Frausein zur Ehre Gottes. Hanna-Maria Schmalenbach

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Zitiert in Bischof-Köhler 2002, 18.

      44 Raedel spricht an dieser Stelle von einer „weichen“ Polarität und von der biologischen Konstitution als „Angebot“, auf das der Menschen in je eigener Weise eingehen kann (2017, 139).

      45 Siehe dazu die Ausführungen von Lakey, der eine solche essentialistische Sicht dem Denkrahmen der Moderne zuordnet (2010, 13).

      46 Zum besseren Verständnis der wissenschaftlichen Diskussion zu Einflüssen biologischer bzw. kultureller Faktoren auf die Geschlechtlichkeit des Menschen und Schlussfolgerungen für die Aufgabe der christlichen Kirche im Blick auf die Lehre und die Gestaltung von Geschlechterrollen siehe auch die Ausführungen von Kimball (2005, 464–480), Van Leeuwen (2007, 171–199) und Lakey (2010, 14–15).

      47 Hardmeier beschreibt diese Einigkeit treffend so: „So unterschiedlich die Ansichten zu diesem Thema sind – es gibt einen Punkt, an dem wir uns treffen können. Dieser Punkt ist die Überzeugung, dass die Bibel in allem, was sie lehrt, als Wort Gottes ernst zu nehmen ist“ (2013, 15).

      48 Ein Beispiel dafür stellt das Buch von Alfred Kuen (1998) dar. Im englischsprachigen Raum bringen die Artikel des kanadischen Theologen R. P. Stevens (1992) und des amerikanischen Neutestamentlers D. Scholer (1987) sowie der Beitrag von J. I. Packer (1986) auf dem Evangelical Colloquium on Women and the Bible diese Haltung beispielhaft zum Ausdruck. Auch die neueren Beiträge von Payne 2009, Blocher 2007, Sumner 2007, George 2007 und Westfall 2016 verfolgen dieses Ziel.

       KAPITEL 2

       FRAUSEIN UND KULTUR

      Wie aus dem bisher Gesagten bereits deutlich wurde, kann über die Rolle der Frau nicht nachgedacht werden, ohne den kulturellen Kontext einzubeziehen, in dem diese definiert und ausgelebt wird. Die Stellung der Frau in einer Gesellschaft ist geradezu ein Kulturmerkmal, an dem sich das Wesen einer Kultur offenbart. Deshalb möchte ich in diesem Kapitel einige grundsätzliche Aspekte der Beziehung zwischen Kultur und der Stellung der Frau beleuchten. Die gewonnenen Einsichten sollen dann mit den biblischen Befunden in Verbindung gebracht werden. Erkenntnisse der Natur- und Humanwissenschaften erweisen sich dabei als hilfreiches Instrument für ein „informiertes Verständnis des kulturellen ‚Wassers‘, in dem die Interaktion zwischen Gott und Mensch stattfindet“ (Kraft 1996, 89).

       2.1.1 Definition von Kultur

      Versucht man, das Wesen von Kultur zu erfassen, so stößt man in der Literatur auf eine Unzahl von Definitionen, deren übersichtlichste und einfachste die von Lothar Käser ist: „Kulturen sind Strategien zur Daseinsbewältigung“ (Käser 1998, 37).49 Alle Menschengruppen entwickeln Strategien, um mit der biologischen Natur des Menschen und seinem Umfeld angemessen umzugehen (Kraft 1996, 38; Käser 1998, 51–57). Die Definition umfasst das ganze Gefüge der Denkstrukturen, des Wertesystems und der Regeln einer menschlichen Gruppe, welche durch ihr Verhalten und ihre Produkte zum Ausdruck kommen (Käser 1998, 38–44; Hiebert 1985, 30). Die kulturellen Denk- und Verhaltensmuster sind den Menschen nicht bewusst, sondern bilden das selbstverständliche „Hintergrundsphänomen“ (Käser 1998, 44) ihres Lebens, das an jede nachfolgende Generation weitergegeben und von dieser erlernt wird (Käser 1998, 114–119).

