Seewölfe Paket 1. Roy Palmer
das Schanzkleid klettern, nehmen wir sie gebührend in Empfang und packen sie verschnürt zu den anderen.“
„Mann, ist das ein Ding!“ stieß Ferris Tucker hervor.
„Langsam, Ferris“, sagte Hasard, „jetzt wird’s nämlich ernst. Und hier wird das Unternehmen für uns gefährlich. Wir müssen entern und kämpfen. Allerdings haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Wir werden mit etwa zehn Männern unserer Besatzung in dem Boot der Spanier zur ‚Barcelona‘ pullen und die Dons überrumpeln. Wenn es mir gelingt, den Capitan der ‚Barcelona‘ zur Aufgabe zu zwingen, haben wir es geschafft. Ben, du mußt mir noch ein paar spanische Brocken beibringen, die dafür passend sind ...“
„Was denn? Entere ich nicht mit?“ fragte der Bootsmann empört.
„Nein“, erwiderte Hasard, „mach dich gleich damit vertraut, daß du die ‚Santa Barbara‘ übernehmen wirst, wenn wir die ‚Barcelona‘ gekapert haben. Oder traust du dir das nicht zu?“
„Aye, aye, Sir“, sagte Ben Brighton und hatte plötzlich eine sehr breite Brust.
„Na also“, sagte Hasard. „Weitere Einzelheiten besprechen wir noch. Unser Unternehmen starten wir heute abend, wenn es zu dämmern anfängt. Wenn es ganz dunkel ist, pullen wir zur ‚Barcelona‘ hinüber und entern. Ferris, übernimmst du jetzt die Wache? Ich möchte mich mit dem Capitan noch einmal unterhalten. Ben, du haust dich unter dem Achterkastell aufs Ohr, mußt aber sofort bereit sein, wenn Ferris dich als Dolmetscher braucht. Ich löse Ferris in drei Stunden ab. Ben, du gehst dann mit mir die Wache und bringst mir spanische Vokabeln bei. Alles klar?“
„Alles klar“, sagten die beiden.
Ferris Tucker äugte noch mal auf den Notmast.
„Und wo kriegen wir einen besseren Mast her?“
„Vielleicht hat die ‚Barcelona‘ Ersatz, den wir verwenden können“, erwiderte Hasard. „Oder wir segeln zu den Azoren und legen einen Baum um, was, wie?“
„Affenarsch und Rübenschwein“, sagte Ferris Tucker. „Der alte Carberry fehlt mir direkt.“
„Mir auch“, sagte Hasard und dachte an den eisernen Profos auf der „Marygold“.
Sie gingen nach achtern, und Ferris Tucker übernahm die Wache. Hasard inspizierte seine Männer, die an Oberdeck der üblichen Bordroutine nachgingen – ja, sie waren alle „spanisch“ gekleidet. Die Dons auf der „Barcelona“ mußten schon sehr, sehr scharfe Augen haben oder noch dichter heransegeln, um die Verkleidung zu erkennen.
Er hoffte nur, daß nicht vor dem Dunkelwerden etwas Unvorhergesehenes passierte. Hatte er an alles gedacht? Er blickte zum Großmars hoch. Donegal Daniel O’Flynn hatte seinen Ausguckposten bezogen. Er linste zu Hasard hinunter und kaute auf einer Speckscheibe.
„Dan!“ rief Hasard nach oben. „Behalte vor allem die ‚Barcelona‘ im Auge. Alles, was dir dort ungewöhnlich erscheint, bitte sofort melden. Wir müssen immer damit rechnen, daß die Dons aus irgendeinem Grunde mißtrauisch werden. Also paß scharf auf.“
„Aye, aye!“ rief das Bürschchen nach unten. „Nehmen wir den Kasten hopp?“
„Schätze, ja“, erwiderte der Seewolf.
Das Bürschchen pfiff begeistert, und Hasard hätte ihm dafür am liebsten einen Tritt in den Hintern verpaßt. „Wenn dir mal ein Ohr abgesäbelt wird, pfeifst du nicht mehr, du Läuseknacker!“
„Ich habe ja noch eins“, sagte der Lümmel.
