Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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Augenblick meldete sich Batuti aus dem Ausguck.

      „Genau voraus ist Land zu sehen – als schmaler feiner Strich.“

      An der Kimm war wirklich nur ein kaum sichtbarer Strich zu erkennen, wenn man ganz scharf hinblickte. Aber zweifellos war es Land. Ob Insel oder Festland, das ließ sich nicht erkennen.

      „Festland gibt es auf dieser Strecke nicht“, sagte Hasard, als Don Juan darauf anspielte. „Allerdings sind etliche Inselgruppen so groß, daß man sich leicht irren kann.“

      Sie segelten weiter, bis sie die Landzunge erreichten, von der aus Edwin Carberry das Wrack entdeckt hatte. Alle Augen waren jetzt auf den Strand gerichtet.

      Dann tauchte das Wrack auf. Unverändert lag es auf dem Strand, ein von der Hitze ausgetrocknetes, uralt scheinendes Schiff mit seinem grausigen Inhalt.

      „Mich würde interessieren, durch welche Umstände es hier auf den Strand gelaufen ist“, sagte Don Juan nachdenklich.

      „Darüber haben wir auch schon nachgedacht. Vermutlich ist es bei Sturm oder Nebel auf das Riff geraten und weitergedriftet, bis es auf dem Sand landete. Es kann aber natürlich auch unter ganz anderen Umständen hier gestrandet sein. Wir haben jedenfalls keinerlei Hinweise gefunden, die uns weiterhalfen.“

      Das still auf dem Strand liegende Wrack verbreitete Unbehagen. Es wirkte wie eine Monstrosität aus einer anderen Welt.

      Weit und breit zeigte sich keine Menschenseele.

      Hasard war jedoch noch immer im Zweifel, ob die Insel nun bewohnt war oder nicht. Nach dem, was sie erlebt hatten, mußte es irgendwo Menschen geben. Schließlich war alles an Bord verschwunden, was nicht niet- und nagelfest war.

      Ganz langsam verschwand das Wrack achteraus und wurde kleiner, bis es nicht mehr zu sehen war, denn jetzt rundeten sie wieder eine weit ins Meer ragende und dicht bewaldete Landzunge.

      Hier ging es anscheinend von einer Bucht in die andere. Jetzt tat sich wieder ein Halbkreis aus Strand, Palmen und Dickicht auf. Auch der hohe Berg war deutlich mit seinem nebelumhüllten Haupt zu erkennen.

      Die „Santa Barbara“ segelte weiterhin dicht unter Land. Das Wasser war so klar, daß man mühelos den Grund erkennen konnte. Die Tiefe mochte etwa sieben bis acht Yards betragen. Zum Auflaufen bestand also keine Gefahr. Sie näherten sich der Bucht aus östlicher Richtung und drehten dann, dem Buchtverlauf folgend, nach Süden ab.

      Hasard blickte durch das Spektiv zu dem anderen Landstrich, doch der hatte sich noch nicht vergrößert. Es war nur eine schmale, etwas im Dunst liegende Linie über dem Wasser.

      Als er das Spektiv auf den Strand voraus richtete und ihn absuchte, holte er plötzlich tief Luft.

      „Gibt es etwas?“ fragte Don Juan.

      „Ja, ich sehe eine Flagge. Sie ist an einem Flaggenstock im Sand befestigt.“

       2.

      Einige Augenblicke sahen sich alle erstaunt an. Schweigen herrschte. Die ganze Insel schien plötzlich den Atem anzuhalten. Dann kam wieder Leben in die wie erstarrt dastehenden Gestalten.

      Hasard gab den Kieker kommentarlos an Dan weiter, weil der nun einmal die schärfsten Augen von allen hatte.

      „Kannst du erkennen, was es für eine Flagge ist?“ fragte der Seewolf.

      „Offenbar eine spanische. Die Farben sind verblaßt, das Tuch ist ausgebleicht und verwittert. Ich halte es für eine spanische Flagge.“

      „Also gibt es doch Überlebende“, sagte Hasard. „Wie sonst sollte sie hier wohl im Sand stecken?“

      Er blickte Al Conroy an, den Waffen- und Stückmeister, der mit aufgestützten Armen auf dem Handlauf des Schanzkleids auf dem Quarterdeck lehnte und den Anblick des Strandes genoß.

      Al Conroy nickte beruhigend.

      „Wir sind für alle Fälle feuerbereit, Sir. Aber es sind keine Boote zu sehen – und auch keine Menschen. Eine Hütte kann ich ebenfalls nirgends entdecken.“

      „Schon gut. Vorsicht ist immer angebracht. Haltet die Augen offen.“

      Kurz darauf stand fest, daß es sich tatsächlich um eine spanische Flagge handelte. Ausgefranst und zerschlissen wehte sie an dem eingerammten Flaggenstock im Sand. Sie befand sich vor einer Gruppe von Kokospalmen. Wie lange sie dort schon wehte, ließ sich nicht einmal erahnen.

      Sehr sorgfältig suchte Dan O’Flynn die Umgebung ab. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf.

      „Kein Mensch, keine Behausung zu sehen. Vielleicht haben die Dons bei ihrer unfreiwilligen Landung die Flagge aufgestellt und sind dann nach und nach umgekommen.“

      „So weit von dem Wrack entfernt?“ entgegnete Hasard.

      Darauf wußte Dan O’Flynn auch keine Antwort.

      „Gut, nehmen wir an, es gibt ein paar Überlebende“, sagte Hasard. „Dann haben sie das Schiff ausgeräumt und sich irgendwo an Land häuslich eingerichtet. Das Wrack kann früher auch hier gelegen haben. Wind und Wellen haben es wieder mitgenommen und an anderer Stelle abgesetzt. