stamme schließlich aus Jamaika, wo dein Bett immer gemacht und frisch sein muss, wenn jemand dein Zimmer betritt. Auch erleichterten es uns die Suiten, uns zu entspannen, wenn wir gerade nicht in der Stimmung waren, uns hinzulegen. Also verkündete ich: „Ich arbeite hart und will daher auch eine Suite für mich haben – nicht nur so ein kleines Zimmer!“ Natürlich profitierten auch die anderen davon.

      Zur Zeit der Veröffentlichung von Love for Sale ließ ich die ersten 18 Monate als Mitglied von Boney M. zum ersten Mal richtig Revue passieren. Ich dachte daran, wie sehr sich doch alles ausgezahlt hatte, obwohl ich ursprünglich meine Solokarriere weiterverfolgen wollte. Sogar nachdem ich mich der Gruppe angeschlossen hatte, war ich noch unsicher gewesen, was das betraf. Als ich nun zurückblickte, erkannte ich, dass nichts passiert war, was irgendwelche Befürchtungen gerechtfertigt hätte. Stattdessen schien alles in Butter zu sein. Ich fürchtete mich vor allem davor, nicht mehr wie früher die Kontrolle über meine eigene Karriere zu besitzen. Ich sorgte mich auch, dass wir nicht die bestmögliche Behandlung erfuhren. Allerdings betrieb die Plattenfirma einen großen Aufwand für uns und investierte einiges in uns, vor allem als wir anfingen, Hits abzuliefern. Wir waren somit in der Lage, uns gut zu präsentieren, und wurden maximal in den Plattenläden platziert. Wir hätten gar nicht noch mehr Promo-Auftritte und TV-Gigs absolvieren können. Ich freute mich sehr darüber, da ich das Gefühl hatte, ich würde mich jener Ebene nähern, die ich als Künstlerin erreichen wollte und von der aus ich so vielen Leuten wie möglich zeigen konnte, wozu ich in der Lage war. Natürlich mussten unterwegs ein paar Streitereien ausgefochten und Forderungen ausgesprochen werden. Darum kümmerte ich mich in der Regel, da ich schon Erfahrung als Solokünstlerin vorzuweisen hatte. Manchmal ging es dabei um Finanzielles, um die Gagen, die wir auf Tour erhielten. Doch im Allgemeinen unterhielt ich mich mit den Leuten von den Plattenfirmen über Fragen bezüglich unseres Komforts und Wohlbefindens. Auch wenn es manchmal wie ein einziger langer Kampf anmuten mochte, bekamen wir üblicherweise, was wir wollten. Die Plattenfirma wusste zwar, was sie zu tun hatte, leistete dem aber mitunter erst auf hartnäckiges Zurufen hin Folge. Auch begegneten die Leute vom Label uns anfangs ziemlich misstrauisch, da Frank sich stets zwischen sie und uns gestellt hatte, weshalb sie gar nicht so recht wussten, um wen es sich bei Boney M. eigentlich handelte. Tatsächlich waren sie sich nicht einmal sicher, ob sie es bei uns mit echten Sängern zu tun hatten. Frank begleitete uns nur selten auf Tour, weshalb wir während der Promo-Veranstaltungen rund um die ersten paar Veröffentlichungen das Gefühl hatten, sie würden uns erst einmal abtasten.

      Unterm Strich erhielten wir, was wir wollten, weil letzten Endes ja wir selbst dafür aufkamen. Was immer sie einem zu Beginn auch bezahlen, holen sie sich bei den Tantiemen, die einem zustehen, wieder zurück. Sobald sie sich sicher sind, dass ein Act erfolgreich genug sein wird, um die Ausgaben zurückzuzahlen, macht es ihnen nichts aus, für alles aufzukommen. Allerdings ist es im Plattenbusiness gang und gäbe, dass Künstlertantiemen verschludert werden und die Buchhaltung dabei stets die Plattenfirmen bevorzugt. Man muss auf sich selbst achtgeben, wenn man es mit Leuten zu tun hat, die einem Geld ausgelegt haben, da für sie nur zählt, dass sie ihre Investitionen zurückbekommen – und zwar so schnell wie möglich.

