Hypnodrama in der Praxis. Ruth Metten

Hypnodrama in der Praxis - Ruth Metten


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er, es auch in Hypnose durchzuführen. Das war die Geburtsstunde des Hypnodrama s. Noch heute werden dabei Wirkprinzipien angewandt, die Aristoteles bereits in seiner Poetik beschrieben hat (vgl. Dietz 1996) – mit Erfolg.

      Nun ließe sich einwenden, dass das Hypnodrama nur für Psychotherapeuten interessant sein dürfte, die zugleich auch Psychodramatiker und Hypnotherapeut en sind. Zweifellos stellt eine solche kombinierte fachliche Qualifikation die günstigste Ausgangslage zur Anwendung hypnodramatischer Technik en dar. Doch diese können tatsächlich ebenso in anderen Bereichen, beispielsweise bei Beratungs-, (Weiter-)Bildungs- und Trainingsangeboten, Supervisionen, Coachings, in der Personal- bzw. Organisationsentwicklung und Seelsorge genutzt werden. So gesehen mag es für jeden, dem Reden allein nicht reicht, gewinnbringend sein, dieses Buch zu lesen.

      Sein Inhalt ist nicht vollständig neu. Wesentliche Teile wurden aus der inzwischen nicht mehr verlegten Vorgängerversion dieses Buches übernommen, die 2016 unter dem Titel Bühne des Lebens erschien. Sie wurde dahingehend überarbeitet, dass sich jetzt der Mittelteil mit den antiken Wurzeln des Hypnodramas befasst. Jener wird eingerahmt von zwei weiteren Kapiteln, die zum einen den konzeptuellen Hintergrund dieser Behandlungsmethode beleuchten und zum anderen Einblicke in ihre Praxis geben. Etwas salopp ausgedrückt, ließe sich also sagen, dass das vorliegende Buch nacheinander drei Fragen zum Hypnodrama beantwortet: »Was ist es?«, »Woher stammt es?« und »Wie wird’s gemacht?«. All jene, die die »biografische Kehre« des Hypnodramas nicht bis in die Antike nachvollziehen wollen, können das zweite Kapitel überspringen, ohne den roten Faden des Buches zu verlieren.

      An dieser Stelle sei mir noch erlaubt, den Mitarbeitern des Carl-Auer Verlages – im Besonderem seinem Geschäftsführer Matthias Ohler und den Lektoren Dr. Ralf Holtzmann und Nora Wilmsmann – von Herzen zu danken, die sich dafür begeistern konnten, die Vorgängerversion dieses Buches in überarbeiteter und erweiterter Fassung neu aufzulegen, und die deren Fertigstellung mit hilfreichen Ideen und Anmerkungen tatkräftig unterstützten. Mein besonderer Dank gilt ebenfalls Veronika Licher, die dem Manuskript den letzten Schliff gegeben hat. Ria Schneider unterstützte mich durch nützliche Rückmeldungen. Zutiefst dankbar bin ich auch den vielen Klienten, die diesem Buch Seele eingehaucht haben, indem sie sich damit einverstanden erklärten, dass darin ihre Erfahrungen mit dem Hypnodrama – selbstverständlich unter anderen Namen – beschrieben werden.

      Und nun viel Freude beim Lesen! Mögen hilfreiche Anregungen für die eigene Arbeit darin zu finden sein.

       Ruth Metten Krefeld, im Januar 2021

      1Zitiert nach Pörtner (1972, S. 128).

      2Um die Lesbarkeit zu erleichtern, wird nachfolgend durchgehend nur die männliche Form verwendet, die hier allerdings die weibliche Form ausdrücklich miteinschließen soll.

      3»… intellectual insight alone is not sufficient …« (»… verstandesmäßige Einsicht allein reicht nicht aus …«) (Alexander a. French 1946, p. 67; Übers.: R. M.).

      4Mit ihrem in der Psychoanalyse lange Zeit umstrittenen Konzept der korrigierenden emotionalen Erfahrung beziehen sich Alexander und French auf die Arbeiten von Sándor Ferenczi und Otto Rank (1925); s. a. Rank u. Ferenczi (1924).