„Und wenn du wie dein Vater ein Bein verlierst?“
„Krieg ich ’n Holzbein, genau wie der Alte, der mich mit seinem immer verdroschen hat. Ha! So’n Holzbein aus englischer Eiche, das ist was, das ist ’ne richtige Waffe, ist das, jawohl.“
„O Gott“, sagte Hasard, „du hast doch ein zu sonniges Gemüt.“
„Der Don fällt auf uns ab!“ sagte das Bürschchen erregt. „Er segelt dichter ran!“
Hasard wirbelte herum und blickte nach Steuerbord achteraus. Tatsächlich. Die „Barcelona“ ging mehr vor den Wind. Verdammt, verdammt!
„Der Bootsmann sofort aufs Achterdeck!“ rief er Blacky zu, der damit beschäftigt war, das Kuhldeck zu schrubben.
Blacky schoß wie der Blitz unter das Achterkastell und erschien ein paar Sekunden später mit Ben Brighton, der sich hastig die rote Zipfelmütze über den Kopf zog.
„Rauf zu Ferris!“ rief Hasard. „Schnell, Ben!“
Der Bootsmann enterte aufs Achterdeck, Hasard folgte ihm, schnappte sich eine lange Leine und tat so, als schieße er sie fein säuberlich auf. Dabei drehte er Ferris Tucker und Ben Brighton den Rücken zu – ein beschäftigter Seemann, der das Achterdeck aufklart.
„Starrt nicht alle zu der verdammten Galeone hinüber“, sagte er scharf. „Tut so, als sei alles völlig normal. Ferris, wenn der Don die Absicht erkennen läßt, den wilden Mann zu spielen, dann nichts wie runter aufs Kuhldeck und ran an die Kanonen, klar?“
„Aye, aye, Sir“, sagte der Schiffszimmermann mit seiner Baßstimme. Sie klang völlig ruhig.
Hasard spähte über die Schulter. Die schwarze Galeone segelte auf Rufweite heran. Auf dem Deck des Achterkastells standen drei Männer. Einer winkte, hielt dann die Hände trichterförmig vor den Mund rief etwas zu ihnen herüber.
„Er entbietet Capitan de Pordenone seinen Morgengruß“, sagte Ben Brighton mit zusammengebissenen Zähnen.
„Auch das noch. Sag ihm, der Capitan habe sich in seine Kammer begeben, um Schlaf nachzuholen, und er wolle nur geweckt werden, wenn etwas Außergewöhnliches geschehe.“
Ben Brighton nickte, formte die Hände zum Trichter und brüllte ein paar spanische Sätze zur „Barcelona“ hinüber.
Drüben wurde „Verstanden“ gezeigt, ein paar Kommandos ertönten, die „Barcelona“ ging wieder auf ihren alten Kurs zurück und sackte Steuerbord achteraus.
Die Männer auf der „Santa Barbara“ atmeten auf.
„Die sägen vielleicht auf unseren Nerven herum“, sagte Ben Brighton mißbilligend. „Ich war gerade eingeschlafen.“
„Geh runter und penn weiter“, sagte Hasard. „Ferris, laß vorsichtshalber drei Kanonen auf der Steuerbordseite feuerbereit machen, aber nicht zu auffällig. Die Männer sollen so tun, als würden die Waffen gereinigt.“
„Aye, aye.“
„Sind Pete und Gary noch im Unterdeck?“
„Nein, im Vordeck. Ben hat sie direkt am Schott untergebracht, wegen der frischen Luft.“
„Gut. Ich schau sie mir nachher an. Ich bin jetzt beim Capitan im Unterdeck, falls was los ist.“
Die Gefangenen wurden von Smoky bewacht, der auf einer Backskiste saß und mit einer Pistole spielte. Die sechs bewußtlosen Dons waren inzwischen zu sich gekommen. Alle zehn sahen nicht sehr glücklich aus.
Smoky stand auf, als Hasard das Unterdeck betrat.
„Alles klar hier, Smoky?“
„Aye, aye. Nur der Capitan ist ständig am Maulen.“
Gemütvoll sagte Hasard: „Dagegen wirkt ein Knebel Wunder.“
Smoky grinste. „Soll ich ...“
„Noch nicht, nur wenn’s schlimmer wird.“ Hasard trat vor den Capitan und schaute auf ihn hinunter. „Capitan Descola von der ‚Barcelona‘ läßt Ihnen seinen Morgengruß entbieten, Capitan. Ich habe ihm sagen lassen, Sie hätten sich zur Ruhe begeben und wünschten nicht gestört zu werden. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne.“
In den dunklen Augen des Spaniers schimmerte verhaltene Wut.
„Alle