Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


Скачать книгу
und Knochen zersplittert. Eine solche Spake war eine fürchterliche Waffe.

      Nicht für Hasard.

      Die Männer, die auf der Kuhl dieses seltsame Duell beobachteten, stöhnten, als sie sahen, daß ihr Kapitän drauf und dran war, seinen Kopf an dieser Spake auszuprobieren.

      Denn eben stand dieser schwarzhaarige Schädel noch genau dort, wo ihn die Spake treffen mußte. Aber tatsächlich befand er sich eine knappe Fingerbreite darunter, als der Hieb über ihn hinwegfegte.

      Es sah so verdammt leicht aus.

      Die Spake krachte in das Holz des Achterkastells. Hasard federte hoch, und dann stand mit einer einzigen, geschmeidigen Armbewegung die Spitze des Degens genau auf der Kehle des Schiffszimmermanns.

      Der erstarrte zur Salzsäule, als er die Spitze spürte.

      „Jetzt bis du ein toter Mann, Ferris Tucker“, sagte Hasard. „Deine Spake ist einen Scheiß wert. Jedenfalls gegen einen Mann, der weiß, mit dem Degen umzugehen.“

      Ferris Tucker ließ die Spake sinken und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Etwas fahrig wischte er sie weg und starrte den Seewolf entgeistert an. Hasard senkte die Klinge und wurde biestig.

      „Capitan Descola hätte zugestochen, Ferris Tucker. Du kämpfst blind, weil du die Waffen deines Gegners nicht kennst. Aber du mußt sie kennen. Nur dann wirst du in der Lage sein, diesen Waffen so zu begegnen, daß du überlebst. Spake gegen Degen. Du darfst nie und nimmer drauflosprügeln, wie du es eben getan hast. Deine Spake ist eine stumpfe Waffe gegen diesen spitzen, scharf geschliffenen Degen. Nicht der Don ist dein Feind, sondern dieser Degen – der verlängerte, allerdings tödliche Arm des Gegners. Also schalte diesen Arm aus. Du hast nach meinem Kopf geschlagen. Den brauchte ich nur abzudukken. Schon im Abducken hätte ich die Zeit gehabt, dir den Degen durch den Hals zu stoßen. Während du die Spake schwingst und weit ausholst, bist du erstens völlig ungedeckt und läßt mir zweitens eine endlose Spanne Zeit, dich mit der Stoßwaffe ins Jenseits zu befördern. Begreifst du das?“

      „Aye, aye, Sir.“ Der riesige Mann schluckte. „Aber – aber was soll ich dann tun?“

      „Wenn du schon die Spake vorziehst, dann schlag mit ihr deinem Gegner die Waffe aus der Hand. Ziel nicht auf seinen Kopf. Knall ihm das Ding zwischen die Rippen. Ich wette, daß du ihm dabei den Arm brichst, der den Degen führt. Hör zu, Ferris. Einen Gegner, gleichgültig wer er ist, besiegst du nur, wenn du seine Waffen und die Art seiner Kampfführung kennst. Wir Engländer holzen drauflos und setzen brutale Gewalt gegen unsere Gegner ein. Diese Gegner aber zeichnet eins aus: schnelles und blitzartiges Fechten. Sie mögen uns von der Kraft her unterlegen sein, aber sie sind flinker als wir. Sie stoßen mit einer absolut tödlichen Waffe zu und springen zurück. Darauf, nur darauf hast du dich in deinem Kampfstil auszurichten. Du verachtest den Stoßdegen, und ich sage, lerne ihn kennen. Du brauchst nicht mit ihm zu fechten, aber du mußt zumindest wissen, wie er geführt wird, damit du ihm seine tödliche Wirkung nehmen kannst. Ist das klar?“

      Der Riese nickte. „Jetzt begreife ich es. Kannst du mir beibringen, wie man mit diesem Ding umgeht?“

      „Klar kann ich das“, sagte Hasard, „aber dafür bleibt uns keine Zeit mehr. Du bist gut mit der Spake. Aber vergiß nie, daß ein Gegner mit einem Degen auch gut sein kann. Denn das ist die Lektion: Du befindest dich in einem tödlichen Irrtum, wenn du die Waffe deines Gegners nicht kennst, verniedlichst oder verächtlich abtust.“

      „Kapiert“, sagte der Riese. „Hast du bei Sir John das Fechten gelernt?“

      Hasard lachte lauthals. „Bei dem? Nein. Der schlug auch am liebsten mit dem Knüppel zu. Aber er war immerhin schlau genug, einen italienischen Fechtmeister nach Arwenack zu holen. Der hat mich gebimst und mir beigebracht, mit Hieb- und Stichwaffen umzugehen.“

