Frausein zur Ehre Gottes. Hanna-Maria Schmalenbach
von Frauen zu den Weiheämtern der Kirche geht (Berger 2011, 210–212).
In der neueren Literatur fällt nun auf, dass man sich auf allen Seiten bemüht, die Schärfe in Ton und Wortwahl der Diskussion abzumildern. Das gilt besonders für die Vertreter eines hierarchischen Geschlechterverhältnisses. In ihrer Selbstbezeichnung fällt auf, dass sie ihre Sicht nicht mehr als „hierarchisch“ oder „traditionell“ bezeichnen wie früher, sondern als „komplementär“. Auch in ihrer Argumentation nehmen sie versöhnlichere Positionen ein, so Roland Hardmeier, Himmelstöchter! Warum die Stärke der Frau in der Kirche gebraucht wird. Und warum das biblisch ist (2013) und Ulrich Neuenhausen, Gemeinsam gesegnet: Männer und Frauen im Dienst für Jesus Christus (2018).
Manche Autoren auf beiden Seiten fragen sich, wie es geschehen konnte, dass die Diskussion um die gottgewollte Stellung der Frau in der Gemeinde eine derart tiefe Spaltung in den Reihen bibelgläubiger konservativer Christen herbeiführen konnte, und suchen dringend nach Erklärungen, einigenden Perspektiven, ja neuen Paradigmen als Grundlage für die festgefahrene Diskussion (Husbands und Larsen 2007, 9; Sumner 2007, 250–265; George 2007, 266–288; Van Leeuwen 2007, 171–196; Lee-Barnewall 2016, 5–14; Westfall 2016, 1–6; Hiestand 2017, 101–118). Dabei nehmen auch Überlegungen zur Praxis einer von der Heiligen Schrift her erneuerten Geschlechterbeziehung in Ehe und Gemeinde und deren praktischen Konsequenzen für das Selbstverständnis und den Dienst der Frau zunehmend größeren Raum ein (z. B. LaCelle-Peterson 2008, Westfall 2016, Small 2020).
Dieses Buch möchte, auch in der zweiten, aktualisierten Auflage, angesichts der beschriebenen Meinungsvielfalt einen differenzierten und abwägenden Beitrag zu der umstrittenen Thematik leisten, der sich auf den biblischen Gesamtbefund gründet.
Aufgrund der engen Verflechtung der Rolle der Frau mit der Kultur, in der sie ausgelebt wird, habe ich dabei die Aussagen der Heiligen Schrift stets vor dem Hintergrund der Kulturen ausgelegt, in die sie direkt hineinsprechen, und auch die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen aus den Natur- und Humanwissenschaften über die Natur und Kulturen des Menschen in meine Überlegungen einbezogen.
Dazu stelle ich in Kapitel 1 zunächst das komplexe Spannungsfeld der vielschichtigen Diskussion um das biblische Frauenbild vor. In Kapitel 2 geht es dann um eine Einführung in die kulturellen Aspekte, die unsere Thematik beeinflussen. Kapitel 3 stellt eine biblisch-theologische Betrachtung des biblischen Gesamtbefundes dar, die außer theologischen und hermeneutischen Ansätzen anderer Autoren auch die Ergebnisse von neurobiologischen, entwicklungspsychologischen und ethnologischen Studien in Beziehung zum Schriftbefund bringt. Ein kurzer kommentierter, geschichtlicher Überblick über die Rolle der Frau in der Kirchen- und Missionsgeschichte soll in Kapitel 4 das Bild abrunden. In Kapitel 5 werden die Befunde zusammengefasst und aus ihnen Richtlinien zur Kontextualisierung eines schriftgemäßen Frauenbildes erstellt, die es christlichen Mitarbeitern im interkulturellen Kontext ermöglichen, in jeder Kultur anzuknüpfen mit einem Frauenbild, das Gott ehrt und dem Evangelium kein unnötiges kulturelles Hindernis in den Weg legt.
In einem Nachwort möchte ich abschließend auf den Stand der Diskussion um die Stellung der Frau in den christlichen Gemeinden evangelisch-konservativer Prägung in der englisch- und deutschsprachigen westlichen Welt eingehen und neue Tendenzen und Bemühungen aufzeigen, einen gemeinsamen Weg aus der festgefahrenen Situation zu finden. Möge Gott es schenken, dass wir diesen Weg finden und trotz der Meinungsvielfalt gemeinsam glaubwürdige Zeugen des Evangeliums Jesu Christi sein können!
2 Diese Kritik wurde sogar 1974 in die Lausanner Verpflichtung aufgenommen und mit einer Mahnung zu mehr Demut an dieser Stelle verbunden (Beyerhaus et al. 1974, 15).
