Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden. Max R. Liebhart

Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden - Max R. Liebhart


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beweisen, dass das zweite „fecit“ nicht von Tizian stammt, sondern Zutat einer früheren Restaurierung ist.

      An der Stirnwand des rechten Querhausarmes ist seit dem Ende des 16. Jahrhunderts Catarina Cornaro beigesetzt, die zuvor ihr Grab in SS. Apostoli hatte.

      Sie hatte den Titel einer „Tochter der Republik“ erhalten, damit sie Königin von Zypern werden konnte. Als solche durfte sie diese Insel dann der Republik schenken, nachdem ihr Ehemann überraschend in noch jugendlichem Alter gestorben war. Das Kind, das aus dieser Ehe stammte, starb nur wenig später, und beide Todesfälle geschahen unter so dubiosen Umständen, dass prompt der Verdacht auf Giftmorde geäußert wurde. In jedem Fall aber kamen sie der Republik durchaus gelegen.

      Auf dem Hochaltar steht ein weiteres Gemälde Tizians, das meist als Himmelfahrt Christi bezeichnet wird und aus den Jahren 1560–65 stammt. Das Thema, eigentlich eine trasfigurazione, ist dargestellt als ein stilles Schweben in blendendem Licht, in dem Christus von Aposteln und Propheten umgeben ist. (Hubala hat auf die kompositorische Nähe zu Raffaels Interpretation des gleichen Themas, heute in der Vatikanischen Pinakothek, hingewiesen.) Das Bild war früher nur vom 3. bis 15. August und an hohen Feiertagen zu sehen, während sonst ein Paliotto aus dem 14. Jahrhundert gezeigt wurde, ein Altaraufsatz, der aus getriebenem Silber und Niello gefertigt ist. Um diesen heute zu sehen, muss man sich an den Mesner wenden, ansonsten wird er nur in der Karwoche und an Christi Himmelfahrt gezeigt. Auch auf ihm ist die Transfiguration dargestellt, und zwar in der Mitte der Tafel. Dort wird Christus von Aposteln flankiert, während in drei weiteren Reihen Heilige in Nischen und Evangelisten mit ihren Symbolen zu sehen sind.

      An der Wand der linken Trabantenkapelle hängt das Bild Christus in Emmaus, dessen Zuschreibung unsicher ist. Die örtliche Beschriftung lässt offen, ob es von Bellini oder von Carpaccio oder möglicherweise auch von einem Nachfolger Bellinis gemalt wurde. Die Skulpturen des ersten Seitenaltares im linken Seitenschiff stammen von Vittoria. Besonders schön ist der Sebastian, ein Spätwerk des Künstlers. Es verzichtet auf die häufig anzutreffende Darstellungsweise, bei der Sebastian gewissermaßen unbeteiligt und unbeeindruckt von den Pfeilen sein Martyrium erleidet. Hier wird vielmehr mit allem Realismus gezeigt, wie qualvoll es für einen Menschen ist, von einem Pfeil in die Brust getroffen zu werden. Die Architektur des anschließenden Seitenportals sowie der Orgelprospekt darüber stammen von Sansovino. Die großen Flügel des Orgelprospektes malte 1530 Francesco Vecellio, der Bruder Tizians.

      An der Wand links neben dem hinteren Kuppelraum befindet sich ein Grabmal für zwei Dogen, die Brüder Lorenzo (1556–59) und Girolamo (1559–67) Priuli. Sie regierten somit unmittelbar nach Francesco Venier, dessen Grabmal schräg gegenüber steht. Dem Künstler (Cesare Franco) standen gleiche räumliche Voraussetzungen zur Verfügung, so dass sich ein Vergleich mit Sansovinos Werk anbietet. Ist bei diesem das Verhältnis zwischen Architektur und Skulpturenschmuck ausgewogen, so besitzt die Architektur beim Priuli-Monument ein deutliches Übergewicht. Außerdem ist hier der Reichtum der Farben des Materials zugunsten der Wirkung von grauem und schwarzem Marmor aufgegeben. Durch die Notwendigkeit, zwei gleichwertige Achsen zu gestalten, erhält das Monument eine entschiedene Betonung der Vertikale. Sie wird durch vierzehn kraftvolle Säulen bestimmt, die in zwei räumlich voneinander abgesetzten Ordnungen stehen. In den unteren Interkolumnien sieht man die Liegefiguren der Dogen in fast identischer Gestaltung. Oberhalb des kräftigen Architravs stehen die Figuren der Namenspatrone Laurentius links und Hieronymus rechts. Bei der Gestaltung des Grabmals konnte sich Franco auf keine architektonischen Vorbilder beziehen. Es handelt sich somit um ein singuläres Werk, das in seinem Gesamteindruck nicht die Ruhe und Geschlossenheit des Venier-Monuments ausstrahlt, sondern trotz seiner Schwere eher etwas instabil wirkt. Die beiden Dogen waren im Übrigen schon vor Vergabe des Auftrages (1569) in einer heute nicht mehr existierenden Kirche beigesetzt worden. Die Ausführung des Grabmals zog sich hin, es wurde erst 1603/04 vollendet.

      Links neben dem Hauptportal der Kirche liegt der Eingang zu den früheren Klostergebäuden mit zwei schönen Kreuzgängen, die in recht nüchternem Renaissancestil gehalten sind. Dabei stellt man fest, dass S. Salvatore auch einen Campanile besitzt, der sonst nur von einem einzigen Punkt auf dem Campo San Luca aus zu sehen ist.

