Frausein zur Ehre Gottes. Hanna-Maria Schmalenbach

Frausein zur Ehre Gottes - Hanna-Maria Schmalenbach


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Frage. Ein Blick auf diesen Hintergrund soll die Reichweite der Problematik aufzeigen.

      Hinter dem Ringen um den hermeneutischen Zugang zum umstrittenen Frauenthema steht bei vielen bibeltreuen evangelischen Theologen eine tiefe Sorge um die Unversehrtheit der „unabhängigen“ Autorität (McQuilkin 1984, 230) der Heiligen Schrift als Wort Gottes angesichts des zunehmenden kulturellen Relativismus in der Hermeneutik.31 Robertson McQuilkin brachte diese Sorge auf dem zweiten internationalen Kongress des International Council on Biblical Inerrancy 1982 in Chicago stellvertretend für viele zum Ausdruck (McQuilkin 1984, 219–240).32 Er stellte dabei die These auf, dass die volle Autorität der Schrift nur dann bewahrt bleibe, wenn jede Anweisung in ihr als universal gültig angesehen werde, solange die Schrift selbst sie nicht begrenze (McQuilkin 1984, 228). Dabei ist für ihn „the plain meaning“, also die offensichtliche, wörtliche Bedeutung eines Textes wegweisend (McQuilkin 1984, 221; Larkin 1988, 118). Eine entgegengesetzte Sorge äußerte Alan F. Johnson in seiner Antwort an McQuilkin, die ebenso stellvertretend für die Meinung einer großen Zahl bibeltreuer evangelischer Theologen steht (Johnson 1984, 257–282). Er verwarf die These McQuilkins als zu „reduktiv“ und nicht schriftgemäß. Aus seiner Sicht wird die Bedeutung eines Textes, entsprechend dem Wesen der Heiligen Schrift als Gottes Wort und Menschenwort, erleuchtet und mitbestimmt durch sein gesamtes literarisches, kulturelles und geschichtliches Umfeld. Die ursprüngliche Absicht des Textes könne dementsprechend nur im engen Zusammenhang mit diesem ermittelt werden. Er bezeichnete es seinerseits als Unterminierung der Autorität der Heiligen Schrift, wenn eine ihrer spezifischen Anweisungen an Glaubende in der Welt des Hellenismus im ersten Jahrhundert zu einem universal gültigen Prinzip erhoben werde und die Schrift deshalb in einem anderen Kontext an Glaubwürdigkeit und Relevanz verlöre (Johnson 1984, 277). In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Diskussion um die schriftgemäße Rolle der Frau, wenn es um die Auslegung der Anweisungen des Apostels Paulus geht.33 G. Fee und J. Stott weisen darauf hin, dass dieses Spannungsfeld dem Wesen der Heiligen Schrift entspreche und seinen Grund in der Beziehung zwischen ihrer Inspiration und Inkarnation habe. Beide warnen vor dem Versuch, diese Spannung nach der einen oder anderen Seite auflösen zu wollen (Fee 1990, 24–25; Stott 1981, viii).

      Erweitert wird dieses Spannungsfeld noch durch die kontroverse missiologische Debatte um die Bedeutung, die im hermeneutischen Prozess der Zielkultur zukommt, in die hinein die Schrift ausgelegt wird. Diese Diskussion wird vor allem in missionsorientierten Kreisen seit dem Lausanner Kongress für Weltmission 1974 intensiv geführt (Stott 1981, vii). Während die meisten evangelischen Missionare die große Bedeutung erkennen, die das kulturelle Umfeld der Hörer für die Auslegung der Schrift, vor allem in ihren ethischen Anweisungen, hat und haben sollte (Kraft 1979; Padilla 1981, 65; Hiebert 1985, 54–55; Inch 1982, 18), wird gleichzeitig auch hier immer wieder auf die Gefahr der Relativierung der biblischen Botschaft durch kulturelle Elemente hingewiesen (McQuilkin 1984, 222–223; Nicholls 1979, 53–56). Für den Übersetzungsprozess des unveränderlichen Evangeliums in spezifische kulturelle Formen, die für die Hörer verständlich und relevant sind, hat sich der Begriff Kontextualisierung durchgesetzt.34

      Da die Rollenverteilung von Mann und Frau ein Kulturmerkmal ist, wird jede Volksgruppe an dieser Stelle eigene Fragen an die biblischen Aussagen herantragen, die zum Beispiel in einer vorwiegend muslimischen Gesellschaft anders lauten werden als in einer westlich geprägten Kultur. Die Auslegung der Schrift zur „Frauenfrage“ ist also auch von diesem Ringen um die Treue zum Inhalt der Heiligen Schrift bei gleichzeitiger Relevanz in der Kultur der Hörer in besonderer Weise betroffen, das P. Hiebert so beschreibt: „Eine christliche Theologie hat einen Fuß in der biblischen Offenbarung und den anderen im historischen und kulturellen Kontext der Menschen, die die Botschaft hören“ (Hiebert 1985, 19). Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Frauenthematik auch im Rahmen der „Lausanner Konsultation“ 1978 in Willowbank/Bermudas zur theologischen Standortbestimmung über das Verhältnis von Evangelium und Kultur immer wieder präsent war (Kraft 1981, 228–229; Taber 1981, 90–91; Krass 1981, 251), obwohl man eine Diskussion dieses kontroversen Themenkomplexes dort bewusst ausgespart hatte (Willowbank Report 1981, 315).