      Ferris Tucker seufzte. „Mein Vater war Schmied.“

      „Und meiner ein mieser Stinkstiefel und gottverdammter Leuteschinder. Frag Dan O’Flynn, dessen Vater bei meinem Alten ein Bein verloren hat.“

      „Das Holzbein hat Sir John aber bezahlt!“ schrie das Bürschchen. „Alles was recht ist.“

      „Richtig“, sagte Hasard scharf, „das hat er. Aber weißt du auch, von welchem Geld?“

      „Nein.“

      „Dann hör zu, Junge, damit du kapierst, was für Hyänen auf Schloß Arwenack sitzen. Das Geld dafür hat der verdammte Alte, den ihr unten in Falmouth voller Verehrung ‚Sir John‘ nennt, aus einem seiner Pächter herausgeprügelt. Oder dachtest du etwa, er hätte in seine eigene Schatulle gegriffen, he? O nein – nicht dieser miese Geizkragen. So ist das, und jetzt hör endlich auf, die Killigrews für edle Wohltäter zu halten. Hast du mich verstanden?“

      „Aber du bist ein Killigrew“, sagte das Bürschchen trotzig, „und auf die Killigrews laß ich nichts kommen.“

      „Du bist ja verrückt, Dan. Und irgendwie hast du eine merkwürdige Logik. Mein Alter hat deinem Alten ein Holzbein verpassen lassen, und genau mit diesem Holzbein pflegte dein Alter dich zu verdreschen, wie du selbst erzählst hast. Statt auf deinen Alten wütend zu sein, solltest du eher Sir John sämtliche Flöhe dieser Welt auf den Pelz wünschen, denn der hat mit erpreßtem Geld dieses verdammte Holzbein finanziert.“

      „Aber ...“

      „Nichts aber, Schluß der Debatte. Fang schon mal an der Pumpe an und denk darüber nach, was ich dir gesagt habe.“

      Donegal Daniel O’Flynn schniefte, zog seine Hosen hoch und trollte sich zur Pumpe.

      „Blacky?“

      „Ja?“ Blacky beugte sich über die Segeltuchumwandung des Großmarses.

      „Haben die Dons herübergeschaut? Haben sie Ferris und mich sehen können?“

      „Mir ist nichts aufgefallen. Außerdem wart ihr vom Achterkastell verdeckt.“

      „Gut. Paß auf, ob sie irgendwie registrieren, daß wir an der Pumpe arbeiten. Zunächst werden sie es für routinemäßiges Lenzen halten. Aber dann könnten sie neugierig werden. Ich möchte sofort Meldung haben, wenn sie näher herandrehen.“

      „Aye, aye.“

      Ferris Tucker begann, die Männer für die Entermannschaft auszusuchen. Hasard ließ Pete Ballie und Gary Andrews wieder ins Vordeck schaffen. Der Kutscher packte mit an und versorgte ihre Wunden. Petes Stichwunde verheilte bereits. Aber auch Garys Wunde sah nicht mehr so übel aus. Die Rötung ging zurück, Eiterbildung war nicht festzustellen.

      Der Kutscher strahlte. „Ich sag’s ja, Salzwasser heilt.“

      „Das schon“, sagte Hasard, „nur Knochenbrüche kriegst du damit nicht hin. Wie fühlst du dich, Gary?“

      „Viel, viel besser. Nur dauernd müde.“

      „Der Blutverlust“, sagte Hasard, „aber den holst du wieder auf.“

      „Klar“, sagte Gary Andrews, „und vielen Dank auch für – für alles und so. Pete hat’s mir erzählt ...“

      „Pete ist eine alte Schnattertante, die um einen Furz einen Heiligenschein häkelt.“

      Der Kutscher, Pete und Gary grinsten, und Hasard sah zu, aus dem Vordeck zu verschwinden.

      Die Sonne im Westen war inzwischen zu einem glutroten Ball geworden. Die schwarze Galeone Steuerbord achteraus schien in einer feurigen Lohe zu stehen, das Meer spiegelte rötliche bis goldene Farben, wie sie nur die Natur zu schaffen vermochte. Sie wechselten in fast spielerischer Laune, wurden aber immer satter und dunkler.

      Das Bürschchen und ein anderer Mann der Besatzung standen an der Pumpe und schwitzten. Andere schleppten Pützen. Sie tauchten aus dem Niedergang zum Unterdeck auf, eilten über die Kuhl zur Backbordseite – die von der „Barcelona“ nicht eingesehen werden konnte – und entleerten die Pützen. So wirkte es jedenfalls, denn Wasser befand sich nicht in den hölzernen Eimern. Aber es wirkte echt, und Hasard grinste


Скачать книгу