      Deshalb dachten wir uns, wir könnten gleich so viel wie möglich von ihnen vorab verlangen.

      So läuft das eben im Showbusiness. Da es sich hier um ein Geschäft handelt, wollen alle Kapital daraus schlagen. Bis zum letzten Tropfen. Was man als Mensch braucht, oder wohin man sich in seiner Karriere entwickeln will, ist für sie stets von zweitrangiger Bedeutung – außer es hilft ihnen dabei, ihre eigenen Ziele zu verfolgen.

      Sollte irgendjemand die Zahlen aus den frühen Tagen von Boney M. durchstöbern, käme sicherlich dabei heraus, dass wir nicht gerecht bezahlt wurden. Aber so einfach war das auch wieder nicht. Natürlich machte ich mir Gedanken darüber, ob ich auch bezahlt würde, aber ich bekam alles, was ich wollte und brauchte. Mein Name wurde bekannt und bis heute habe ich Fans auf der ganzen Welt. Später rückte der finanzielle Aspekt mehr in den Mittelpunkt, doch zu Beginn glich sich alles aus.

      Am wichtigsten aber war, dass ich keineswegs meine Individualität zugunsten von Boney M. geopfert hatte, als ich nach der Veröffentlichung von Love for Sale Bilanz zog. Das lag zu einem Großteil daran, dass wir alle bereits gestandene Persönlichkeiten waren, als wir zur Gruppe stießen. Wir verfügten über genug Selbstsicherheit, um uns nicht völlig in der Identität der Gruppe zu verlieren. Ich persönlich fühlte mich sicher und selbstbewusst, weil ich den Respekt erhielt, den ich mir verdient hatte. Je näher uns die Fans kennenlernten, desto besser wussten sie, was sie an uns hatten.

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      Das Wichtigste, an das ich mich in dieser Frühphase gewöhnen musste, war, dass der Erfolg von Boney M. zu 100 Prozent auf Teamwork basierte. Der einzige Grund, warum die Gruppe überhaupt so erfolgreich hatte werden können, bestand darin, dass wir alle eine Rolle dabei spielten. Obwohl die Presse es oft aufbauschen wollte, dass nicht alle sangen, hatte das eigentlich keine große Bedeutung, weil die Öffentlichkeit keinen Bedarf darin sah, diese Angelegenheit übermäßig zu analysieren. Liz und ich sangen. Maizie nicht. Bobby tanzte. So funktionierten Boney M. augenscheinlich und die Leute liebten uns. In den Augen unserer Fans ging es schlicht und ergreifend um die Gruppe an sich, die zu jedem Zeitpunkt größer als die Summe ihrer Einzelteile war. Obwohl ich alles damals sehr genoss, hatte es seine Zeit gebraucht, mich an diese Gruppenmentalität zu gewöhnen, weil ich zuvor immer eigenständig agiert hatte, eigentlich seit meiner Kindheit und dann natürlich auch als Solokünstlerin. In der Tat begriff ich mich anfangs mehr als Soloperformerin innerhalb eines Gruppengefüges. Doch schon bald gewöhnte ich mich an alles und akzeptierte die damit verbundenen Opfer – auch wenn ich dafür manchmal stillhalten musste, was mir sehr schwerfiel.

      Diese Denkweise brachte mit sich, dass die frühen Boney M. sogar noch weiter von der Außenwelt abgeschottet wurden, da die Gruppe für uns an erster Stelle stand und uns das sowohl mental als auch physisch isolierte. Die von mir bereits angesprochene Boney-M-Blase war also eine sehr reale Angelegenheit. Anfangs war das wohl zu meinem Besten, da Boney M. für mich eine absolut unvergleichliche Sachlage repräsentierte: Ich fand mich mit drei völlig Fremden in derselben Situation wieder, in der wir praktisch jeden Tag 24 Stunden auf sehr engem Raum verbrachten. Außerdem gingen wir noch so gut wie jeden Abend als Einheit auf die Bühne. Ohne irgendeine Verbindung zueinander, hätten wir auf der Bühne wohl


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