      Vergleicht man nun verschiedene Kulturen, so beeindruckt die Vielfalt der Strategien, die Menschen zur Daseinsbewältigung einsetzen. Gleichzeitig weisen alle Kulturen aber auch Gemeinsamkeiten auf. Diese zeigen sich weniger in einzelnen Verhaltensweisen als vielmehr in größeren strukturellen Kategorien. Sie zeugen von einem „universalen Kulturmuster“, nach dem alle Kulturen der Gegenwart und Vergangenheit geordnet sind (Murdock 1980, 125). Als Grundlage für dieses gemeinsame Muster können nur die „biologische und psychologische Natur des Menschen und die universalen Bedingungen menschlicher Existenz“ (Murdock 1980, 125) infrage kommen. Grundlegende menschliche Gemeinsamkeiten werden sowohl in der Heiligen Schrift als auch in den Humanwissenschaften vorausgesetzt (Kraft 1979, 81); E. Nida betont: „Die Ähnlichkeiten, die die Menschheit als kulturelle Spezies verbinden, sind viel größer als die Unterschiede, die sie trennen“ (Nida 1964).50 Kulturelle Strategien sind dann Antworten auf die universalen biologischen, psychologischen, spirituellen und sozialen Grundbedürfnisse des Menschen, die Menschengruppen in ihrem jeweiligen Umfeld entwerfen (Murdock 1980, 129–132). Das gemeinsame Schema zeigt sich in universalen kulturellen Funktionen (Murdock 1980, 131; Kraft 1979, 87) wie zum Beispiel der Institution der Ehe und Familie, der Bildung von Abstammungsgruppen, dem Hausbau, der Entwicklung eines medizinischen Systems, dem Einnehmen von Mahlzeiten, dem Feiern von Festen, dem Betreiben von Sport und dem Glauben an übernatürliche Wesen (Kraft 1979, 87).51 Die Ausgestaltung dieser Funktionen ist sehr vielfältig, und der Mensch kann sich an unzählige Verhaltensmuster anpassen (Shapiro 1980, 19), wenn auch alle „Strategien zur Daseinsbewältigung“ in irgendeiner Weise seine biologischen Vorgaben reflektieren (Shapiro 1980, 19) und in ihrer Variabilität von diesen limitiert werden (Herskovits 1980, 144).

      Tritt man nun von außen an eine Kultur heran, so kann man zunächst in ihren Institutionen und den Verhaltensweisen der Menschen nur ihre Oberflächenstruktur wahrnehmen. Erst nach längerer Zeit wird der Beobachter die Konzepte entdecken, die dieses Verhalten erklären und sinnvoll erscheinen lassen.

      Dabei lassen sich verschiedene Ebenen einer Kultur unterscheiden, die wie die Schalen einer Zwiebel übereinanderliegen: Im Innersten wird eine Kultur von ihrer Weltanschauung gesteuert (Willowbank Report 1981, 312; Hiebert 1985, 45–48). Diese besteht aus den Grundannahmen, nach denen eine menschliche Gruppe die Welt interpretiert (Kraft 1996, 55). Diese Grundannahmen werden nicht hinterfragt und sind häufig, aber nicht notwendigerweise, religiöser Art (Willowbank Report 1981, 312; Kraft 1996, 53). Sie liefern das Erklärungsmuster für das Denken und Verhalten der Menschen (Kraft 1996, 52–53). Sie sind wie eine „Brille“, durch die die Mitglieder der Gruppe die Wirklichkeit wahrnehmen und interpretieren (Kraft 1996, 56), und wie eine „mentale Straßenkarte“, nach der sie ihr Verhalten ausrichten (Conn 1984, 15). Nach den Vorgaben dieses „philosophischen Rasters“ (Jacobs 1981, 133) organisiert ein Volk sein Leben und seine Erfahrungen. Das schließt die Muster für Persönlichkeitsmerkmale und den Gebrauch des Willens genauso ein wie Denk- und Gefühlsprozesse, Motivationsmuster und Beziehungen (Kraft 1996, 58–63).

      Aus der Weltanschauung gehen wiederum die Überzeugungen und Werte einer Gruppe hervor, die als „kollektive Zielsysteme“ (Pezaro 1991, 25) allem Handeln Sinn geben. Aus diesen legt eine Volksgruppe ihre gemeinsamen Handlungsrichtlinien in Normen und Regeln fest. Damit sind auch die Erwartungen klar definiert, die eine Gesellschaft an ihre Mitglieder hat (Kluckhohn und Kelly 1980, 104). Für den Fall der Nichteinhaltung drohen Strafen, vor allem soziale Ausgrenzung.

      Die äußere Manifestation einer Kultur ist dann der bunte Komplex aus ihren Institutionen, dem Verhalten der Menschen und den Produkten, die sie herstellen (Hiebert 1985, 35–37). Dieser lässt sich in verschiedene Bereiche52 aufgliedern, die typischerweise in allen Kulturen vorhanden sind, aber auf unterschiedliche Weise ausgelebt und bewertet werden (Herskovits 1980, 164): das religiöses System, die Wirtschaftsstruktur, die Technologie, das soziale System, das Kommunikationssystem, die politische Struktur und die Kunst (Kraft 1996, 49). In jedem Bereich kommt die Weltanschauung der entsprechenden Menschengruppe zum Ausdruck, und alle sind untereinander wie in einem Netzwerk verbunden und beeinflussen sich gegenseitig so sehr, dass Veränderungen in einem Sektor die anderen unweigerlich mitbetreffen (Kraft 1996, 124–125). Insgesamt ist dieses kulturelle Gefüge ein integriertes Ganzes, in dem alles aufeinander bezogen ist und sich gegenseitig beeinflusst (Herskovits 1980, 145; Hiebert 1985, 42–45). Kraft vergleicht es mit einem


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