Immer weiter. Lloyd Bradley
in der Gruppe. Kurz, bevor das Album veröffentlicht wurde, wandte sie sich an mich und fragte mit breitem jamaikanischen Akzent: „Glaubst du, dass das was wird?“ Alles, was ich darauf sagen konnte (in ebenso breitem Jamaikanisch natürlich), war: „Keine Ahnung! Das müssen wir einfach mal abwarten!“
Die Single „Daddy Cool“ startete nicht sofort durch, aber wir präsentierten den Song fleißig auf unserer DDU-Tour, die eine gute Werbung für einen neuen Act wie Boney M. war. Allerdings war die Sache auch ganz schön mühselig, da wir nur wenig Geld damit verdienten. Die 400 Mark pro Show konnten nicht annähernd mit dem mithalten, was ich solo verdient hatte. Aber es war auch nicht so, dass ich draufzahlen musste, da ich auf Tour sehr sparsam mit meinem Geld umging. Für dieses erste Album hatte ich mich voll und ganz diesem Projekt verschrieben. Auch wollte ich mir stets einen nüchternen Blick auf alles bewahren, da ich nicht vergessen hatte, was echte schwere Arbeit war. Da wohnte man nicht im Hotel, wurde durch die Gegend kutschiert und stand auf der Bühne, um zu singen. Vielmehr musste man richtig schuften. Auch wenn ich erschöpft nach London zurückkehrte, vergaß ich nie, wie privilegiert ich eigentlich war.
Wir gingen auf Tour und absolvierten ein paar Auftritte in Clubs oder im Fernsehen, wenn die Plattenfirma etwas für uns organisieren konnte. Sobald Frank anrief, um uns mitzuteilen, dass er einen neuen Titel für uns hätte, unterbrachen wir die Tour, woraufhin Liz und ich zurück ins Studio pilgerten. Unsere Parts waren im Mai 1976 im Kasten, das Album kam im Juni darauf heraus und unsere Mühen zahlten sich langsam aus. So wurden wir in den Musikladen eingeladen, damals die größte Pop-Show im deutschen Fernsehen. Dort lieferten wir unsere bis dahin beste Show ab. Wir legten uns richtig ins Zeug und plötzlich war „Daddy Cool“ praktisch überall in Europa ein Hit. Es war fast so, als ob uns die Leute gesehen und gedacht hätten: „Moment mal, ist das nicht die Gruppe, die überall auftritt? Die sind eigentlich ganz gut, oder?“
Im Deutschland stürmte „Daddy Cool“ sofort an die Spitze der Charts. Als nächstes kletterte die Single in Frankreich, Österreich, Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden und der Schweiz auf den ersten Platz der Hitparade. Sogar in Großbritannien schafften wir es in die Top Ten, obwohl das britische Publikum erst sehr spät auf den Geschmack zu kommen schien. Ab diesem Zeitpunkt schien alles einen Gang zuzulegen. Plötzlich wollten alle Boney M. Wir traten überall in Europa in Fernsehsendungen auf, gaben Interviews, posierten für Fotos und erschienen auf den Titelblättern von Magazinen. Wenn wir einen Laden oder ein Restaurant betraten und es lief „Daddy Cool“ im Radio, sahen wir uns an und mussten lachen: Das waren ja wir! Für Liz und mich bedeutete es sogar noch mehr, da wir wussten, dass die Leute uns singen hörten und liebten, was wir dazu beigesteuert hatten. Wir wurden auf der Straße angequatscht, vor allem in Deutschland, wo es zu Menschenaufläufen kam, sobald wir vor die Tür gingen.
Ganz egal, was jemand sagt, warum es ihn ins Popgeschäft verschlagen hat und was er dort erreichen will, hier ging es tatsächlich nur um einen Nummer-eins-Hit. Was bedeutet, dass das, was du abgeliefert hast, von den Leuten, für die es gemacht wurde, auch geschätzt wird. Natürlich kann man es sich dann nicht erlauben, sich die Sache zu Kopf steigen zu lassen und zu glauben, dass man etwas ganz Besonderes sei. Schließlich ist man von sehr vielen Faktoren abhängig, wenn man einen Hit zu landen versucht. Aber so wie in jedem anderen Beruf auch, hört man gerne, dass man gute Arbeit geleistet habe – und ein Nummer-eins-Hit bedeutet, dass du zumindest eine Woche lang besser bist als alle anderen. Wir waren jedenfalls aufgeregt wie kleine Kinder an Weihnachten und obwohl Boney M. noch etliche Nummer-eins-Hits haben sollten, hatte keine Platte mehr denselben Effekt für mich wie „Daddy Cool“.
Unsere Aufgaben und die Anzahl der Orte, die wir besuchen mussten, nahmen enorm zu. Obwohl sich unsere Touren fortan deutlich komfortabler gestalteten, war der Aufwand für uns immer noch sehr groß. Unsere zweite Single „Sunny“ erschien später im selben Jahr. Als der Rummel rund um „Daddy Cool“ langsam zum Erliegen kam, wurden wir überall hingeschickt, um die nächste Single zu promoten. Gleichzeitig hatte sich auch das Album Take the Heat off Me in mehreren Ländern zum Hit gemausert und sich in ein paar von ihnen sogar an die Spitze der Hitparade gesetzt. Also wünschte sich die Plattenfirma, dass wir einen Nachfolger lieferten, solange wir noch richtig angesagt waren. Natürlich ließ sich Frank nicht lumpen. Noch bevor der September vorüber war und die Werbetrommel für „Sunny“ kräftig gerührt wurde, wurden Liz und ich nach Offenbach bestellt, um mit den Aufnahmen zum Album Love for Sale zu beginnen. Der erste Titel, an dem wir arbeiteten, war „Ma Baker“.