       1Dem Hypnodrama auf der Spur

       »Das Psychodrama ist ›Lebenspraxis‹.«

      Jacob Levy Moreno5

      Am Anfang war das Spiel – genauer gesagt das Kinderspiel. Aus ihm entwickelte Jacob Levy Moreno das Psychodrama (vgl. Moreno 1950, p. 1) und knapp zwei Jahrzehnte später das Hypnodrama. Im Spiel wird weniger über etwas geredet, als vielmehr gehandelt. Dass dies durchaus therapeutische Effekte haben kann, entdeckte Moreno bereits als Medizinstudent bei seinem Spiel mit Kindergruppen in den Parkanlagen Wiens. Vielleicht war er deshalb so vom Spiel fasziniert, weil ihm das Leben bis dahin etliche Steine in den Weg gelegt hatte. 1889 als Sohn jüdischer Eltern in Bukarest geboren, musste seine Familie bereits wenige Jahre später von dort auswandern. Sie zog mit ihm nach Wien, 1899 dann nach Deutschland. Moreno kehrte 13-jährig allein nach Wien zurück. Dort schlug er sich als Hauslehrer für Kinder wohlhabender Eltern durch (vgl. Buer 1989, S. 13). Parallel besuchte er die jüdische Schule, studierte nach ihrem Abschluss zunächst Philosophie, dann Medizin. Sein Studium der Medizin schloss er 1917 ab. Noch während seiner Studienzeit begann er, Kindergruppen zu formen und mit ihnen in den Gärten und Parkanlagen Wiens aus dem Stegreif zu spielen (vgl. Moreno 1988, S. 10). Schon damals wäre ihm aufgefallen, so Moreno in dem 1950 gemeinsam mit James Mills Enneis veröffentlichten kleinen Band Hypnodrama and Psychodrama, dass solche Spiele einen heilsam en Effekt hätten – eine Katharsis bewirkten (vgl. Moreno 1950, p. 1). Das Wort Katharsis wird uns in diesem Buch noch häufiger begegnen. Sie gilt als zentrales Wirkprinzip des klassischen Psychodramas und damit auch des Hypnodramas – der Synthese aus Psychodrama und Hypnose.6 Was hat Moreno unter ihr verstanden?

       1.1Die Katharsis als Wirkprinzip des klassischen Psychodramas

      Reifungsprozesse vollziehen sich meist nicht in einem einzigen Schritt. Entsprechend kam auch das Psychodrama erst allmählich zu seiner Blüte. Bildeten die Spiele mit den Kindergruppen in den Parkanlagen Wiens die Saat, sollte es noch eine Weile dauern, bis sie gänzlich aufging. Denn zunächst hatte Moreno etwas anderes im Sinn, als vorrangig zu therapieren.

      1921 eröffnete er ein privates Stegreiftheater in einer angemieteten Wohnung im obersten Stockwerk des Hauses Maysedergasse Nr. 2 im 1. Wiener Gemeindebezirk.7 Damit knüpfte er fürs Erste an eine damals in Wien schon lange bestehende Tradition an (vgl. Fangauf 1989, S. 98). Laut Duden leitet sich »Stegreif« von dem althochdeutschen Wort für Steigbügel ab. »Aus dem Stegreif zu sprechen« bedeutete ursprünglich, das Wort an jemand anderen zu richten, ohne vom Pferd zu steigen. Boten machten dies zuweilen so, wenn sie Nachrichten überbrachten. Traf diese nämlich auf den Unmut der Empfänger, musste man nicht erst wieder aufsitzen, um sich aus dem Staub machen zu können. Seit dem 17. Jahrhundert wird der Ausdruck im übertragenen Sinne dafür verwendet, wenn ohne Vorbereitung oder längeres Nachdenken – quasi aus dem Stand – geredet wird. Entsprechend gibt es im Stegreiftheater auch keine genau vorgegebenen Rollen, sondern die Schauspieler improvisieren das Geschehen auf der Bühne weitgehend frei. Mit der Eröffnung eines eigenen Stegreiftheaters versuchte Moreno, es wieder in seine ursprüngliche Form zu überführen (vgl. Fangauf 1989, S. 98). Denn dieses hatte im Laufe der Zeit, wie den Ausführungen der Ärztin und Psychodramatikerin Ulrike Fangauf in ihrem 1989 veröffentlichten Buchbeitrag Moreno und das Theater zu entnehmen ist, mehr und mehr an Spontaneität verloren (vgl. Fangauf 1989, S. 97 f.). Das zu ändern, war Moreno seinerzeit offenbar ein Anliegen. Mit der Ausschaltung des geschriebenen Stücks habe er sich, so Fangauf weiter, abermals auf der Grundlage der frühen Stegreifspiele befunden (vgl. Fangauf 1989, S. 98). Aber Moreno wäre nie und nimmer Moreno gewesen, hätte er nur zu einer alten Form zurückfinden wollen, ohne diese radikal weiterzuentwickeln. Nichts Geringeres als die Revolution des Theaters strebte er damals an (vgl. Moreno 1924, S. XIV; vgl. Moreno 1947, pp. 4–7, 51). Jeder – Schauspieler wie Zuschauer – sollte in seinem Stegreiftheater mitspielen, darin Akteur sein können (vgl. Moreno 1947, p. 84).

      Moreno war mit dem hehren Vorsatz angetreten, das Stegreiftheater zu revolutionieren. Im Laufe der Zeit musste er allerdings feststellen, dass die Spontaneität und Kreativität der Teilnehmer nicht ausreichte, um eine ästhetisch befriedigende Vorstellung zu geben (vgl. Pörtner 1972, S. 119; vgl. Buer 1989, S. 16; vgl. Fangauf 1989, S. 104). Wie sehr Moreno sich auch bemühte, er konnte das Problem einfach nicht lösen, die ästhetische Qualität seines Stegreifspiels auf ein Niveau zu bringen, das die Anforderungen erfüllte, die an ein Kunstwerk üblicherweise gestellt werden (vgl. Fangauf 1989, S. 104). Doch, wie sagt schon Don Quixote in dem spanischen Roman von Miguel de Cervantes Saavedra? »Wo sich eine Tür schließt, geht eine andere auf.« (vgl. de Cervantes Saavedra 1867, S. 214). Eine Erfahrung, die auch Moreno machte. Denn in seinem Stegreiftheater sei ihm wieder klar geworden, welche therapeutischen


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