Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden. Max R. Liebhart

Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden - Max R. Liebhart


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der Serenissima Signoria, des Staatsrates, der sich aus dem Dogen selbst, sechs Ministern (den Savi – weise Ratgeber mit verschiedenen Aufgabenbereichen), den höchsten Richtern und dem Großkanzler (dem cancelliere grande, der die Staatskanzlei leitete) zusammensetzte. Die Versammlung dieser Männer muss auf den Eintretenden großen Eindruck gemacht haben, zumal die noch heute herrschende Pracht durch Verkleidungen der Rückenlehnen mit kostbaren Teppichen zusätzlich verstärkt war. Die Ausstattung des Saales ist ausgewogen und edel bis ins kleinste Detail. Ein reich geschnitzter und vergoldeter Soffitto überspannt den Raum. In diesen soffitto sind elf Gemälde Veroneses mit allegorischen Darstellungen von Tugenden eingelassen, bei deren genauerer Betrachtung man erstaunt die Virtuosität erkennt, mit der der Maler seine Kompositionen in die zum Teil überaus schwierigen Bildformate eingepasst hat. In den drei Mittelbildern werden staatstragende Themen symbolisch dargestellt. So wird über dem Dogenthron mit Venetia zwischen Justitia und Pax das Sinnbild der Herrschaft Venedigs gezeigt, der Christliche Glaube im Mittelbild bildet das Fundament des Staates, Mars und Neptun symbolisieren schließlich im dritten Bild die Macht Venedigs zu Lande und zu Wasser. An der Wand hinter dem Dogenthron findet sich Veroneses Gemälde des Dogen Sebastiano Venier, des Siegers in der Seeschlacht von Lepanto. An der gegenüberliegenden Wand ist Tintorettos Darstellung des Dogen Andrea Gritti zu sehen, der vor der Madonna und Heiligen kniet. Die drei großen Dogen-Votivbilder an der Längsseite des Saales stammen überwiegend aus der Werkstatt Tintorettos.

      Durch eine Tür gegenüber der Fensterwand gelangt man in die unmittelbar angrenzende Sala del Senato. Wirkt das Collegio fast intim, so ist dieser Saal, der weit mehr Teilnehmern Platz bieten musste, nämlich den Mitgliedern des Collegios und den Senatoren und somit mehr als 300 Personen, sehr weitläufig, von hoher Feierlichkeit und einer solchen Versammlung von Männern, die in rote Roben gekleidet waren, würdig. Auch dieser Raum ist auf das Feinste ausgestattet, wobei der herrliche soffitto wohl der schönste des Palastes ist. In den Gemälden der Decke lässt sich Venedig – wie im Collegio – selbst darstellen. Das Mittelbild stammt von Tintoretto und seinem Sohn Domenico. Wiederum bedecken Dogen-Votivbilder die Wände.

      Der weitere Weg führt erneut durch die Sala delle Quattro Porte, von der über einen L-förmigen Gang die Sala del Consiglio dei Dieci erreicht wird. Über diesen Rat der Zehn, aus heutiger Sicht eine Art Verfassungsschutz und -gericht, existieren viele und oft genug gruselige Geschichten, was dessen Amtsführung, Willkür und Geheimniskrämerei betrifft – Geschichten, die zumeist nicht oder nur teilweise zutreffen. Im Raum fällt eine Rundung auf, die an die Apsis einer Basilika der römischen Kaiserzeit erinnert, vermutlich eine gewollte Allusion. Die sala mit ihrer Ausstattung aus dem Jahre 1553 hat den Brand des Jahres 1574 weitgehend unbeschadet überstanden. Durch die frühere Entstehungszeit ist ihr Stil deutlich strenger als in den vorangegangenen Sälen, was ohne weiteres am soffitto und an dessen einfachem Kassettensystem zu erkennen ist. Die ornamenierten Bilderrahmen fassen drei Gemälde Veroneses, der durch sie im Alter von 25 Jahren in Venedig berühmt wurde (und mit der Ausgestaltung der Kirche San Sebastiano einen Anschlussauftrag erhielt). Das Original des Mittelbildes Jupiter schleudert Blitze gegen die Laster wurde 1797 nach Paris verschleppt und befindet sich bis heute im Louvre. Das rechteckige Bild links Juno übermittelt Venezia die Dogenmütze, den Cornu Ducale, und ein kleines Oval mit der Darstellung eines alten Orientalen sind dagegen Originalwerke Veroneses. An den Wänden hängen drei Historienbilder: an der Stirnseite Anbetung der hl. Drei Könige von Antonio Vassilachi, genannt Aliense (ca. 1600), rechts segnet Papst Alexander III. den Dogen Sebastiano Ziani (von Leandro und Francesco Bassano 1592), links sind Venedigs Gesandte vor Papst Clemens VII. und Kaiser Karl V. in Bologna zu sehen (von Marco Vecellio 1604).

      Die folgende Sala della Bussola hat ihren Namen von dem dreiseitigen hölzernen Einbau in der rechten Ecke (bussola bedeutet u. a. Windfang und Drehtüre). Durch ihn betrat man das Beratungszimmer der drei monatlich wechselnden Vorsteher der Zehn, die Sala dei tre Capi, die nicht zugänglich ist. Die Sala della Bussola diente als Warteraum für die vom Consiglio dei Dieci (später von der Inquisition) Vorgeladenen. Den schönen Marmorkamin soll Sansovino entworfen haben. Im Weitergehen durchquert man die Sala d’Armi, in der eine reichhaltige Waffensammlung gezeigt wird.

