Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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da ist noch Wobia ...“ Sein Blick suchte Wobia, die dort beim Vorschiff sein mußte.

      Hasard und Ferris Tucker wechselten einen schnellen Blick – der Seewolf ziemlich hilflos, Ferris Tucker mit einem Zwinkern des rechten Auges.

      „Da!“ sagte Batuti und zeigte auf eine samthäutige Antilope, die auf einer Stufe des Niedergangs zur Back saß und verträumt über das Schanzkleid hinweg auf die See starrte. Sie blickte nach Osten, wo weit hinter der Kimm Afrika sein mochte.

      Und genau zu diesem Zeitpunkt hatte Matt Davies die Frachtluke geöffnet und eine Jakobsleiter hinuntergelassen, um den beiden ersten Dons routinemäßig ihren zweiten „Ausgang“ zu gewähren.

      Aus der Ladeluke tauchte der Kopf von Juan Descola auf.

      Batuti gab so etwas Ähnliches wie ein Knurren von sich.

      Wobia, die samthäutige Antilope, starrte weiter verträumt nach Osten. Sie saß nur drei Schritte entfernt vom Süllrand der Ladeluke.

      Hasards Gesicht versteinerte. Er sah zu, wie der kleine Capitan an Deck stieg und von Matt Davies die Segeltuchpütz in Empfang nahm. Er schlenkerte sie an dem Stropp, der den Henkel bildete und schaute sich auf dem Deck um – dem Deck, über das er bisher befohlen hatte.

      Es geschah in Bruchteilen von Sekunden.

      Die Segeltuchpütz flog Matt Davies ins Gesicht, ein riesiger Satz, und dann war Juan Descola über Wobia, riß sie vom Niedergang und wälzte sich über sie.

      Wobia schrie gellend auf.

      Matt Davies wischte die Segeltuchpütz beiseite, duckte sich und nahm die Rechte mit dem furchtbaren Haken zurück.

      Ein Schatten huschte an ihm vorbei – der Seewolf.

      Mit einem wilden Sprung erreichte er den Capitan, der mit zuckendem Körper über der sich windenden Negerin lag. Er packte in die Hemdkrause, riß das Männchen hoch, stellte es vor sich hin und ließ die Hemdkrause los.

      Dann trat Hasard einen Schritt zurück und sagte, ohne den Capitan aus den Augen zu lassen: „Zieh die Jakobsleiter hoch, Matt.“

      „Aye, aye, Sir“, sagte Matt Davies fast erschrocken und griff augenblicklich zu.

      Capitan de Pordenone, der gerade an Deck steigen wollte, kippte mit einem Aufschrei wieder zurück. Er krachte mit dumpfen Poltern auf die Planken des Frachtraums.

      Das Männchen stand zusammengekrümmt vor Hasard, Speichel in den Mundwinkeln, Haß in den Augen – Haß und Gier und Wahnsinn –, die Finger beider Hände wie Krallen gespreizt. Ein stoßweises Keuchen drang durch seine messerscharfen Lippen. Schweiß glitzerte auf der knochigen, fahlgelben Stirn.

      „Jetzt mach ich Picadillo aus dir“, sagte Hasard und spuckte in die Hände.

      Picadillo-Hackfleisch!

      Das Männchen zuckte zusammen, als es das Wörtchen „Picadillo“ hörte.

      Wobia flüchtete aufs Vordeck. Wer sich auf der Kuhl befunden hatte, verschwand, einige auf die Back, andere aufs Achterkastell, Matt Davies und Donegal Daniel O’Flynn in die Wanten.

      Mit einem Riesensatz rettete sich das Männchen hinter die Frachtluke. Zwischen ihm und Hasard gähnte jetzt ein Quadrat von drei mal drei Yards.

      Hasard lächelte verächtlich.

      Das Männchen griff hinter sich zur Nagelbank des Großmastes und riß einen Belegnagel heraus.

      Hasard wartete, locker und dabei etwas angeduckt. Ohne auch nur einmal mit den Wimpern zu zucken, blickte er das Männchen unbewegt an – Sekunden, Minuten. Descola wurde unruhig, wich dem Blick dieser eisblauen Augen aus, wandte den Kopf hin und her, sah in die kalten Gesichter der Engländer und die haßglühenden Augen der Neger. Sein Adamsapfel bewegte sich in der Kehle. Er wirkte wie eine in die Enge getriebene Ratte.

      Aufreizend langsam löste der Seewolf seinen Lederriemen und zog ihn aus den Schlaufen. Er nahm ihn in die Rechte und ließ ihn hin und her pendeln. Unverwandt starrte er das Männchen an.

