Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola. Ute Jäckle

Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola - Ute Jäckle


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um den kleinen Finger wickeln lassen. Sie war ein sehr hilfsbereiter Mensch. Manchmal fast schon zu selbstlos. Leider dachte sie nicht immer nach, bevor sie den Mund aufmachte. Genau wie damals, als sie Nick von meiner Schwärmerei für ihn berichtet hatte. Aber sie hatte sich hinterher tausendmal bei mir entschuldigt und mir geschworen, in Zukunft dichtzuhalten, wenn ich ihr was erzählen würde. Was sie seither auch tatsächlich machte.

      Marga lehnte sich zurück. »Klar, hat er schon bei einem Haufen Untersuchungen dabei sein dürfen, die für uns noch nicht drin waren«, gab sie mir nun doch recht. Immerhin etwas. »Aber Nick hat es echt drauf. Er jobbte nach dem Abitur ein ganzes Jahr in einem Pflegeheim für Schwerbehinderte. Ich glaube, da hat er mehr Erfahrungen gesammelt, als wir uns in den paar Wochen hier aneignen können. Die Lehmann weiß das und ist bestimmt deswegen darauf bedacht, dass er auch was aus seinem Praktikum herausholen kann.«

      Oh. Das war mir neu. Woher wusste Marga so gut über ihn Bescheid? »Ich hatte keine Ahnung«, gab ich kleinlaut zu.

      »Vorhin hat sich Nick für uns eingesetzt und die Lehmann so lang bequatscht, bis auch wir bei der Visite dabei sein durften. Ist doch total nett von ihm.«

      Klar, war das nett von ihm. Aber musste ich das etwa zugeben? Erstaunt gestand ich mir ein, dass ich wahrhaftig so gut wie nichts über Nick wusste. Ob ich am Ende mit meiner Abneigung ein wenig über die Stränge schlug? Schaden konnte es bestimmt nicht, ein bisschen freundlicher zu Nick zu sein. Vielleicht ließ er mich dann endlich in Ruhe. Außerdem hatte ich es ihm zu verdanken, dass ich heute bei der Visite dabei sein durfte, anstatt Bettpfannen zu leeren und Medikamente zu verteilen.

      Scheppernd stellte ich das letzte leere Frühstückstablett zurück in den Geschirrwagen. Wie ein Sturmtief war ich heute durch die Zimmer gefegt. In zehn Minuten begann die Visite, die ich auf keinen Fall verpassen wollte.

      Plötzlich tauchte Nick neben mir auf, der die Medikamente ausgeteilt hatte. »Na, alles klar?« Er lehnte sich an die Wand, einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand und trank einen Schluck durch die Öffnung im weißen Deckel.

      Ich streifte ihn mit einem Seitenblick. Er stand lässig und cool neben mir. Wie es aussah, hatte er sich heute Morgen nicht rasiert, Bartstoppeln umrahmten sein kantiges Kinn. Warum fiel mir das überhaupt auf? »Geht schon. Und selbst?« Das war wohl die lahmste Antwort, die ich seit Langem über die Lippen gebracht hatte, aber zumindest war ich freundlich gewesen und hatte obendrein Interesse an ihm vorgetäuscht.

      »Bestens. Ich habe gestern eine Proberunde mit der Ducati gedreht, der absolute Hammer.« Seine Mundwinkel hoben sich.

      Dieser Mistkerl! Er hörte mit dieser blöden Wette einfach nicht auf. In mir brodelte es hoch und ich musste mich beherrschen, ihm nicht eine gesalzene Antwort an den Kopf zu pfeffern. Rache servierte man am besten kalt und dann würde es mir noch größere Genugtuung bereiten, ihn scheitern zu sehen. Ich sah ihm direkt in die Augen, ging auf volle Konfrontation. »Gewöhn dich besser nicht daran, du wirst auch zukünftig nur hinten drauf mitfahren.«

      Er zwinkerte mir zu. »Wenn du fährst, setze ich mich jederzeit hinter dich.«

      »Ich bin nicht gern meine eigene Knautschzone, deshalb fahre ich nicht Motorrad. Und schon gar nicht mit dir.« Nick stieß sich von der Wand ab. »Schade, stelle ich mir gerade so schön vor.« Übertrieben umarmte er sich selbst. »Ich schmiege mich an deinen Rücken, schlinge die Arme um deinen schlanken, weichen Bauch, während du Gas gibst. Du würdest es lieben, Muffelchen.«

      »Nenn mich nicht immer Muffelchen«, fauchte ich zwischen zusammengepressten Zähnen.

      Unmöglich. Ich konnte einfach nicht freundlich zu ihm sein, wir beide waren schlichtweg nicht kompatibel. Nick raubte mir den letzten Nerv. Zu meiner Erleichterung fiel mir ein, dass ich dringend noch was erledigen musste. Am besten noch vor der Visite, sonst wäre Doktor Lehmann nachher sicher not amused. »Ich muss noch Frau Hausers Verband entfernen«, gab ich das Stichwort, der anregenden Unterhaltung ein Ende zu bereiten.