Das war eine zusätzliche Belastung für uns, da uns somit jene Freizeit verwehrt wurde, die Bobby und Maizie in Anspruch nehmen konnten. Aber was hätten wir, bitteschön, sagen sollen? „Sorry, Mister Farian, aber ich würde lieber Urlaub machen, statt den Job auszuüben, von dem ich fast mein ganzes Leben lang geträumt habe und der mir nun die Chance bietet, erfolgreich zu sein“? Hier ging es nicht nur darum, sich auf die Situation einzustellen, nein, vielmehr genoss ich alles, was geschah.
An einem neuen Album zu basteln, während wir noch die aktuelle Scheibe bewarben, war unsere übliche Vorgehensweise, solange wir mit Frank als unserem Produzenten arbeiteten. So riss die kontinuierliche Versorgung mit Singles nie ab und wir liefen nie Gefahr, dass uns das Publikum vergaß und jemand anderen favorisierte. Alle Gruppen aus dem Pop-Segment des Markts verfolgten diesen Ansatz. Frank begleitete uns nur sehr selten auf unseren Touren. Er kam nur zu den größten Konzerten und wichtigsten Fernsehshows. Er blieb lieber im Studio, um an den nächsten Tracks zu feilen, und da wir damals noch zu Musik vom Band auftraten, standen Musiker für die Sessions zur Verfügung.
Mir war es egal, auf welchem Album die Songs, die wir sangen, schließlich erschienen, solange sie so viele Leute wie möglich zu hören bekamen und sich an ihnen erfreuen konnten. Im Studio riefen wir immer unsere besten Leistungen ab. Frank und die Plattenfirma erledigten dann den Rest.
Aber unsere Musik auf diese Weise aufzunehmen, bedeutete auch, dass es schwieriger wurde, einen Überblick darüber zu bewahren, wie die Gruppe gerade ankam, da Liz und ich unser Augenmerk eher auf die Zukunft als auf die Gegenwart richteten. Wenn ein Song veröffentlicht wurde und wir ihn bewerben mussten, war er zwar noch völlig neu für Bobby und Maizie, doch wir hatten schon vor einer gefühlten Ewigkeit die Arbeit daran abgeschlossen und inzwischen schon ein paar weitere Songs produziert. Da wir also sehr vertraut mit diesen Nummern waren, waren sie im Gegensatz zu den anderen beiden Mitgliedern der Gruppe für uns nichts Neues oder Aufregendes mehr. Der Song, der jeweils am frischsten in unseren Köpfen verankert war, war jener, an dem wir zuletzt gearbeitet hatten. All dies lief praktisch simultan zu den abendlichen Auftritten in den DDU-Clubs ab. An einem Morgen waren wir hier und am Nachmittag schon wieder ganz woanders. Und am nächsten Morgen ging das Ganze wieder von vorne los. Es war auch nicht viel besser, wenn wir in Offenbach arbeiteten. Wir pendelten zwischen Studio und Hotel hin und her, wobei wir immer noch nicht ganz registrierten, wie sehr sich Boney M. auf unseren Alltag auswirkte.
Liz und ich lebten in einer Boney-M.-Blase, was Frank wohl ganz gut passte. Die Gruppe verkörperte praktisch alles, was er sich immer gewünscht hatte: eine geschlossene Einheit, bei der er die Fäden in der Hand hielt, während wir von ihm abhängig waren und uns in der Welt zurechtfinden mussten. Von Anfang an war er das Bindeglied zwischen uns und der Plattenfirma. Wir hatten einen Deal mit ihm, und er lieferte der Plattenfirma Boney M. als fertiges Produkt – Songs, die veröffentlicht werden konnten, und Leute, die sie im Fernsehen performten. Es war egal, wer sich hinter dem Namen verbarg und wer tatsächlich eine Rolle spielte. Das war keineswegs außergewöhnlich. In Europa, und besonders in Deutschland, gab es einen Trend hin zu Pop/Disco-Acts, die eigentlich nicht wirklich existierten. Moderne Technik erlaubte es, dass Musik von Produzenten oder anonymen Session-Musikern eingespielt wurde und bezahlte Sänger dazu ihren Gesang beisteuerten. Falls nötig wurde jemand engagiert, der den Song im Fernsehen performte. Manchmal waren das sogar unterschiedliche Leute in den jeweiligen Shows. Das hing ganz von deren Verfügbarkeit ab.
Frank hätte sicherlich nichts dagegen gehabt, für jeden Song neue Session-Sänger zu engagieren. Es sagt eine Menge aus, dass er uns auf der Plattenhülle von Take the Heat off Me nicht als Sängerinnen aufführte. Dort