Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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als er die Schlüssel ausprobierte. Sie paßten zu den vier Schlössern, mit denen die Ketten kreuzweise verbunden waren. Sie klirrten zur Seite, und dann stemmte der Schiffszimmermann die Ladeluke hoch und schob sie vom Süllrand.

      „Verflucht!“

      Hasard fuhr herum, als die Baßstimme Ferris Tuckers ertönte. Er hatte zur „Santa Barbara“ hinübergeschaut, wo Smoky sicherlich sehnsüchtig auf ein Zeichen von ihnen wartete.

      Die drei Männer bei der Ladeluke standen gebückt da und starrten in den Frachtraum. Sie wirkten wie versteinert.

      „Was gibt’s?“ rief Hasard.

      Ferris Tucker hob langsam den Kopf, richtete sich auf und blickte zu Hasard hoch.

      „Schwarze“, sagte er tonlos, „Neger! Der ganze Frachtraum ist mit Negern vollgestopft. Schau’s dir an, Hasard.“

      Mit einem Satz war der Seewolf auf der Kuhl und beugte sich über den Süllrand.

      Der Gestank, der ihm entgegenprallte, war unbeschreiblich. Aber das war gar nicht einmal das schlimmste. Viel schlimmer war der Ausdruck in den Gesichtern, die zu ihm hochstarrten.

      „Mein Gott“, murmelte Philipp Hasard Killigrew erschüttert.

      Wild rollende Augäpfel in grauen Gesichtern, aufgerissene Münder, die gierig die frische salzige Luft einatmeten, Hände, die sich bettelnd hochreckten, blutig gepeitschte Rücken mit schwärenden Wunden – geschundene, leidende Menschen einer Rasse, die man noch unter dem Tier einstufte, Arbeitsvieh, das billig eingekauft und auf den Sklavenmärkten teuer und meistbietend verschachert wurde.

      Sitzen konnten sie nicht in dem Frachtraum, liegen schon gar nicht. Sie standen bis zu den Oberschenkeln in einer stinkenden Brühe von Salzwasser, Urin, Exkrementen und Erbrochenem.

      „Mein Gott“, sagte Hasard noch einmal ganz leise.

      „Du – Engländer, Ssör?“ sagte eine tiefe Stimme zwischen all den grauen Gesichtern.

      Ein herkulisch gebauter Neger plantschte direkt unter das Luk und starrte zu Hasard hoch. Er hatte ein knochiges Gesicht, eine kleine und gerade Nase, kurzes Kraushaar. Im Licht der Fackeln spielten die mächtigen Muskelstränge unter der samtenen Haut.

      „Du sprichst unsere Sprache?“ fragte Hasard verwundert.

      „Gelernt – in Mission, Ssör. Du uns befreien?“

      „Worauf du dich verlassen kannst“, erwiderte der Seewolf. Es rutschte ihm heraus, und im selben Moment wurde ihm bewußt, was das bedeutete.

      Er und fünfzehn Männer sollten eine Beutegaleone nach Plymouth segeln. Und was taten sie? Sie kaperten eine zweite Galeone, weil sie auf weitere Beute erpicht waren. Und was enthielt sie? Statt der erwarteten Schätze führte sie menschliche Fracht – schwarze Fracht an Bord, Verdammt, dreimal verdammt, wo sollte er mit den Schwarzen hin? Sie etwa nach Afrika zurückbringen?

      Alles das schoß ihm innerhalb von Sekunden durch den Kopf. Zwischen zusammengebissenen Zähnen sagte er: „Werft ihnen eine Jakobsleiter hinunter. Stellt Pützen mit Seewasser bereit, damit sie sich waschen können. Blakky, sieh zu, daß du in der Kombüse etwas zubereitest. Ben, pull mit vier Männern zur ‚Santa Barbara‘ und bring sie hier längsseits. Matt?“

      „Sir?“

      „Jag diesen verdammten Capitan an die Pumpe. Er soll pumpen, bis er schwarz wird, dieser Drecksack. Tritt ihm in den Hintern, wenn er frech wird oder nicht pariert.“

      „Geht klar, Sir.“ Und schon trat der Haken in Aktion, mit dem er den Capitan zur Pumpe trieb.

      „Ferris, untersuch diesen Kasten. Ich glaub nicht daß er leckt. Die haben das Wasser aus lauter Bosheit in den Frachtraum gelassen. Aber sicher ist sicher.“

      „Aye, aye.“

      Auf der Steuerbordseite der „Barcelona“ klatschte etwas ins Wasser. Hasard sprang zum Schanzkleid und schaute nach unten.

