Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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sechzig Yards.

      Die drei Männer neben und hinter ihm stöhnten. Über ihnen auf dem Vorkastell wummerten und krachten die Musketen.

      Fünfzig Yards.

      Hasard sah den Ruderkopf von unten nach oben wandern. Die „Marygold“ bewegte sich umgekehrt – sie raste in ein Wellental.

      Jetzt!

      Hasards Hand führte die Lunte auf die Pfanne. Er warf sich nach links.

      Bruchteile von Sekunden später spie die Serpentine Feuer und Rauch und ruckte zurück.

      Mehrere Dinge passierten gleichzeitig.

      Zwei Handbreiten über dem Ruderkopf der Galeone prangte ein dunkles Loch.

      Die „Marygold“ legte sich scharf nach Steuerbord über, scherte aus dem Kielwasser der Galeone aus und luvte an.

      Und Burnaby tanzte wie ein Irrer auf der Back herum und brüllte: „Treffer! Treffer! Er hat dem Don eine verplättet!“

      Bei dem „Don“ herrschte sichtlich Zustand. Die Galeone zackte kurz nach Backbord, und ihre Segel begannen zu schlakkern und zu killen. Scheinbar steuerlos fiel sie jäh nach Lee ab, und Hasard sah, wie das Ruderblatt jede Bewegung nachvollzog – ein Steuerelement ohne Funktion, weil der Rudergänger fehlte.

      „Klar zum Entern!“ stieß er hervor und schnappte sich den Kurzsäbel, der hinter ihm gelegen hatte. Er warf ihn in die Linke und zog die Flasche hervor.

      Die „Marygold“ schob ihren Bugspriet an der Achterkante des Hecks der Galeone vorbei. Hasard duckte sich, faßte einen der vier Spanier, die sich über die Reling des Achterkastells beugten und wild gestikulierten, ins Auge und schleuderte die Flasche hoch.

      Sie zerplatzte auf dem Schädel des Spaniers und schleuderte ihn zurück.

      Genau in diesem Moment sprang Hasard wie eine Katze auf den hölzernen Wulst, der unterhalb des Kastells wie ein Gurt das Heck umschloß, griff mit der Linken in die Reling und säbelte mit der Rechten, die inzwischen den Zweischneider hielt, einmal kurz nach links und nach rechts.

      Das waren genau drei Schritte in Höhe der Kinnladen der drei Spanier, die zu neugierig gewesen waren. Blut schoß über die Bordwand. Links und rechts neben Hasard klatschte es kurz hintereinander – links von ihm tauchte das verschwitzte Gesicht von Smoky auf, rechts keuchte Blacky. Burnaby sprang Hasard fast ins Kreuz. Sie starrten an der steil aufragenden Bordwand hoch und hatten wilde Gesichter.

      „Auf sie!“ brüllte Hasard.

      „Arwenack!“ schrie das Bürschchen mit überschnappender Stimme vom Hauptmars und fiel vor Begeisterung fast von der Plattform.

      Und vier Männer enterten auf das Achterkastell.

      Wie ein Keil stürzten sie von der Reling zwischen die auseinanderstiebenden Spanier. Hasard war die Spitze, links und rechts schräg hinter ihm folgten Blacky und der Stückmeister. In Hasards Kielwasser wütete Smoky.

      Diese vier Männer bildeten eine klingenwirbelnde Einheit, die zielbewußt auf den Mann zustieß, der mitten auf dem Deck des Achterkastells herumtanzte, Befehle brüllte und mit einem zierlichen Degen herumfuchtelte.

      Er war in Seide gekleidet, hatte einen bombastischen Hut auf der gelockten Perücke, eine Goldkette um den Hals und funkelnde Diamantringe an den Fingern beider Hände.

      Links und rechts von Hasards Gruppe sanken Spanier zu Boden. Einige – den Seewolf vor Augen – fanden sogar Zeit, sich zu bekreuzigen, bevor sie das Deck aufsuchten.

      Ja, jetzt war er der Seewolf – ein um sich schlagender Teufel mit grellblauen, wilden Augen, einem wilden Lachen, einer wilden, ungestümen Kraft.

      Der Don mit dem Degen wurde weiß im Gesicht, als dieser tobende Riese auf ihn zuwirbelte. Er ließ den Degen fallen und reckte die Arme in die Höhe, als wolle er kundtun, daß er wehrlos sei.

      Smoky, Blacky und der Stückmeister fegten das Deck des Achterkastells leer, als seien sie Schnitter in einem Kornfeld.

