Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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die Straße. Die beiden Kerle, deren Köpfe Hasard malträtiert hatte, schossen hoch wie kleine Teufelchen aus der Kiste und brüllten infernalisch.

      Der Inhalt des Topfes hing teils in ihren Haaren, teils bahnte er sich einen Weg in die Ausschnitte ihrer Hemden. Aber sie waren auch davor keineswegs peinlich sauber gewesen.

      Hasard schnüffelte angewidert.

      Der Mann, der Topf samt Inhalt auf die Millbay Road gekippt hatte, hing mit dem Oberkörper aus dem Fenster und schrie: „Mörder! Halsabschneider! Trunkenbolde!“

      Und aus der „Bloody Mary“ quollen die Zecher, aufgestachelt von dem hysterischen Geschrei Nathaniel Plymsons, der lamentierte, der blauäugige Teufel aus Cornwall habe ihm die Geldkatze geklaut.

      An der Ecke Millbay Road und St.Mary Street entwickelte sich eine jener Schlachten, von denen Großväter ihren Enkeln zu erzählen pflegen – nie bedenkend, daß solcherlei Erzählungen in den Gemütern der unschuldigen Kleinen zwar einiges Erschauern, aber keineswegs Abschreckung hervorriefen. Im Gegenteil.

      Denn in jener stürmischen Nacht entstand die Legende vom Seewolf.

      Es war Nathaniel Plymson, der den Kriegsnamen Philip Hasard Killigrews aus der Taufe hob. Die Zecher hatten ihn eingekeilt und schwemmten ihn mit nach draußen vor die „Bloody Mary“. Dort schlug er mit dem Knüppel um sich und brüllte – eingedenk der weißen Zähne, die ihn angegrinst hatten –, der „Seewolf“ sei los und räubere unter den braven Bürgern von Plymouth.

      Der Sturm pfiff dazu sein Lied.

      Seewolf!

      Das peitschte die Zecher in die richtige Stimmung. Vielleicht auch hatte ihnen der Sturm ein paar Flöhe unter die Hemden gepustet, und jetzt juckte ihnen das Fell. Prügeln macht Spaß, und jetzt wurde Dampf abgelassen.

      Ein Bulle von Kerl rannte mit gesenktem Kopf einfach los und rammte ihn dem Seewolf ins Kreuz. Damit war die Partie eröffnet. Hasard fiel nicht um. Er langte lässig hinter sich, schnappte den Bullen am Kragen und warf ihn über die Millbay Road ins Wasser. Jetzt hatte der Ohrringmann Gesellschaft, und sie brüllten im Duett.

      Gebrüllt wurde überhaupt sehr viel.

      Der nächste sprang wie ein Affe auf die breiten Schultern des Seewolfes, klammerte sich dort fest, lachte wie ein Irrer und zerrte an Hasards schwarzen Haaren. Das war eine hundsgemeine Art zu kämpfen. Aber vielleicht wollte der Affe feststellen, ob der Seewolf eine Perücke trug. Er hätte es nicht tun sollen. Er hätte ihn ja auch fragen können, und Hasard, höflich, wie es seine Art war, hätte ihm Rede und Antwort gestanden.

      So aber explodierte er. Das heißt, er warf sich zurück und quetschte den Affen an die Außenmauer der „Bloody Mary“. Der Affe vergaß sehr schnell, noch weiter an Hasards Haaren zu ziehen. Auch sein verrücktes Lachen brach abrupt ab. Wie ein Mehlsack rutschte er an der Mauer nach unten und fiel auf die Katzenköpfe.

      Unfreiwillig stellte er Nathaniel Plymson ein Bein. Er hatte Hasard gerade den Knüppel über den Kopf dreschen wollen. Nathaniel Plymson stolperte und ruderte über die Millbay Road. Er fiel einem der beiden Männer, die nicht nach Rosen dufteten, um den Hals. Zwar fand er Halt, aber dabei griff er in etwas Weiches. Der Duft sagte ihm, was es war.

      Von Jubel war Nathaniel Plymsons Entsetzensschrei weit entfernt.

      Die Kämpfer zuckten für einen Moment zusammen, stürzten sich aber sofort wieder mit erneutem Ungetüm in wirbelnde Fäuste, Kopfstöße, Magenhiebe und Knierammen.

      Jeder kämpfte gegen jeden. Da krachten Fäuste unter Kinnladen, bohrten sich in weiches Fleisch, da wurde geknurrt und geächzt und gestöhnt, da zerbrachen Nasenbeine, schwollen Beulen, wurden Augen dichtgehämmert.

      Hasard war schwer in Aktion. Mit dem einen der beiden Männer von der St.Mary Street fuhr er Karussell – das schaffte Raum um ihn herum und senste alles von den Füßen, was ihm zu dicht auf die Pelle gerückt war. Er hatte den Mann bei den Stiefeln gepackt und drehte sich immer schneller im Kreise. Männer stürzten oder wurden einfach hinweggefegt.