      Nick wurde ernst. »Eitert das Knie etwa immer noch?«

      »Ja, es wird nicht besser, die Wunde schließt sich nicht und das Antibiotikum schlägt nicht an.«

      »Ich sehe mir das mal an.« Ohne meine Reaktion abzuwarten, setzte er sich zielstrebig in Bewegung.

      Eine Sekunde der Verblüffung später eilte ich ihm nach. »Hey, das ist meine Patientin.«

      »Ich will ja nur mal einen Blick darauf werfen.«

      »Na gut«, grummelte ich. Einerseits war ich von Nicks Engagement überhaupt nicht begeistert, andererseits fühlte ich mich als Newbie hier im Krankenhaus immer so hilflos, wenn ich Patienten leiden sah, und ihnen nicht wirklich helfen konnte. Da war Beistand nicht das Schlechteste.

      Ich schob den Verbandswagen in das Zimmer mit der Nummer vier. Frau Hauser lag mit schmerzverzerrter Miene in ihrem Bett und wandte langsam den Kopf, als sie uns hörte. Ihr kurzes graues Haar stand ungekämmt nach allen Seiten ab. Aber der Hauch eines Lächelns zeigte sich auf ihrem Gesicht.

      »Guten Morgen, Frau Hauser«, sagte Nick. Seine Stimme hatte sich verändert, sie klang freundlich und mitfühlend. »Wie geht es Ihnen heute?«

      »Nick«, sagte sie erfreut, »wenn ich gewusst hätte, dass Sie mich besuchen kommen, hätte ich mir mehr Mühe mit meinem Aussehen gegeben.« Verschmitzt grinsend, deutete sie auf ihr quietschgelbes Nachthemd mit aufgedruckten rosa Rosen.

      »Hallo, Aida, Liebes«, grüßte sie auch mich mit warmer Stimme.

      »Guten Morgen, Frau Hauser«, erwiderte ich und ging ans Bett. »Ich wechsle jetzt den Verband.«

      »Ist gut.« Die Ärmste klang zerknirscht.

      »Frau Hauser«, sagte Nick lächelnd. »Ich stehe total auf Blumen. Bringt ein bisschen Farbe ins Zimmer und Sie sehen toll in Gelb aus.«

      »Meine Schwiegertochter hat es mitgebracht. Sie wusste, dass ich mich nicht rühren kann und mir deshalb nichts anderes übrig bleibt, als es zu tragen.«

      »Ist das dieselbe Schwiegertochter, die hinter Ihrem Rücken die Münzsammlung Ihres verstorbenen Mannes verkauft hat?«, fragte Nick, während ich den Verband abwickelte.

      Sie nickte. »Genau die, dieses hinterhältige Frauenzimmer. Wer weiß, was sie jetzt gerade bei mir zu Hause anstellt.«

      Nick beugte sich etwas zu ihr. »Ganz im Gegensatz zu Ihnen zaubert Ihre Schwiegertochter einem Mann kein Lächeln ins Gesicht.«

      Frau Hauser gluckste und sah gleich viel besser aus. »Schade, dass ich nicht fünfzig Jahre jünger bin. Ich glaube, ich hätte Ihnen gefallen, Nick. Solche Männer wie Sie gab es früher nicht, zumindest nicht in dem Ort, in dem ich gelebt habe. Sie hätten mal meinen Karl-Heinz sehen sollen, wo ich damals meine Augen hatte, weiß ich heute auch nicht mehr.« Sie ächzte leise und schmerzerfüllt auf, fing sich aber gleich wieder und lächelte tapfer.

      »Ich weiß. Sie haben mir Ihr Hochzeitsbild gezeigt, Frau Hauser.« Er legte seine Hand auf ihre. »Sie waren ein heißer Feger, da hätte ich bestimmt nicht Nein gesagt.«

      Frau Hausers Lachen klang geschmeichelt und ich fasste es nicht, dass sogar Frauen über siebzig ungeniert mit ihm flirteten. Zutiefst verstört, ließ ich die abgerollte Bandage im Müllbeutel am Verbandswagen verschwinden und hob vorsichtig die Kompresse an. Sie klebte an der Wunde fest, weshalb Frau Hauser ein jaulender Schrei entfuhr. Sofort hielt ich inne. Ich wollte der Patientin nicht noch größere Schmerzen zufügen und hatte Angst, die Verletzung zu verschlimmern. Nick musste meine Unsicherheit bemerket haben, denn er beobachtete jeden meiner Handgriffe. Verdammt, ausgerechnet vor ihm musste ich mich so dämlich anstellen.

      »Wenn du ein wenig davon nimmst«, er deutete auf die Plastikflasche mit der Ringerlösung, die auch als subkutane Infusion genommen wurde, wenn Patienten zu wenig tranken, »und etwas zwischen Kompresse und Wunde träufelst, lässt sie sich ganz leicht ablösen.« Er nickte mir aufmunternd zu. »Probier es mal.«

      Nach einem Moment des Zögerns nahm ich die Flasche und folgte Nicks Anweisungen. Die Zeit rannte uns davon,


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