Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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      8.

      Der Nachthimmel war sternenklar, der Mond zeigte sich als schmale Sichel – eine Nacht für Diebe und Schnapphähne, denn das Licht begünstigte sie. Sie sahen genug, konnten selbst aber nicht erkannt werden. Ihre Gesichter waren auch auf eine Entfernung von drei, vier Yards nur undeutliche, helle Flecke.

      Smoky ließ es sich nicht nehmen, die Vor- und Achterleine des Bootes loszuwerfen und nach unten zu geben. Er beugte sich über das Schanzkleid und sah zu, wie das Boot abgestoßen wurde und die Männer die Riemen ausbrachten.

      Hasard winkte zu ihm hinauf, und er winkte zurück.

      Smoky fluchte verhalten. „Verdammt, die spielen den Dons jetzt zum Tanz auf, und wir hängen hier herum und müssen zuschauen.“

      Er spähte voraus zur „Barcelona“. Sie war nur als großer schwarzer Schatten zu erkennen. Wie die „Santa Barbara“ trieb sie mit gegengebraßten Rahen nicht ganz quer zur See. Der Wind versetzte die beiden Galeonen leewärts, ohne daß sie Fahrt voraus liefen.

      „Siehst du unser Boot noch, Dan?“ rief er zum Großmars hoch.

      „Klar. Sie pullen ’nen ganz ruhigen Rundschlag wie alte Großväter auf der Themse. Die haben vielleicht die Ruhe weg.“

      „Und was ist mit der ‚Barcelona‘?“

      „Da tut sich nichts, soweit ich erkennen kann.“

      „Paß ja scharf auf, oder ich zieh dir die Haut vom Hintern.“

      „Ha!“ sagte das Bürschchen. „Du mir, was, wie? Dich frühstücke ich doch im Vorbeigehen ...“

      Indessen rückte der schwarze Schatten der Galeone für die Männer im Boot näher und näher. Hasard saß mit Ben Brighton auf der Achterducht. Als Backbordschlagmann pullte der riesige Ferris Tucker, der den schweren, klotzigen Riemen wie einen dünnen Holzspan handhabte. Neben ihm pullte Blacky.

      Einen Mann hatte Ferris Tucker für die Entermannschaft ausgewählt, der von besonderem Kaliber war: Matt Davies, Der hatte zwar keine rechte Hand, dafür aber eine bis zum Ellenbogen festgeschnürte Ledermanschette, deren unteres Ende einen metallenen Ring mit einem spitzgeschliffenen Haken aufwies. Matt Davies war als Kämpfer eine Klasse für sich. Im Nahkampf zog er den Gegner mittels des Hakens zu sich heran und ließ ihn ins offene Messer rennen, das er in der Linken bereithielt. Oder er fetzte einem Angreifer mal so eben den Haken durchs Gesicht.

      Als die Dons unter Capitan de Pordenone Hasards Mannschaft niedergerungen hatten, war ihm die Ledermanschette abgenommen worden. Er hatte sie im Unterdeck wiedergefunden – zum Glück, denn ohne dieses Ding fühlte sich Matt nur als halber Mensch. Aber mit diesem Haken am Armstumpf hatte er Macht und blieb bei den üblichen Schlägereien zumeist unbehelligt. Jeder halbwegs normale Mann schlug einen weiten Bogen um ihn, sobald er das blitzende Ding erkannte.

      Selbst zum Pullen war das Ding zu gebrauchen. Der Haken war so weit gerundet, daß er um den Schaft des Riemens herumgriff. Rechts würde Matt nie Blasen an den Fingern haben, hatte Smoky einmal fast neidisch festgestellt.

      Die Ledermanschette war ein unerschöpfliches Thema schon an Bord der „Marygold“ gewesen, denn Matt Davies gehörte zum Stamm der Besatzung. Die Tüftler unter den Decksmannen rieten Matt, es doch nicht nur bei dem Haken zu belassen. Man müsse ihn auswechseln können – mit Hämmern, kleinen Äxten, Messern und so.

      Jedenfalls sorgte Matt Davies’ fehlende Rechte für Gesprächsstoff, wobei natürlich auch sein Umgang mit dem weiblichen Geschlecht in allen Details erörtert wurde.

      Aber zur Zeit ging es um den Umgang mit der „Barcelona“, die zwar auch weiblich, aber immer noch mit achtzehn Kerlen bemannt war. Den Haken würden bestimmt einige unliebsam kennenlernen.

      Hasard und Ben Brighton beobachteten gespannt die schwarze Galeone. Sie sahen es gleichzeitig. Eine Fackel wanderte vom Achterkastell mittschiffs und verhielt auf der Steuerbordseite in Höhe des Großmastes. Sie erkannten, daß dort eine Jakobsleiter außenbords hing.

