Frausein zur Ehre Gottes. Hanna-Maria Schmalenbach

Frausein zur Ehre Gottes - Hanna-Maria Schmalenbach


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stecken“, wie M. J. Erickson in seinem Lehrbuch der Dogmatik sagt (Erickson 1998, 70).

      Da die Rolle der Frau in der Heiligen Schrift eng mit den grundlegenden „Konzepten“ (Bilezikian 1985, 15–17; Felker Jones 2017, 21–30) der Heilsgeschichte – Schöpfung, Sündenfall und Erlösung – verknüpft ist, beeinflusst die Zuordnung der entsprechenden biblischen Aussagen zu einzelnen Abschnitten der Heilsgeschichte das Ergebnis der Auslegung. So ist es nicht unbedeutend, ob man eine Unterordnung der Frau unter den Mann und eine dementsprechende Festlegung ihrer Stellung und Rolle in Ehe, Gesellschaft und Gemeinde als Schöpfungsordnung in Genesis 2 findet (Strauch 2001, 30; Neuer 1993, 66–67; Piper 1991, 35; Ortlund 1991, 98; Hamilton Jr. 2007, 32–52; Neuenhausen 2018, 40–44; Hardmeier 2013, 32–36),22 oder ob man diese aufgrund von Genesis 3,16 als Folge des Sündenfalls ansieht, die grundsätzlich bekämpft werden darf wie die Disteln und Dornen des verfluchten Ackers (Smith und Kern 2000, 42; Hess 2005, 79–95).23 Auch welche Texte ein Ausleger mit der Erlösung in Christus verbindet, beeinflusst seine Ergebnisse entscheidend: So ist es nicht gleichgültig, ob man aufgrund von Galater 3,28 davon ausgeht, dass das Erlösungswerk Christi an den Folgen des Sündenfalls für die Stellung der Frau etwas Grundsätzliches geändert hat, wie einige Ausleger dies tun (Spencer 1985, 26–42; Smith und Kern 2000, 22–25; Grenz und Kjesbo 1995, 99–107; Fee 2005, 172–185; Payne 2009, 79–104; Westfall 2016, 166–176; Felker Jones 2017, 24–30),24 oder ob man damit rechnet, dass Genesis 3,16 als „Notverordnung unter Sündenfallbedingungen“ (Martin Luther), als „Gesetz“ (Hempelmann 1997, 40–41.46) oder als Wiederherstellung der Schöpfungsordnung (Neuenhausen 2018, 42–43) weiterhin das Verhältnis zwischen Mann und Frau bestimmt und von der Erlösung in Christus nicht grundsätzlich berührt wird.

      Aus dem oben Gesagten lässt sich auch bereits erkennen, dass nicht nur die Einordnung von Schriftstellen an ihren heilsgeschichtlichen Ort, sondern auch ihre Gewichtung in der Gesamtschau das Ergebnis stark beeinflussen können. Es ist zum Beispiel ein wichtiger Unterschied, ob man 1. Korinther 11,8–9 als umfassende theologische Interpretation von Genesis 1 und 2 wertet (Strauch 2001, 30; Neuer 1993, 66; Piper 1991, 35), die Paulus auch in einer systematisch-theologischen Abhandlung zur Stellung der Frau so geschrieben hätte, oder als pointierte kurze, treffende Begründung seiner Argumentation im Rahmen einer spezifischen Anweisung an die Korinther (Keener 1992, 21–22.31; Fee 1996, 81–82).25 Ebenso bedeutend ist es, ob man bei Fragen nach dem Dienst der Frau in der Gemeinde die Aussage des Paulus in Galater 3,28 als klarste Stelle und grundsätzlichen Wegweiser wertet (Bruce 1982, 190; Groothuis 1997, 31–36, Fee 2005, 172–185) oder seine konkreten Anweisungen an die Korinther und Epheser (Piper 1991, 35; Neuer 1993, 107). Sogar innerhalb eines Abschnitts macht oft die Wertung einzelner Gedanken einen großen Unterschied: So betonen manche Autoren bei der Auslegung von 1. Korinther 11,13–16, dass Frauen in Korinth sehr wohl im Gottesdienst beten und weissagen durften und dabei lediglich ein Zeichen ihrer eigenen Autorität auf dem Kopf tragen sollten (Cunningham und Hamilton 2000, 177–179; Fee 2005, 142–160),26 von anderen dagegen wird die grundsätzliche Autoritätskette zwischen Mann und Frau als Schwerpunkt der Argumentation hervorgehoben (Neuer 1993, 104; Strauch 2001, 104–108)27 und das damalige Weissagen der Frauen im Gottesdienst als untergeordnete Bemerkung eingeordnet oder übergangen (Neuer 1993, 109; Strauch 2001, 104–112). D. Scholer mahnt diesbezüglich zu einer genuinen Ausgewogenheit (Scholer 1987, 416).