3 Er stammt ursprünglich aus dem Umfeld des Ökumenischen Rates der Kirchen und schließt auch Vorgehensweisen ein, bei denen nicht der Heiligen Schrift, sondern dem jeweiligen kulturellen Kontext die Autorität und Kontrolle über den gesamten Prozess eingeräumt wird (Larkin 1988, 130). Inzwischen hat er sich auch in der evangelischen Missiologie evangelikaler Prägung durchgesetzt, allerdings unter der Vorgabe, dass die Heilige Schrift Autorität, Maßstab und Vorbild im Prozess der Kontextualisierung ist, der stets an ihr gemessen und kontrolliert wird (May 2005, 349).
4 Die Beiträge der Konferenzteilnehmer sind in Down to Earth: Studies in Christianity and Culture (Stott und Coote 1981) zusammengestellt.
5 Die früher, auch zum Zeitpunkt der Herausgabe der ersten Auflage dieses Buches, gängige Benennung der Volksgruppe von außen war in Mexiko totonaco, eingedeutscht „totonak“. In den letzten Jahren setzte sich die Eigenbezeichnung der Ethnie tutunakú (auf deutsch: „drei Herzen“) zunehmend durch, und ich habe sie in Rücksprache mit einem Vertreter der Ethnie in dieser zweiten Auflage entsprechend geändert.
6 Heute ist der Studiengang vermehrt bekannt unter Interkulturelle Theologie und Missionswissenschaft.
7 Zitiert in Neuer 1993, 18.
8 Die grundsätzliche Diskussion um ein angemessenes „bibeltreues“ Schriftverständnis hat in den letzten Jahren in evangelisch-konservativen Kreisen an Schärfe und Unerbittlichkeit zugenommen. Siehe dazu z. B. Smith (2012). Dabei spielen Fragestellungen zum Geschlechterverhältnis eine große Rolle und vertiefen die Kluft zwischen den Parteien dieser Diskussion. Siehe hierzu auch George (2007, 280), Van Leeuwen (2007, 173) und Lakey (2010, 8–10).
9 Das Positionspapier ist im Internet zugänglich unter www.cbmw.com.
10 Zugänglich im Internet unter www.cbeinternational.org.
11 Westfall beschreibt diese Entwicklung so: „Inzwischen ist die öffentliche Meinung an gewissen Orten, sei es in Gemeinden, in… Leiterschafts-Organisationen, in Ausbildungsstätten und auch in säkularen Foren in einer Weise zum Kampf mobilisiert worden, dass im Blick auf Geschlechterfragen kaum mehr Raum ist für eine Mittelposition“ (2016, 1; Übersetzung aus dem Englischen: H. S.).
KAPITEL 1
FRAUSEIN ZUR EHRE GOTTES – DAS SPANNUNGSFELD DER DISKUSSION
Wer sich unter Christen, die ihr Leben und Denken nach der Heiligen Schrift ausrichten wollen, auf eine Diskussion zu der Frage einlässt, was Frausein zu Gottes Ehre bedeutet, wird bald etwas von der Spannung und Leidenschaftlichkeit spüren, mit der dieses Thema behandelt wird. Das mag an der persönlichen Betroffenheit aller Beteiligten liegen, hat aber, wie bereits angedeutet, auch noch tiefer liegende Gründe: Menschen, zu deren Selbstverständnis es gehört, dass ihnen die Heilige Schrift höchste und unfehlbare Autorität in Glaubens- und Lebensfragen ist, werden es als besonders schmerzhaft empfinden, dass unter ihnen zur „Frauenfrage“ trotz dieser gemeinsamen Basis so unterschiedliche Ansichten herrschen.12 Explizit drückt Sarah Sumner ihre Befürchtung aus, dass hier die Integrität bibelgläubiger Christen auf dem Spiel steht (Sumner 2007, 250).13 Die unterschiedlichen Sichtweisen wiederum stehen in Verbindung mit der noch tiefer greifenden Problematik, die die evangelische Welt in den letzten Jahrzehnten existenziell beschäftigt hat: Es geht um unterschiedliche, ja entgegengesetzte Prinzipien der Schriftauslegung (Johnston 1986, 30), die wiederum auf einem unterschiedlichen Verständnis vom Wesen der Heiligen Schrift beruhen. Damit ist ein Kernpunkt evangelischer Theologie berührt, die Frage nach der Autorität der Heiligen Schrift.14 Robert K. Johnston stellt fest, dass die „Frauenfrage“ geradezu zu einem „Testfall“ konservativ-evangelischer Hermeneutik geworden ist (Johnston 1986, 41). Das macht die Beschäftigung mit ihr besonders schwierig und belastend. Außer diesem hermeneutischtheologischen Spannungsfeld spielen bei der Diskussion um ein schriftgemäßes Frauenbild aber auch viele andere theologische, gesellschaftliche