Frausein zur Ehre Gottes. Hanna-Maria Schmalenbach

Frausein zur Ehre Gottes - Hanna-Maria Schmalenbach


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Anliegen der diesem Buch zugrunde liegenden Arbeit setzt bei der komplexen Fragestellung an, in welchem Verhältnis Evangelium und Kultur im Blick auf die Rolle der Frau stehen, und wie in der christlichen Gemeinde ein schriftgemäßes Frauenbild in verschiedenen Kulturen zum Ausdruck gebracht werden kann. Grundsätzlicher noch muss dabei gefragt werden, in welchem Verhältnis der Wille des Schöpfers und Erlösers zu kulturell definierten geschlechtsspezifischen Rollen und Verhaltensweisen steht.

      Anstoß, mich der komplexen und vieldiskutierten Thematik um die Rolle der Frau aus dieser interkulturellen Perspektive zu stellen, war, wie bereits erwähnt, mein eigenes Erleben in dem indigenen Volk der Tutunakú5 in Mexiko und besonders die gezielten und wiederholten Fragen junger Tutunakú-Christen nach dem biblischen Maßstab für die Geschlechterbeziehung. Bei den Tutunakú sind die Rollen von Mann und Frau zwar klar definiert und voneinander unterschieden; eine hierarchische Ordnung, in der die Frau dem Mann durchgehend untergeordnet und deshalb von bestimmten Tätigkeiten grundsätzlich ausgeschlossen ist, gibt es jedoch nicht.

      Eine hierarchische „biblische Ordnung“ der Geschlechter wurde den jungen Christen durch Lehrer und Gastprediger aus der mexikanischen Hauptgesellschaft beigebracht, wo der Machismo nach wie vor das Empfinden der Menschen durchdringt. Sie wiesen die Tutunakú-Christen nachdrücklich auf die „gottgewollte“ Ordnung zwischen Mann und Frau und die entsprechenden Einschränkungen für den Dienst der Frau in der Gemeinde hin. Das warf viele Fragen auf. Durften Frauen also nicht wie Männer unbefangen ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in den Versammlungen mitteilen? Mussten sie nun vorsichtig auf eine Ordnung achten, die ihnen vorher in diesem Zusammenhang gar nicht bewusst gewesen war? War das wirklich das Frauenbild der Heiligen Schrift?

      In diesem Kontext wurde ich mir meiner eigenen Unsicherheit über den biblischen Befund einerseits und meiner großen Verantwortung als Rollenvorbild andererseits schmerzlich bewusst. In Gesprächen vor Ort zeigte sich immer wieder, dass bei dieser Frage die Spannung zwischen dem Schöpferwillen Gottes und dem Ausleben dieses Willens in verschiedenen Kulturen besonders deutlich zu spüren ist. Von meinen Tutunakú-Mitarbeiterinnen beauftragt, mich noch einmal gründlich mit dieser Thematik zu befassen, richtete ich während meines Studiums der Missiologie6 in jedem Fach mein besonderes Augenmerk auf diese Fragestellung. Dabei wurde mir klar, dass nur eine gesamt-biblische Schau, die auch die kulturellen Aspekte der einzelnen Aussagen zu diesem Thema ganz ernstnimmt, ein ausgewogenes Bild über den biblischen Befund ergeben kann. Eine solche Gesamtschau wollte ich anstreben. Ziel meiner Arbeit sollte es sein, aus einer missiologischen Perspektive Orientierungshilfe für die Bildung einer eigenen Position zur gottgewollten Rolle der Frau zu geben. Zugleich war es mein Anliegen, Leitlinien für ein biblisch-kulturrelevantes Frauenbild herauszuarbeiten, bei dem der Wille Gottes und die verändernde Kraft des Evangeliums deutlich werden, ohne dass ein kultureller Anstoß entsteht, der die Verkündigung des Evangeliums hindern könnte. Dabei sollte soll das Vorgehen des Apostels Paulus wegweisend sein.

      Befragt man die Literatur über das „biblische Frauenbild“, so stellt sich heraus, dass in der westlichen Christenheit, die das theologische Denken der Welt bis zum Ende des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt hat, seit der Zeit der Kirchenväter bis in die 1960er Jahre hinein fast unangefochten das „traditionelle Verständnis“ zum Geschlechterverhältnis vorherrschte. Hierbei wurde von einer biblisch gebotenen generellen Unterordnung der Frau unter die Autorität des Mannes in Familie, Gesellschaft und Gemeinde ausgegangen und von einer klar definierten Rollenverteilung, die der Frau bestimmte häusliche Pflichten zuwies und sie von den meisten Ämtern der Gemeinde ausschloss. Begründet wurde diese Sicht aus den entsprechenden Anweisungen in den Briefen des Apostels Paulus. Den Grund für diese Anordnungen sah man bis ins 20. Jahrhundert hinein in der generellen Minderwertigkeit der Frau, von dem Arzt P. J. Möbius noch 1908 als „physiologischer Schwachsinn“ (Möbius 1908)7 bezeichnet. Später erkannte man die Gleichwertigkeit der Geschlechter aufgrund der Schöpfung an, bestand jedoch weiter auf einer gottgewollten hierarchischen Ordnung im Geschlechterverhältnis, die durch die schöpfungsbedingte grundlegende Verschiedenheit der Geschlechter begründet wurde (Piper und Grudem 1991, xiv). Ob dieses Frauenbild tatsächlich dem ganzen biblischen Befund entspricht oder möglicherweise Ausdruck der kulturellen Prägung des christlichen Abendlandes durch griechisch-römisches Gedankengut ist, ist seit den 1960er Jahren vielfach und zunehmend gefragt worden.