      Unter den bibelgläubigen konservativen Auslegern gibt es an dieser Stelle gleichzeitig eine grundsätzliche Übereinstimmung und eine unübersehbare Vielfalt der Meinungen im „exegetischen Bürgerkrieg“ um die Stellung der Frau: Übereinstimmung herrscht in der Einschätzung, dass die Heilige Schrift zur Rolle der Frau sowohl allgemein gültige, zeitlose als auch kultur- und zeitgebundene Aussagen enthält (Mickelsen 1989, 119) und dass es eine wichtige Aufgabe des Auslegers ist, zeitlose Wahrheiten von ihren kulturbezogenen Formen zu unterscheiden (Erickson 1998, 76). Die Vielfalt der Meinungen zeigt sich bei der konkreten Umsetzung dieser Aufgabe (Groothuis 1997, 41), und die Frage nach angemessenen hermeneutischen Leitlinien für diesen Prozess bewegt das theologische Denken unter Auslegern, die die Schrift als Autorität bewusst ernstnehmen, wie nie zuvor, ja ist zu einem „fundamentalen Anliegen der Hermeneutik“ geworden (Larkin 1988, 104–107).

      Dies trifft in besonderer Weise auf die Anweisungen des Paulus zur Rolle der Frau in Ehe und Gemeinde zu. Im Spektrum der hermeneutischen Vorgehensweisen zu ihrer Auslegung steht auf der einen Seite die Auffassung, dass grundsätzlich alle Anweisungen, in denen nicht selbst eine Einschränkung formuliert ist, wörtlich übertragen und angewandt werden sollten (Foh 1989, 70).28 Folgt man dieser Auslegungsart, so führt das zu dem Ergebnis, dass die von Paulus betonte hierarchische Ordnung der Geschlechter mit der Unterordnung der Frau unter den Mann in Ehe und Gemeinde mitsamt ihren praktischen Konsequenzen für das Gemeindeleben bis hin zur geschlechtsspezifischen Kleiderordnung als zeitlos normativ festgelegt wird. Folgerichtig werden dann alle entsprechenden Anweisungen als „Frage von So spricht der Herr“ gesehen (Strauch 2001, 18), die schlichten und uneingeschränkten Gehorsam fordert und für weitere Diskussionen nicht offen steht. Gegen diese Sichtweise wird von anderen Auslegern vor allem die Schwierigkeit der Konsequenz in der Anwendung ins Feld geführt (Larkin 1988, 105; Johnston 1986, 35). In der Tat zeigt ein Blick auf verschiedene Auslegungen, dass die Grenzen der wörtlichen Anwendung sehr unterschiedlich gezogen werden. Die hauptsächliche Kritik an dieser Stelle richtet sich gegen die Willkürlichkeit und fehlende Konsistenz solcher Grenzziehung (Liefeld 1989, 129; Scholer 1986, 214; Westfall 2016, 206–207; Neuenhausen 2018, 17–19).

      Auf der anderen Seite des hermeneutischen Spektrums unter „bibeltreuen“ Auslegern steht die Ansicht, dass Galater 3,28 die überkulturell und zeitlos gültige Aussage des Apostels Paulus zur erlösungsbedingten Beziehung zwischen Mann und Frau sei, die grundsätzlich eine Aufhebung aller sozialen Unterschiede zwischen ihnen impliziere (Longenecker 1984, 74–75; Smith und Kern 2000, 72–74; Johnston 1986, 31; Fee 2005, 172–185; Husbands 2007, 143–145). Alle spezifischen Anweisungen des Apostels an einzelne Gemeinden werden nun im Licht dieses Prinzips ausgelegt als praktische Anweisungen in einer konkreten Situation. Ergebnis einer solchen Auslegungsweise ist dann eine Betonung der grundsätzlichen Gleichrangigkeit zwischen Mann und Frau aufgrund der Erlösung. Die hierarchische Ordnung, die in den Anweisungen des Paulus zum Ausdruck kommt, wird als Spiegel der gesellschaftlichen Situation seiner Zeit gesehen, in die der Apostel sie hineingibt, ohne dabei sein grundsätzliches Anliegen der Gleichrangigkeit zwischen Mann und Frau preiszugeben.29 Der Haupteinwand gegen diese Art der Auslegung ist die Furcht vor einer Relativierung von biblischen Texten und infolgedessen der Unterminierung der Autorität der Heiligen Schrift (Liefeld 1989, 112).

      Zwischen diesen beiden hermeneutischen Grundpositionen gibt es viele Zwischenstufen. Nach dem derzeitigen Stand der Diskussion scheint Susan Foh recht zu haben, wenn sie es für unwahrscheinlich hält, dass es unter den Auslegern zur „Frauenfrage“ je eine Einigung geben wird (Foh 1989, 162). Der Weg dorthin kann nur über ein weiteres ehrliches Ringen um „die ursprüngliche Absicht der Texte“ gehen, die „die einzig angemessene Kontrolle für hermeneutische Aussagen“ (Fee 1996, 26) darstellt.

      Wie bereits angedeutet, stehen im Hintergrund der beschriebenen hermeneutischen Entscheidungen theologische Fragestellungen, die zum Teil sehr grundsätzlich in das Verständnis der Heiligen Schrift und ihrer Auslegung hineinreichen. Da die „Frauenfrage“ in manchen Kreisen geradezu als „Testfall“ angesehen wird, an dem das Verhältnis eines Auslegers zur Heiligen Schrift gemessen wird, hängt ihr


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