      Schräg links gegenüber der Kirche erhebt sich die mächtige zweigeschossige Fassade der ehemaligen Scuola Grande di S. Teodoro, die zusammen mit S. Salvatore ein eindrucksvolles Ensemble bildet. Die Scuola ist vermutlich ältesten Ursprungs und geht auf die Zeit zurück, zu der der hl. Theodor der erste Schutzpatron der Stadt war. Sie ist erstmals im Jahre 1258 dokumentarisch erwähnt. Das jetzige Gebäude entstand in den Jahren 1578–1608, um bis 1671 noch mehrfach verändert zu werden. 1806 wurde die Scuola aufgehoben, 1960 erfolgte die Neugründung der Bruderschaft, die den architektonisch eher unbedeutenden Innenraum heute überwiegend für Konzerte und Ausstellungen zur Verfügung stellt.

      Von der Kirchenfassade etwas nach rechts versetzt steht ein Säulenmonument aus dem 19. Jahrhundert. Es trägt die Inschrift „XXII Marzo 1848“ und erinnert somit an den Beginn des Aufstandes der Venezianer gegen die österreichische Besatzung.

      Nach kurzem Weg durch eine der Schneisen, die nach 1797 in den Stadtorganismus geschlagen wurden, gelangt man zum Campo S. Bartolomeo. Dieser ist meist sehr belebt, allein schon dadurch, dass sich hier zwei Hauptverkehrsadern der Stadt kreuzen (von S. Marco zur Rialtobrücke und von der Accademia Richtung Bahnhof). Er ist außerdem ein bevorzugter Treffpunkt der Jugend. In der Mitte lächelt Goldoni, der Dichter zahlloser Komödien, weise von seinem Denkmalsockel herab. „Das Denkmal Goldonis ... macht einen gesunden, lebendigen und sehr drolligen Eindruck. Wie der Mann da stockschwingend spazieren geht, bezopft, im Dreispitz: Keck, launig, lachend, und am geschwungenen Röckchen die Spuren der Zudringlichkeit vieler Hundert venezianischer Tauben, gehört er unter das Volk, das ihn rauchend und schwatzend in Alltagstracht umgibt“, sagt Gerhard Hauptmann. Links führt die Salizada Pius X. zur Rialtobrücke. Sie ist heute mit Verkaufsständen fliegender Händler verstellt.

      In der Nacht vom 12. zum 13. Mai 1797 gab es hier wilde Ausschreitungen der Bevölkerung gegen diejenigen Patrizier, die die Stadt den Franzosen ausgeliefert hatten. Dabei wurden auch deren Paläste geplündert, und es kam zu Übergriffen auf Unschuldige. Daraufhin ließ ein gewisser Bernardino Renier ein paar Kanonen oben auf der Rialtobrücke in Stellung bringen, um ein Vordringen der Plünderer auf die andere Seite des Canal Grande zu verhindern. Schließlich wurden einige Salven abgefeuert, und die Salizada war mit blutüberströmten Leichen bedeckt. Die letzten Schüsse der Kanonen von San Marco trafen also die Söhne der eigenen Stadt.

      Die Kirche S. Bartolomeo, die frühere Hauskirche der Deutschen, ist profaniert und wird heute für Konzerte und Ausstellungen (seit einigen Jahren eine Musikinstrumenten-Ausstellung) benützt. Während die Kirche selbst weitgehend unbedeutend ist, so ist ihr Campanile, den Giovanni Scalfurotto in den Jahren 1747–54 erbaut hat, wichtig für das Stadtbild und ein kräftiger Akzent zu Füßen der Brücke (die zur Zeit der Republik als einzige den Canal Grande überspannte).

      Am Fuß des Ponte di Rialto ist an einem der Bögen, die die Schaufenster übergreifen, ein vergoldeter männlicher Kopf zu sehen, mit dem sich zunächst nichts verbinden lässt. Bis zum Jahre 1996 befand sich hier, wo heute touristische Artikel und Glaswaren verkauft werden, die traditionsreiche Spezeria alla Testa d’Oro, also eine Apotheke. Wen der Kopf darstellt, ist unbekannt, möglicherweise ist es das Portrait eines Besitzers der Apotheke im 16. Jahrhundert, vielleicht stellt er auch Mithridates (den König von Pontos) oder Andromachus den Älteren (den Leibarzt Kaiser Neros) dar. Der Kopf wurde 1997 renoviert. Die Apotheke war in der Stadt die berühmteste unter denen, die teriaca herstellten, eine pharmazeutische Spezialität, die an der Grenze zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie angesiedelt war und eine erstaunlich lange Tradition besaß.

      Kein anderes pharmazeutisches Präparat konnte sich über einen so langen Zeitraum auf dem Markt halten. Der Name Theriak kommt vom griechischen Wort theriaké oder auch vom indoeuropäischen therion, was „giftiges Tier“ bedeutet. In Ägypten wurden schon im 3.– 4. Jahrhundert v. Chr. ähnliche Rezepturen zubereitet, die bis zu vierzig verschiedene Zutaten beinhalteten und letztlich eine Mischung von Antidoten waren. Mithridates, König von Pontos, hatte wohl berechtigte Sorgen, Opfer eines Giftanschlages zu werden und somit das gleiche Schicksal wie viele seiner Standeskollegen zu erleiden.


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