      Die vorgegebene Führungslinie führt über die Scala dei Censori in den zweiten Stock und links der Mündung dieser Treppe in den breiten, fensterlosen Andito del Maggior Consiglio. An den schließt sich im rechten Winkel nach links der Liagò an, der durch zwei große Fenster einen freien Blick auf den molo bietet. Hier werden die Originale von Rizzos Adam und Eva vom Arco Foscari und der ebenfalls von dort stammende Schildknappe aufbewahrt. Rizzo, der von 1430 bis 1499 lebte und eigentlich Antonio Bregno hieß, war aus Verona gebürtig und einer der wenigen wirklich schöpferisch tätigen Bildhauer der Stadt. Die im Liagò gezeigten Figuren sind seine wichtigsten Werke. Schon zur Zeit ihrer Entstehung wurden sie in Gedichten gefeiert und müssen damals von den Venezianern als revolutionär empfunden worden sein. Albrecht Dürer hat sie gezeichnet und eingehend studiert. Obwohl sie Nischenstatuen sind, hat Rizzo sie als Freifiguren gearbeitet. Eva bedeckt ihre Blöße mit der Hand, eine Geste, die aus der Formensprache der Antike stammt. Adam, dessen Gestalt vom mittelalterlichen Typus des Johannes unter dem Kreuz abgeleitet ist, blickt nach oben (am ursprünglichen Platz war sein Blick hinauf zur Statue des hl. Markus auf der Spitze des Arco Foscari gerichtet). Während Eva weiche, fließende, fast üppige Formen zeigt, ist die Figur von Adam hart, kantig und scharf gegliedert. Die beiden Werke gehören dem sogenannten Übergangsstil zwischen Spätgotik und Renaissance an und werden vor 1471 datiert.

      Vom Vorraum zum großen Ratssaal geht die linke Tür zur Sala della Quarantia Civile Vecchia, in der sich früher die vierzig Richter des Zivilgerichtes versammelten. Der Saal birgt Gemälde des 17. Jahrhunderts. In der benachbarten Sala del Guariento finden sich die Reste des Monumentalgemäldes, das der Paduaner Maler Guariento in den Jahren 1365–67 für die östliche Wand des Großen Ratssaals geschaffen hat. Als es beim Palastbrand von 1577 stark beschädigt wurde, bekam Tintoretto den Auftrag, als Ersatz sein Paradies zu malen. Guarientos Wandgemälde blieb lange Zeit verdeckt, bis es 1903 abgelöst und wieder zugänglich gemacht wurde. Es zeigt eine für das Trecento typische figurenreiche Komposition mit der Krönung Mariens.

      Die nun folgende Sala del Maggior Consiglio betritt man von deren Stirnseite aus. Der „Große Rat“ war das oberste Regierungsorgan Venedigs, so dass dieser Saal eine besondere Bedeutung besaß. Hier versammelten sich die nobili, die als einzige stimmberechtigt waren, regelmäßig an den Sonntagvormittagen.

      Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Großen Rat war die Eintragung in das sogenannte „Goldene Buch“ der Stadt, ein Verzeichnis aller nobili. Im Jahre 1297 hat die Republik mit dem Eintrag in dieses Buch definitiv entschieden, welche Bürger Venedigs sich zum Adel zählen durften. Die folgende Schließung des Buches wurde in der venezianischen Geschichte als serrata bezeichnet. Belanglos für die Eintragung in das Goldene Buch waren die Vermögensverhältnisse des Einzelnen, ausschlaggebend war einzig die Abstammung. Es gab genügend arme Adelige, die als sogenannte barnabotti von der Republik in der Nähe der Kirche des hl. Barnabà alimentiert und oft genug zu einem erheblichen Unruheherd im Staate wurden. Umgekehrt war es reichen Nichtadeligen nur in relativ seltenen Ausnahmefällen möglich, sich in den Adel einzukaufen und ins Goldene Buch eingetragen zu werden, und wenn, dann für den exorbitanten Preis von 150.000 Dukaten. Die Mitglieder des Großen Rates mussten außerdem mindestens fünfundzwanzig Jahre alt sein. An den Sitzungen nahmen bis zu 1.800 Personen teil. Beschlussfähigkeit war erst ab mindestens 600 teilnehmenden Personen gegeben.

      Der große Ratssaal hat Ausmaße von 54 x 25 x 15,40 Meter. Beim Betreten dieses riesigen Raumes entsteht förmlich das Gefühl eines Eintauchens, das sich auch bei späteren Besuchen immer wieder mit gleicher Intensität einstellt. Er ist ein schlichtes Gebilde auf rechteckigem Grundriss, das von einer freitragenden Decke überfangen wird. Deren Konstruktion führten die Schiffsbauer des Arsenals in drei Jahren aus, sie ist im Rahmen der Führung itinerari segreti zu besichtigen und lässt das handwerkliche Können der Epoche ahnen. Weiches Licht, das durch die großen Fenster fällt, erfüllt den Raum. Früher war er nicht so leer, wie er sich heute zeigt, sondern besaß ein in Reihen angeordnetes Gestühl, wie es z. B. Canaletto dokumentiert hat. Einen Vorgängerbau aus dem 14. Jahrhundert hatten die größten Maler mit ihren Gemälden ausgestattet. So gab es Werke von Bellini, Gentile da Fabriano, Pisanello, Vivarini,


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