      Anlass dazu war nicht nur die neue feministische Bewegung, die sich in den 1960er Jahren in der westlichen Welt formierte und in gesellschaftlichen und kirchlichen Kreisen zu heftigen Auseinandersetzungen um die „Frauenfrage“ führte (Piper und Grudem 1991, xiii), sondern auch das Erscheinen zahlreicher Werke, die neue Perspektiven für die Auslegung mancher schwer verständlichen Stellen im biblischen Befund eröffneten (Gundry 1987, 5). Die zunehmende Beteiligung von Frauen an der wissenschaftlichen Forschung trug maßgeblich zu dieser Horizonterweiterung bei. In vielen Fachgebieten wurden von ihnen Fragestellungen bearbeitet, die vorher nur wenig im Blickfeld der Forscher gewesen waren. So konnten Wissenslücken geschlossen und in der Folge manche biblischen Texte besser verstanden werden. Dies gilt besonders für detaillierte und aus Quellen gut belegte Informationen über die Situation und Stellung der Frau in der römisch-griechischen und der jüdischen Welt des ersten Jahrhunderts, die traditionelle Einschätzungen ergänzen und an manchen Stellen auch korrigieren. Beispiele sind die Werke von Sarah B. Pomeroy, Frauenleben im klassischen Altertum (1985), Tal Ilan, Jewish Women in Greco-Roman Palestine (1995), Jane F. Gardner, Frauen im Antiken Rom: Familie, Alltag, Recht (1995). Wesentliche Verständnishilfen über die Situation im Römischen Reich geben auch die Werke des britischen Althistorikers Bruce W. Winter After Paul Left Corinth (2001) und Roman Wives, Roman Widows (2003). Den religiösen Hintergrund der jungen Christen, an die Paulus schrieb, beleuchtet das Ehepaar Richard und Catherine Clark Kroeger in I Suffer Not a Woman (1992), das im Jahr 2004 in deutscher Sprache unter dem Titel Lehrverbot für Frauen? erschien. Ein neuerer wertvoller Beitrag ist die Monografie von Lynn H Cohick (2009), Women in the World of the Earliest Christians. Ein tiefes Verständnis für die Bedeutung und Geschlechtsabhängigkeit des Ehrgefühls im Römischen Reich vermittelt Carlin A. Barton in Roman Honor: The Fire in the Bones (2001).

      Allein die Lektüre dieser seit den 1970er Jahren entstandenen Werke fordert den ehrlichen Ausleger geradezu heraus, den biblischen Befund zur „Frauenfrage“ nochmals gründlich zu bedenken. Im Bereich der Kirchen- und Missionsgeschichte hat Ruth A. Tucker eine wichtige Informationslücke gefüllt über die Beteiligung der Frau am Leben und Dienst der Gemeinde Jesu seit ihren ersten Anfängen bis heute in Daughters of the Church (1987, gemeinsam mit W. Liefeld), Guardians of the Great Commission: The Story of Women in Modern Missions (1988) und The Changing Roles of Women in Ministry: The Early Church through the 18th Century (2005).

      Auf dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Fülle von Literatur erschienen, die das erneute grundsätzliche theologische Nachdenken über die Rolle der Frau in den meisten christlichen Kirchen und Denominationen der westlichen Welt reflektiert, gleichzeitig aber auch eine Meinungsvielfalt und kritische Auseinandersetzung, die R. W. Pierce als „exegetischen Bürgerkrieg“ bezeichnet (Pierce 1993, 343).

      Dabei ist nicht zu übersehen, dass der Diskussion um die schriftgemäße Rolle der Frau eine tiefergehende hermeneutische Auseinandersetzung zugrunde liegt, die am Verständnis des Wesens und der Autorität der Heiligen Schrift selbst ansetzt (Scholer 1987, 407; Lakey 2010, 157). Das Ausmaß und die Tiefe dieser Auseinandersetzung wird in den Vorträgen und Diskussionen auf dem Kongress des International Council on Biblical Inerrancy 1982 in Chicago reflektiert, die in Hermeneutics, Inerrancy and the Bible (Radmacher und Preus 1984) zusammengestellt sind. Einen gründlichen und kommentierten Überblick über die Kernpunkte der Diskussion gibt W. J. Larkin in Culture and Biblical Hermeneutics. In Deutschland kommt diese Auseinandersetzung am schärfsten in der Zeitschrift Bibel und Gemeinde und in dem Buch Die Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel (Holthaus und Vanheiden 2002) zum Ausdruck. Die Diskussion um die schriftgemäße Rolle der Frau in vielen konservativen Kreisen der christlichen Gemeinde muss im Zusammenhang mit dieser grundsätzlichen theologischen Auseinandersetzung gesehen werden; das gibt ihr ein besonderes Gewicht.8

      Eine


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