Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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stand einen halben Schritt daneben, die Arme über der Brust verschränkt.

      „Ja, ja“, sagte er.

      „Gib’s ihm, Blacky!“ sagte eine Stimme aus dem Halbdunkel.

      Blacky brüllte und zerrte an seiner Rechten. Hasard half ihm.

      Er umfing den breitschultrigen Mann von hinten, zog mit, und als er ihn aus der Planke hatte, schleuderte er ihn herum und warf ihn zwischen die murmelnden Männer.

      „Von hier weht der Wind“, sagte er, „falls sich das noch nicht herumgesprochen hat.“

      Blacky brüllte, als würde er am Spieß gebraten. Die Männer schrien durcheinander.

      Der Seewolf setzte sich neben Donegal Daniel O’Flynn, genannt Dan, und lachte leise.

      „Ich glaube, hier kriegen wir noch viel Spaß“, sagte er. „Hast du gut aufgepaßt, Dan?“

      „Sie haben ihn auflaufen lassen, nicht wahr?“

      „He!“ erwiderte Philip Hasard Killigrew. „Du bist ja gar nicht so dämlich. Dein Alter muß dich völlig verkannt haben. Ja, ich hab Blacky auflaufen lassen, aber vorher hab ich ihn ein bißchen gekitzelt. Und dann mußt du natürlich schnell sein, schneller als so ein Holzklotz. Ist das klar?“

      „Jawohl, Sir. Von Ihnen lern ich noch ’ne Menge. Vor der ‚Bloody Mary‘, Mann, das war die Spitze. Verzeihung, Sir.“

      „Meinde Brüder nannten mich Hasard, Dan, laß den ‚Sir‘ Wenn du ‚Mann‘ sagst, ist das genauso gut.“

      „In Ordnung“, sagte Dan, und wieder war seine Stimme, als wisse sie noch nicht recht, ob sie sich für die hohe oder tiefe Tonlage entscheiden solle.

      „Wie alt bist du, Dan?“

      „Siebzehn“, sagte Donegal Daniel O’Flynn mit Grabesstimme.

      „Oder sechzehn?“

      „Vielleicht auch sechzehn“, sagte Donegal Daniel O’Flynn. „Mit den Jahren hängt einem das Zählen zum Halse heraus, verstehst du das?“

      „Versteh ich“, sagte Hasard, „mir geht’s auch nicht anders.“ Er lauschte dem Knarren der Takelage. „Weißt du, in was für einem Kasten wir hier hokken?“

      „Keine Ahnung.“

      „Ich wollte zu Drake“, sagte der Seewolf leise und verfluchte still seinen Übermut, fünf Kerle vor der „Bloody Mary“ angegangen zu haben.

      „Mann, zu Drake?“ fragte Dan entgeistert. „Zu dem würde ich auch gern, und jetzt sind wir hier gelandet. Weißt du was? Wir jumpen einfach außenbords, wenn wir an Oberdeck sind.“

      „Kannst du schwimmen?“

      „Ich bin ein O’Flynn“, sagte das Bürschchen empört. „Wir O’Flynns lernen schon das Schwimmen, wenn wir in den Windeln mit dem Wasser kämpfen.“

      „Das ist zwar auch salzig“, sagte Hasard erheitert, „aber dieses Wasser hier hat keine Windeln, und wenn es welche hat, kriegst du sie um die Ohren geschlagen. Nein, gejumpt wird nur, wenn Land in Sicht ist. Ist das klar?“

      „Jawohl, Sir“, erwiderte das Bürschchen. Es war keineswegs dämlich, sondern sehr helle. „Vielleicht sollten wie diesen Kahn einfach wieder mit der Schnauze nach Plymouth drehen und Mister Francis Drake zur Verfügung stellen. Du hast doch bei Sir John gelernt, wie man einen solchen Kasten segelt, oder?“

      „Und ob“, sagte der Seewolf und dachte daran, wie der Alte ihn geschliffen hatte. Er war nur einmal seekrank geworden – mit sechs Jahren. Da hatte ihn der Alte vorn bei der Galion festgebunden und sich zehn Stunden halb totgelacht, als sich Philip Hasard Killigrew die. Seele aus dem Leib gekotzt und die Seefahrt verflucht hatte – bei einem handfesten Sturm wohlgemerkt, den Sir Johns Karacke nur beigedreht überstanden hatte. Die Galle war das Letzte gewesen, das Philip Hasard in die kochende See gespuckt hatte – trotzig und voll berstender Wut auf Sir John, das salzgewässerte Rauhbein. Und als er von dem Alten losgebunden worden war – mehr tot als lebendig –, da hatte er ihn kräftig ins Handgelenk gebissen, und der Alte hatte ihm fluchend eine gescheuert.