      Etwa bei der dreizehnten Umdrehung, als Hasard so richtig in Schwung war und überlegte, ob er jetzt loslassen sollte, da passierte das Unglaubliche.

      Der Mann war plötzlich weg.

      Hasard merkte es daran, daß jählings das Gegengewicht fehlte. Sein eigener Schwung riß ihn herum. Er hatte nur noch zwei Stiefel in den Fäusten. Der Mann, der zu ihnen gehörte, war verschwunden.

      Hasard schwankte und stieß mit einem anderen Kerl zusammen. Kurz und hart drosch er ihm beide Stiefel über den Schädel. Von oben. Der Mann seufzte und ging kerzengerade in die Hocke. Dort gurgelte er, weil er sich die eigenen Knie in den Hals gerammt hatte. Und dann kippte er zur Seite.

      Der stiefellose Mann bohrte sich – Kopf voran – durch einen Fensterladen. Holz splitterte berstend, und dann waren auch die Strümpfe nicht mehr zu sehen.

      Begleitet hatte er seinen Flug mit einem Schrei, der erst abbrach, als der Fensterladen zerbarst.

      Etwas Eigentümliches legte sich über die Kampfszene – jene momentane Stille, wie sie im Auge, dem Zentrum eines Wirbelsturms, herrschte.

      Das Zentrum bildete der schwarzhaarige, blauäugige Riese, der verblüfft auf die Stiefel in seinen Fäusten starrte. Verdammt, dachte Hasard, der Kerl ist mir doch glatt aus den Stiefeln gerutscht. Dann wurde ihm die Stelle bewußt, und er mußte grinsen, als er sich umblickte.

      Sie standen oder lagen um ihn herum und glotzten auf die Stiefel in seinen Fäusten, auf das runde Loch im Fensterladen und wieder auf die Stiefel. Sie sahen alle aus, als seien sie selbst mit den Köpfen gegen den Fensterladen gedonnert.

      Als Zeugen eines nicht alltäglichen Kraftaktes spiegelten ihre Mienen ungläubiges Verwundern, Erstaunen, Furcht, Neid, Betroffenheit – und Wut.

      Der Schrei aus dem Raum hinter der zerbrochenen Fensterlade zerstörte die Stille. Er war spitz und hoch, drückte aber keineswegs Entsetzen oder Angst aus.

      Das Haus bewohnte die Witwe Abigail Adelaide Drummer, zweiundvierzig Jahre alt, adrett, mollig und seit anderthalb Jahren ungetröstet, aber durchaus nicht mehr trauernd, denn der verblichene Archibald Drummer war zeit seines Lebens eine glatte Null gewesen.

      Der bestrumpfte, aber stiefellose Mann hatte seinen Flug dort beendet, wo Archibald Drummer sehr zum Kummer von Abigail Adelaide mehr zum Schnarchen als zur nächtlichen Kurzweil geneigt hatte.

      Hasard hatte den stiefellosen Mann auf die eheliche Bettstätte katapultiert.

      So lag denn, wieder ein Mann bei Abigail Adelaide, und sie war mehr entzückt, als erschrocken. Er lag zwar mit seinen Strümpfen bei ihrem Kopf, weil Abigail Adelaide mit dem Kopf zum Fenster schlief, aber vorsichtig tastend holte sie dieses Geschenk einer mitternächtlichen Straßenschlacht zu sich herum, und dabei stieß sie ihren spitzen Schrei aus.

      Für den stiefellosen Mann war der Szenenwechsel zu abrupt. Benommen, wie er war, spürte er sehr viel Weiches, dem sich hinzugeben nichts entgegenstand – vor allem nach der wirbelnden Karussellfahrt. So sank er an den wogenden Busen von Abigail Adelaide.

      Indessen hatte der spitze Schrei der Witwe vor allem die Gemüter der Wütenden wieder erhitzt, und einer von ihnen fand es an der Zeit, dem Riesen eine Lektion zu erteilen. Er brüllte urig und ließ die Fäuste wirbeln.

      Hasard empfing ihn.

      Den Wert der Stiefel hatte er erkannt. Er war mit den Händen hineingefahren wie in einen Handschuh und verpaßte nun – nur so versuchsweise – dem heranstürmenden Brüller einen Tupfer auf die Nase. Der Stiefelabsatz war benagelt. Die Nase des Mannes hatte dem nichts entgegenzusetzen, nur ein Nasenbeinknochen. Und der ging kaputt.

      So blieb wieder einer vor Hasard liegen.

      Der Kampfeslärm schwoll wieder an.

      Von den fünf Kerlen, die angenommen hatten, mit Hasard infolge des andalusischen Schlaftrunkes leichtes Spiel zu haben, lag einer im Bett von Abigail Adelaide und beschäftigte sich in sündiger


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