      Dem Capitan gingen die Nerven durch. Mit einem Aufschrei schleuderte er den Belegnagel auf Hasard, der etwas zur Seite wich. Das eisenharte Holz flog an seinem Kopf vorbei, prallte auf das straffgespannte Fockfall, ein Ton wie von einer riesigen Baßsaite klang auf, das Holz wurde abgefedert und wirbelte über das Schanzkleid in die See.

      „Jetzt spielt er auch noch mit unseren Belegnägeln herum“, sagte Ferris Tucker erbittert.

      Hasard glitt um die Frachtluke herum.

      Das Männchen blickte gehetzt nach links und rechts, flitzte über die Kuhl, griff in die Backbordwanten des Großmastes und kletterte hoch.

      Nun stand über ihm Matt Davies auf den quergespannten Webleinen. Er trat mit dem Stiefel zu und sagte: „Dort unten ist die Arena, du Torero!“

      Brüllend krachte Juan Descola auf die Planken zurück, sprang aber sofort wieder auf. Da war der Seewolf heran. Sein erster Schlag mit dem Lederriemen zerfetzte die lächerliche Halskrause, beim nächsten wickelte sich der Riemen um den dürren Hals Descolas und hinterließ einen blutigen Striemen. Gnadenlos fielen die weiteren Schläge und peitschenartigen Hiebe, bis die Kleidung in Fetzen hing.

      Er trieb den brüllenden Mann kreuz und quer über die Kuhl, und wenn Juan Descola jemals einen Stolz besessen haben sollte, so wurde er jetzt erbarmungslos gebrochen – vor den Augen der Schwarzen, die zusahen, wie ein weißer Mann von einem anderen weißen Mann ausgepeitscht wurde.

      Er hatte die Neger erniedrigt, jetzt geschah ihm das gleiche. Er winselte und heulte und schrie, er hüpfte mit grotesken Sprüngen über die Kuhl – ein böser, widerwärtiger Kobold, der voller Gift und Brutalität und Gemeinheit war. Jetzt verabfolgte ihm der Seewolf eine Lektion, die er wohl nie wieder vergessen würde. Freilich war zu bezweifeln, ob dieser Mann sich je ändern würde.

      Wimmernd hockte sich Juan Descola hin und hielt die Arme schützend über den Kopf.

      Hasard warf Ferris Tucker den Lederriemen zu, riß den Capitan hoch und schmetterte ihm abwechselnd Rückhandschläge und Maulschellen um die Ohren. Blitzschnell und knallhart fielen die klatschenden Schläge, und der Kopf des Capitans flog nach links, nach rechts, nach links, nach rechts wie bei einer Marionette, deren Kopf von zwei Schnüren hin und hergezogen wird.

      Juan Descola schrie hysterisch und in schrillem Diskant.

      Angewidert ließ Hasard ihn los, drehte ihn um und trat ihm in den Hintern.

      Kopfüber schoß der Capitan in die Ladeluke und landete krachend unten auf den Frachtraumplanken.

      „Hoffentlich hat er sich das Genick gebrochen“, sagte Ferris Tucker grimmig und warf Hasard den Gürtel zu.

      Hasard fing ihn auf und schnallte ihn wieder um. Dann trat er an den Süllrand und schaute nach unten.

      „Capitan de Pordenone?“

      „Si?“

      Der braungebrannte Capitan mit der Adlernase und dem frechen Bärtchen auf der Oberlippe trat unter die Luke und blickte hoch.

      „Hören Sie mir gut zu, Senor Capitan“, sagte Hasard. „Ihr Freund Descola – Sie nannten ihn jedenfalls Ihren Freund – ist ein Vieh. Vielleicht haben Sie es eben noch mitgekriegt. Er wollte über eine der Negerinnen herfallen, und ich habe ihm dafür eine Tracht Prügel verabreicht. Lassen Sie es sich von seinen Leuten erzählen, was er den Schwarzen noch alles angetan hat. Anders als er gewährte ich Ihnen die Vergünstigung, zweimal am Tag hier oben frische Luft schnappen zu können. Das ist jetzt vorbei. Beschweren Sie sich bei Ihrem Freund Descola. Ich habe etwas dagegen, Gefangene so zu behandeln, wie es bei Descola üblich zu sein scheint. Aber sein Verhalten zwingt mich dazu. Das ist keine Entschuldigung, sondern eine Feststellung. Das wär’s, Senor Capitan.“

      „Was haben Sie mit uns vor?“

      „Ich werde Sie irgendwo an Land setzen, mein Freund – bis dahin wird der Frachtraum Ihre ständige


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