      In engem Zusammenhang mit der beschriebenen Problematik um die Autorität der Heiligen Schrift als Gottes Wort und Menschenwort steht ein weiterer wichtiger Einflussfaktor in der Auseinandersetzung um die schriftgemäße Rolle der Frau: das Selbstverständnis des Auslegers im hermeneutischen Prozess. Einerseits rechnet jeder ernsthafte Ausleger mit der Erleuchtung durch den Heiligen Geist, die dem an Christus Gläubigen zugesagt ist (1Kor 4,14–16), andererseits weiß er um seine Menschlichkeit, die seine Objektivität einschränkt und ihn die Schrift durch einen Filter von vielerlei Vorprägungen verstehen lässt.

      In diesem Spannungsfeld bewerten verschiedene Ausleger ihre Funktion und Position im hermeneutischen Prozess unterschiedlich und damit auch das Gewicht ihrer Auslegung. Einige betonen die sichere Führung durch den Heiligen Geist und leiten dementsprechend aus der Autorität der Schrift die Autorität und Zuverlässigkeit ihrer Auslegung ab. Die eigene Voreingenommenheit wird bei dieser Sicht als entsprechend unbedeutend bewertet.35 Unterschiedliche Auslegungen werden in diesem Kontext leicht zur Frage von Wahrheit gegen Irrtum, Gehorsam gegen Ungehorsam oder „Geistlichkeit“ gegen „Ungeistlichkeit“, was gerade bei der emotional aufgeladenen Diskussion um die Stellung der Frau die Auseinandersetzung verschärft (Liefeld 1989, 113). Auf der anderen Seite des Spektrums betonen Ausleger die menschlichen Grenzen der Objektivität. Sie gehen davon aus, dass der menschliche Ausleger so sehr von seinem theologischen und soziokulturellen Erbe geprägt wird, dass es eine einzige endgültige, autoritative Interpretation der Heiligen Schrift gar nicht gibt (Larkin 1988, 99–100; Groothuis 1994, 154).36

      Bei der Fragestellung nach Wesen, Rolle und Funktion der Frau müssen solche menschlichen Faktoren in besonderer Weise erwartet werden (Johnston 1986, 34–35). So werden zum Beispiel bereits das Geschlecht des Auslegers und seine jeweiligen Erfahrungen mit Vertretern des anderen Geschlechts stets präsente Einflussfaktoren auf sein Verständnis der entsprechenden Schriftstellen sein. Eine fast ebenso einflussreiche Komponente wird das Konzept des Auslegers über Autoritätsstrukturen sein, das wiederum eng zusammenhängt mit der Geschichtsepoche und dem sozialen Umfeld, das ihn geprägt hat. Auch die eigene Gemeindetradition wird ein Einflussfaktor sein. David Scholer kommt gerade im Zusammenhang mit dem „Frauenthema“ zu dem Schluss: „Die Vorstellung von einer wahrhaft objektiven Bibelauslegung ist ein Mythos“ (Scholer 1986, 215).

      Ein weiteres Spannungsfeld, das die Diskussion um ein schriftgemäßes Frauenbild beeinflusst, ist die grundsätzliche theologische Einschätzung des Wertes von natur- und humanwissenschaftlichen Erkenntnissen zur Klärung von theologischen und biblischen Fragestellungen. Gerade zur „Frauenfrage“ wurde angesichts der Herausforderung durch den Feminismus in den letzten Jahrzehnten viel wissenschaftlich geforscht, vor allem im Bereich der Neurobiologie, Soziologie, Entwicklungspsychologie und Anthropologie. Während viele konservative Theologen davon ausgehen, dass die Ergebnisse solcher Forschungen den biblischen Befund als Hilfsmittel aus dem Bereich der natürlichen Offenbarung klären helfen können (Erickson 1998, 75; Clark 1980, 372ff; Kuen 1998, 238 ff; Neuer 1993, 15), haben andere an dieser Stelle Bedenken und befürchten eine grundsätzliche Unterminierung der Autorität der Heiligen Schrift (McQuilkin 1984, 219–221; Larkin 1988, 129).37 Der Anthropologe und Missionswissenschaftler Paul G. Hiebert plädiert für eine Integration wissenschaftlicher Einsichten und theologischer Überlegungen, da man nur so der Komplexität des menschlichen Lebens gerecht werde, allerdings immer unter der Bedingung, dass die Heilige Schrift der Maßstab bleibe, an dem alle Erkenntnisse gemessen würden (Hiebert 1985, 17.27). Wenn dies bei der Fragestellung um Wesen, Stellung und Rolle der Frau gelingt, sollten die Erkenntnisse


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