Seewölfe Paket 26. Roy Palmer

Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer


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die Höhle zu verlassen und dort unten in Stellung zu gehen. Nachdem man die beiden großen Jollen der „San Jacinto“ gekapert hatte, waren die Voraussetzungen für die Dons ungleich schlechter geworden. Und wenn sie es dennoch mit der kleinen Jolle versuchten, konnte man ihnen nur vom Strand aus einen gebührenden heißen Empfang auf breiter Front bereiten – wie geschehen.

      Auf die Heimlichtuerei hatte man so oder so verzichten können. Denn die Voraussetzungen für die Verteidigung waren ungleich besser geworden. Dieser hirnrissige Bursche von einem Kapitän mußte sich schon etwas einfallen lassen, wenn er mit seinen fünfzehn Mann noch etwas ausrichten wollte.

      „Hurtig, hurtig“, sagte Hasard und ahmte dabei den Tonfall des Profos nach. „Bewegen wir uns, sonst erstickt der arme Sir John womöglich noch.“

      Philip nickte nur. Gemeinsam eilten sie los, in den hinteren, sich erweiternden Bereich der Grotte, wo die Goldkisten, die Proviantvorräte und die Ausrüstungsgegenstände von der „Viento Este“ lagerten. Die beiden Jungen arbeiteten rasch und zielstrebig. Innerhalb von wenigen Minuten hatten sie sechs Pulverfäßchen und ein Dutzend lederne Kugelbeutel zur Felsenöffnung geschleppt.

      Hasard deutete auf das gestapelte Segeltuch und die Taurollen.

      „Den Ladebaum haben wir zwar nicht mehr zur Verfügung, aber ich denke, wir kriegen den ganzen Kram trotzdem auf einmal nach unten.“

      „Eine Persenning und ein Tau“, entgegnete Philip und nickte. Dann hieb er seinem Bruder begeistert auf die Schulter. „Klar! Damit haben wir noch mehr Zeit gewonnen.“

      Gemeinsam schleppten sie in aller Eile einen Tuchballen und eine Taurolle nach vorn. Dann kehrten sie in den hinteren Bereich zurück, wo auf einem Felsvorsprung eine einsam blakende Laterne stand.

      Behutsam zogen sie die Proviantkiste, in der Ed Carberry den vorlauten Vogel verstaut hatte, zwischen den Goldkisten hervor. Die Jungen runzelten die Stirn, als sie die Kiste auf den Boden stellten und begannen, die seitlichen Verzurrungen zu öffnen. Zwar war es einerseits vorteilhaft, daß Sir John in seinem Verlies kein freudiges Gezeter anstimmte – was letzten Endes verräterisch gewesen wäre. Andererseits war die totale Stille in der Kiste aber auch besorgniserregend.

      „Vielleicht ist er beleidigt“, sagte Hasard, als er den Kistendeckel öffnete.

      „Zuzutrauen wär’s ihm.“

      Im nächsten Moment erstarrten die Brüder und rissen den Mund vor Schreck weit auf.

      Der karmesinrote Papagei lag auf der Seite, regungslos, die Knopfaugen weit geöffnet und stumpf.

      „Um Himmels willen!“ hauchte Hasard. „Vorhin haben wir gespottet, und jetzt ist es tatsächlich passiert!“

      „Der arme Kerl“, flüsterte Philip und strich über die Schwingenfedern Sir Johns. Tränen standen in den Augen des Jungen. „Das hat er nun wirklich nicht verdient.“

      „Nein, das nicht“, sagte Hasard mit erstickter Stimme. „Wir hätten an Luftlöcher denken sollen.“

      „In der Eile? Wir mußten doch aufpassen, daß Mister O’Flynn nichts mitkriegt.“

      „Was im Grunde keine Entschuldigung ist.“

      „Nein, du hast recht.“ Philip seufzte. „Und wir können uns auch nicht damit herausreden, daß ihn Mister Carberry in die Kiste gepackt hat. Er hätte ja an die Luftlöcher denken müssen.“

      „Es ändert nichts. Am besten nehmen wir den armen Kerl gleich mit nach unten und begraben ihn.“

      „Begraben? Meinst du nicht, daß er eine Seebestattung verdient hat? Schließlich war er ebenso Seemann wie wir alle.“

      „Sicher“, sagte Hasard und preßte die Lippen zusammen. Auch seine Augen waren jetzt feucht. Die Vorstellung, die Sprüche und das Gezeter des munteren roten Burschen missen zu müssen, war einfach unerträglich. „Mister O’Flynn wird nichts dagegen haben, wenn wir Sir John einen würdigen Abschied von dieser Welt bereiten.“

      „Der alte O’Flynn?“ Philip schniefte. „Der wird doch froh sein! Du kennst ihn!“

      Hasard nickte bedächtig und mit Leichenbittermiene. Er hob den reglosen Papagei aus der Kiste, legte ihn in eine Felsmulde und half seinem Bruder die Kiste wieder zu verschließen und zurück in den Hohlraum zwischen den Goldkisten zu schieben. Sie wandten sich um, bereit, sich ihrer traurigen Pflicht zu entledigen.