      Der Senor Captain jammerte und wurde fast grün im Gesicht, als ihm Hasard die Spitze des Kurzsäbels auf die Gurgel drückte.

      „Streich die Flagge, Don Philipp!“ schrie ihn der Seewolf mit rollenden Augen an. „Oder ich piek dich!“

      Dem Captain schlotterten die Knie. Er verstand zwar kein Englisch, aber er begriff so ungefähr, was dieser barbarische Riese von ihm forderte. Er nickte hastig und haspelte ein Stakkato spanischer Kommandos herunter.

      Das wirkte.

      Alle Männer an Bord der Galeone standen plötzlich steif wie die Ölgötzen – mit gesenkten Waffen und glotzenden Augen.

      Hasard stieß den Captain an und deutete auf das riesige Tuch im Großtopp, das mit den Farben und dem Wappen der spanischen Krone geziert war.

      „Weg mit dem Lappen!“ befahl er. Dabei kitzelte er ein bißchen die Kehle des Captains.

      Der gurgelte einen Befehl.

      Eine Viertelstunde später sank das schwere, doppelt gefütterte seidene Tuch am Mast nach unten. Der Spanier hatte endgültig kapituliert.

      Ein Begeisterungsschrei brandete über das Deck der „Marygold“, die längsseits der spanischen Galeone lag und ihre Segel auf gegeit hatte.

      Bord an Bord trieben die beiden Schiffe mit dem Wind.

      Der Kapitän stieg herüber, breit lächelnd, zwei Pistolen im Gürtel, einen Degen in der Faust. Hinter ihm folgte die Entermannschaft der „Marygold“, ergoß sich über das Deck des Spaniers und entwaffnete die Dons. Sie wurden zum Vorkastell getrieben und eingeschlossen.

      Der Kapitän stieg den Niedergang zum Achterkastell hoch, erwies dem spanischen Captain seine Reverenz, indem er chevaleresk mit dem Degen grüßte, und wandte sich an den Seewolf.

      „Sie sind doch ein ganz verdammter Teufelsbraten, Killigrew“, sagte er. „Meinen Respekt für den hervorragenden Schuß und Ihr blitzartiges Enterunternehmen.“

      „Danke, Sir“, sagte Hasard, „gelernt ist eben gelernt.“

      „Bei Sir John, wie?“

      „Bei Sir John“, bekräftigte Hasard und zeigte sein Raubtiergebiß.

      „Erstaunlich“, murmelte der Kapitän, wandte sich dann an den Stückmeister und sagte: „Meinen Dank auch Ihnen, Burnaby, und Ihnen, Smoky und Blacky.“ Er räusperte sich. „Der Profoß wartet drüben auf euch vier. Ich habe ihm noch eine Flasche von meinem – hm – schottischen Beständen für euch gegeben. Laßt sie euch schmecken!“

      „Aye, aye, Sir!“ sagten die vier Männer im Chor.

      Eine Flasche vom Schottischen des Kapitäns war soviel wert wie ein Orden. Sie war eine Auszeichnung, zumal der Kapitän ein äußerst sparsamer Mann war und die Flaschen aus Schottland wie seine Augäpfel hütete.

      Hasard hatte einen neuen Rekord aufgestellt. Innerhalb seiner kurzen Zeit an Bord der „Marygold“ hatte er bereits zwei „Auszeichnungen“ errungen – was so viel bedeutet, daß der große Francis Drake ihm mehr als nur Wohlwollen entgegenbrachte. Allerdings war das Hasard zu dieser Zeit noch nicht so recht klar. Er kannte eben seinen Kapitän noch nicht.

      Die vier Männer verließen das Achterkastell, und der Kapitän wandte sich dem Spanier zu.

      Hasard sprang von der Kuhl des Spaniers auf das Mitteldeck der „Marygold“ hinunter. Drakes Schiff nahm sich neben dem Spanier wie ein Windhund neben einem Elefanten aus. Erst jetzt wurde es Hasard so richtig bewußt, was für ein tolldreistes Stück es gewesen war, diesen Brocken anzugreifen.

      An der Nagelbank des Großmastes lehnte der Taubstumme, eine Pistole in der Faust. Er blickte Hasard entgegen, und in seinen dunklen Augen glühte ein mörderisches Funkeln. Er sah aus, als wolle er dem Seewolf an die Gurgel springen.

      Hasard stutzte und sah ihn


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