      „Na denn“, flüsterte Hasard, „sie haben uns gesichtet. Halte auf die Jakobsleiter zu, Ben.“ Und zu seinen Rudergasten sagte er: „Noch etwa fünfzig Yards, Männer, dann geht der Tanz los. Vergeßt nicht, daß wir sofort das Achterkastell stürmen. Und wenn ich bitten darf: lautlos!“

      Die Männer grinsten ihn an, während sich ihre Oberkörper vorbeugten, die Riemen ins Wasser hieben, durchzogen im langen Schlag und wieder aufrichteten. Ihre Waffen hatten sie unter den Duchten liegen, bis auf jene, die sie im Gürtel stecken hatten.

      Der Mann mit der Fackel schrie etwas.

      „Er will wissen, warum nur zehn zurückkehren“, sagte Ben Brighton leise.

      „Weil zwei helfen, das Leck abzudichten“, sagte Hasard bissig. „Der soll doch nicht so dämlich fragen.“

      Ben Brighton rief die Antwort zu der Galeone hoch, die jetzt wie ein klotziges Ungetüm vor ihnen aufragte.

      Der Mann beugte sich weit mit der Fackel über das Schanzkleid.

      „Du fällst gleich außenbords!“ rief Ben Brighton auf spanisch. Er steuerte die Jakobsleiter im spitzen Winkel an und flüsterte den Männern im Boot zu: „Nehmt die Riemen ein.“ Dann brüllte er auf spanisch: „Auf Riemen!“

      Der Mann mit der Fackel war etwas zurückgetreten. Nur noch Kopf und Schultern ragten über das Schanzkleid. In der Rechten hielt er die Fackel, in die der Wind stieß und die Flamme leewärts bog.

      „Der kokelt noch den verdammten Kasten an“, murmelte Ben Brighton und ratterte einen spanischen Fluch hinterher.

      Der Arm mit der Fackel zuckte zurück und blieb hoch über dem Schanzkleid stehen.

      Das Boot schurrte an die Bordwand. Matt Davies vorn im Bug erhob sich von der Ducht und schlug seinen Haken in die hölzerne Bordwand.

      Hasard hangelte nach der Jakobsleiter, zeigte seinen Männern das blitzende Wolfsgebiß und enterte wie eine Katze hoch. Hinter ihm folgte Ben Brighton, dann Ferris Tucker, dann Blacky und die anderen Männer, zuletzt Matt Davies, der schlicht eine Vorleine um die Jakobsleiter schlang und das Boot mehr schlecht als recht festlegte.

      Hasard stieg über das Schanzkleid und dem Mann mit der Fackel auf die Füße.

      „Pardon“, sagte er, nahm ihm die Fackel aus der Hand und hieb sie ihm über den Schädel. Funken sprühten auf, Pechtropfen zerplatzen auf dem Kopf des Spaniers, seine Haare fingen Feuer, er brüllte und sprang mit einem irren Schrei über das Schanzkleid.

      Wollte er sich abkühlen?

      Er raste in den nach oben gekehrten Haken von Matt Davies, der ihn gewissermaßen aufhielt. Der Haken verfing sich in Höhe der Kehle und riß von dort aus die Brust und die Bauchdecke des Spaniers fingerbreit auf. Aus dem Kopfsturz des armen Kerls wurde eine Rolle rückwärts. Matt Davies ruckte ein bißchen, der Körper des Spaniers löste sich überschlagend von dem Haken und klatschte auf die Vorderducht des Bootes unter der Jakobsleiter.

      Matt starrte nach unten und schüttelte den Kopf. Dieser Don hätte ihn fast mit in die Tiefe gerissen. Aber eines stand fest: Es waren nur noch siebzehn Dons. Dieser Don dort unten verblutete, und nichts, gar nichts würde seinen Tod noch aufhalten können.

      Aber sein Brüllen, bevor er mit brennenden Haaren über das Schanzkleid gestürzt war, hatte die Männer der „Barcelona“ aus dem Schlaf hochgescheucht, bis auf den zweiten Wachgänger.

      Und dessen Ansturm fing Ferris Tucker auf, der als dritter enterte. Er hob ihn einfach hoch und warf ihn außenbords. Da waren Hasard und Ben Brighton bereits auf dem Achterdeck.

      Aus dem Vorkastell brachen Männer hervor und warfen sich Ferris Tucker und der nachfolgenden Entermannschaft entgegen. Ein wütender Kampf Mann gegen Mann entbrannte. Der riesige Schiffszimmermann klatschte einen Spanier mit der Handspake gegen den Fockmast, überrannte den nächsten und stürmte Hasard und Ben Brighton aufs Achterdeck nach.

      Genau


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