      Es war, als wären sie gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen.

      Die Mulde, in der sie Sir John zur vorübergehenden Ruhe gebettet hatten, war leer.

      Fassungslos sahen sie sich um und suchten mit Blicken jeden Quadratinch ab. Doch die Laterne erhellte nur einen kleinen Teil der Grotte.

      Ein Krächzen ließ die Jungen zusammenzucken. Es klang wie ein Räuspern.

      „Affenärsche!“ tönte es im nächsten Moment schnarrend aus dem dunklen Teil der Grotte. „Haut in Streifen! Rrrrübenschweine! Backbrassen!“ Es folgte ein Meckern, das wie von einem Ziegenbock klang, aber zweifellos von Old Donegal stammte. Sein triumphierendes Meckern nach dem Untergang der kleinen Jolle der „San Jacinto“ mußte bis hier herauf zu hören gewesen sein – durch einen geschlossenen Kistendeckel hindurch.

      Hasard und Philip wechselten einen entgeisterten Blick.

      „Dieser schlitzohrige Geier!“ zischte Hasard. „Weißt du, was der mit uns gemacht hat?“

      „Klar“, antwortete Philip. „Dieses Suppenhuhn hat sich tot gestellt und uns an der Nase herumgeführt.“

      Wie zur Bestätigung endete das Meckern in der Dunkelheit, und ein plötzliches Flügelklatschen war zu hören.

      Segelnd schwebte Sir John im nächsten Moment aus der Finsternis und landete mit elegantem Schwung hoch oben auf dem Stapel der Goldkisten. Dort trippelte er bis an den Kistenrand, beugte sich vor, legte den Kopf schief und blickte interessiert mit einem Auge auf die Jungen hinunter.

      Ein tiefes Rollen drang aus dem nun aufgeplusterten Leib des Aras. Er ging in einen energischen Befehlston über.

      „Klar Deck überall!“

      Abermals sahen die Jungen sich an. Sie brauchten es nicht auszusprechen: Wenn Old Donegal mitkriegte, was sich hier abspielte, würde er seine Drohung doch noch in die Tat umsetzen. Und das bedeutete, daß Sir John endgültig schlachtreif war.

      Hasard blickte zu dem Vogel hoch, der jetzt leise brabbelte und sich von einem Bein auf das andere wiegte.

      „Fang nur an, dich über uns lustig zu machen!“ warnte der Junge.

      Philip stieß ihn mit dem Ellenbogen an.

      „Um Himmels willen, reize ihn nicht noch! Wir müssen jetzt besonders freundlich zu ihm sein. Denke daran, was er hinter sich hat. Stundenlange Dunkelheit. Wir können froh sein, wenn er nicht sofort rausfliegt.“

      Hasard preßte die Zähne aufeinander, daß es knirschte.

      „Er hat Hunger und Durst. Davon können wir ausgehen. Und damit läßt sich bestimmt was anfangen.“

      „Sprich es nicht aus“, sagte Philip eindringlich. „Du weißt, was für ein gerissener Kerl er ist.“

      Hasard nickte nur. In der Tat durften sie nicht sagen, daß sie Sir John natürlich wieder einfangen mußten. In seinem eigenen Interesse zwar, aber das änderte nichts. Er würde es spitzkriegen, wenn sie es laut aussprachen, und dann war er auf und davon. Vielleicht flog er sogar wieder zu den Spaniern, um sich an Bord der „San Jacinto“ wichtigtuerisch aufzuplustern.

      Ein geltungsbedürftiger kleiner Geier war er schon immer gewesen.

      „Der arme Sir John“, sagte Hasard daher voller Mitgefühl, „er hat bestimmt einen fürchterlichen Durst. Bleib du hier, Philip, und gib ihm was zu fressen. Ich gehe mal schnell nach vorn und hole ein bißchen Wasser.“

      „Ja, tu das“, sagte


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