      Ben Brighton stand auf der Achterducht des Bootes und wischte sich die Hände an der Hose ab. Achteraus von dem Boot trieb ein menschlicher Körper und wiegte sich in der Dünung.

      Ben Brighton blickte zu Hasard hoch und sagte: „’n toter Spanier, halb aufgeschlitzt. Er lag im Boot, und ich hab ihn ...“

      „Schon, gut, Ben.“ Hasard trat zur Seite und sah zu, wie die vier Männer über die Jakobsleiter nach unten ins Boot kletterten.

      Dann wandte er sich um und blickte zu der Frachtluke. Dort kniete der riesige Neger am Süllrand und langte nach unten. Anscheinend half er jemandem, der auf der Jakobsleiter hochstieg.

      Und dann erstarrte Hasard, denn bisher hatte er das glattweg übersehen.

      Die Gestalt, der dieser riesige Neger aus dem Frachtraum hochhalf, war unverkennbar weiblichen Geschlechts. Sie war nackt – bis auf den Lendenschurz. Ja, nackt. Und gebaut wie, verdammt, wie diese – diese Venus von sonstwo.

      Hasard stieß scharf die Luft aus, die er angehalten hatte. Und seine Männer, die um die Luke herum standen, hatten Augen so groß wie Teller und offene Münder, in die eine Bratpfanne hineingepaßt hätte.

      „O Mann“, murmelte Hasard vor sich hin. „Was hast du dir da eingebrockt?“

      Und dann erschien die zweite Venus, die dritte, die vierte. Mechanisch zählte Hasard mit und hatte das Gefühl, mit einem Brett vor dem Kopf durch irgendeinen Nebel zu rennen.

      Siebzehn!

      Siebzehn junge Negerinnen, lendenbeschürzt und sonst von untadeligem Körperwuchs. Hasard wischte sich über die Augen und spürte dankbar, daß er das Schanzkleid im Kreuz hatte. Am liebsten hätte er sich über Bord gestürzt.

      Hasard schloß die Augen, als die erste Venus ihren Lendenschurz abstreifte und sich mit spitzen, freudigen Juchzern einen Eimer Wasser über den Kopf goß. Er hörte das Trappeln nackter Füße über das Deck, das Platschen der Pützen, die ins Wasser fielen, das Geschnatter weiblicher Stimmen, das Plätschern des Wassers – und er dachte, daß dies alles nur ein Traum, ein total und völlig verrückter Traum sei.

      Es war kein Traum. Es war eine Badeorgie, die diese siebzehn schwarzen Schönheiten veranstalteten. Das Wasser lief über die Kuhl und gurgelte durch die Speigatten wieder außenbords. Und seine Männer holten immer neue Pützen hoch und grinsten wie dämliche Mondkälber, wenn sie einer Schönen die volle Pütz überreichten, Kratzfüße zelebrierten und sich geradezu überschlugen, die leere Pütz so schnell wie möglich am Tampen wieder ins Wasser zu kippen und hochzuhieven.

      Klar! Diese Hundesöhne, diese ausgekochten Rübenschweine – das Überreichen der Pütz, die Kratzfüße und das Wiederentgegennehmen der entleerten Pütz, das dauerte wesentlich länger als das Außenbordskippen und Hochhieven, bei dem man den Nackedeis – leider – den Rücken zudrehen mußte.

      Wenn diese verdammten Weiber nur nicht so mit ihren Brüsten und mit ihrem Hintern wackeln würden, dachte Hasard verzweifelt. Und er atmete auf, als sich in die Badeorgie dann Neger mischten. Da wurde der Eifer seiner Männer allerdings auch lahmer.

      Was für Burschen, diese Schwarzen! Ja, sie waren geschunden und geprügelt und ausgepeitscht worden. Sie hatten Eiterwunden und mußten halb verhungert und verdurstet sein. Aber sie gaben sich dem beißenden Salzwasser mit einer Freude hin, die etwas Naives und doch Wildes hatte. Sie spülten nicht nur den äußeren Dreck und Schmutz von ihren Körpern. Sie reinigten sich auch von der Schmach, die ihnen Weiße zugefügt hatten. Es war ein Ritual, das sie vollzogen.

      Und plötzlich sang dieser riesige Neger, der englisch gesprochen hatte. Die anderen fielen ein. Es war eine traurige Melodie, aber jäh wurde sie wild, rhythmisch, aufpeitschend.

      Hasard stieß sich von dem Schanzkleid ab und sah selbst ziemlich wild aus, als er durch die Masse der Schwarzen hindurchging und auf das Achterdeck stieg.

      Als er sich umdrehte, verstummte der wilde Gesang. Der Herkules von Neger trat vor und blickte zu ihm hoch.


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