      Hasard lächelte vor sich hin. Und im Hirschgeweih über dem Kamin hast du dann später gezappelt, Sir John, dachte er.

      Aus dem Halbdunkel tauchten plötzlich drei Kerle auf. Sie hatten Mühe, bei dem rollenden Schiff die Balance zu halten. Einer torkelte etwas näher, aber nicht zu nahe. Er schielte auf die langen Beine von Hasard und fragte sehr sanft: „Wollt ihr abhauen?“

      „Und wenn?“ fragte der Seewolf.

      „Ja“, sagte der Kerl, „dann möchten wir gern mit dabei sein.“

      „Blacky auch?“ fragte der Seewolf.

      „Klar“, sagte Blacky im Hintergrund, „aber meine Rechte ist am Arsch, ich bin nicht mehr in Form.“

      „Dann schlag links, du Holzklotz“, sagte der Seewolf brutal, „oder brauchst du die Linke, um am Daumen zu lutschen?“

      „Pah!“ sagte Blacky und verdaute die Beleidigung.

      „Ja“, sagte der Kerl, der vor Hasard stand, „wir möchten nämlich auch gern wieder nach Plymouth zurück. Die Hunde haben uns vor zwei Tagen eingesackt. Ich weiß auch nicht, wie. Plötzlich bin ich eingeschlafen ...“

      „In der ‚Bloody Mary‘?“ fragte Hasard.

      „Ja.“

      „Bist du Seemann?“

      „Nein“, sagte der Kerl. „Kutscher bei Sir Anthony Abraham Freemont.“

      „Sir?“ fragte Hasard gedehnt.

      „Na ja“, sagte der Kerl verlegen, „er ist studiert. Mister Freemont braucht mich. Er ist Arzt. Ich fahre ihn immer zu den Kranken.“

      „Und jetzt fährst du zur See“, sagte Hasard, „da sind andere Gesetze gültig. Wer meutert, wird an der Rah aufgeknüpft, bis sein Hals doppelt so lang ist. Bist du auf einen solchen Hals scharf?“

      „N-nein, Sir.“

      Der Seewolf zeigte seine Zähne.

      „Sir?“ sagte er gedehnt. „Ich bin kein ‚Sir‘. Rutsch mir den Buckel herunter, Mister.“

      Der Mann hielt mühselig sein Gleichgewicht und ruderte mit den Armen.

      „Ich – ich vertrag das alles nicht, Sir – eh, Mister. Mir – mir ist so furchtbar schlecht. Ich bin – ja, ich bin todkrank. Ich möchte wieder zu Mister Freemont, ich ...“

      Das Querschott sprang auf, und ein Mann stand breitbeinig in dem Durchlaß. Licht flutete in den Raum des Vorkastells.

      „Ihr Affenärsche“, sagte der Mann sehr deutlich und sehr langsam. „Alle wohlauf und ausgeschlafen? Na denn! Wer zur See fährt, muß arbeiten. Ohne Arbeit kein Fleisch in der Suppe. Oder wollt ihr eure Affenärsche frühstükken? Wie, was? Seid ihr noch nicht an Oberdeck? Weiter hier herumpennen, wie? Hopphopp, hoch mit euch, jetzt geht’s rund, alle Mann an die Brassen. He, glotz nicht so blöd, Mann!“

      „Ich bin krank, Sir“, sagte der Kutscher, „und ich weiß auch gar nicht, was Brassen sind.“

      Der Mann starrte den Kutscher verblüfft an, dann lachte er röhrend, drehte den Kopf und rief über die Schulter: „He, Männer! Habt ihr das gehört? Er ist krank, sagt er, und er weiß nicht, was Brassen sind!“

      Hinter ihm standen muskulöse Gestalten, barfüßig, in grobleinenen Hosen und Hemden. Der Wind zerrte in ihren Haaren. Sie lauerten, grinsten, stießen sich an.

      „Verdammte Landratten“, sagte einer, „wird Zeit, daß du ihnen die Haut vom Hintern ziehst, Profoß.“

      Der Schiffsprofoß Edwin Carberry, ein Mann mit einem Kinn wie ein Amboß, einem zernarbten Gesicht und einem


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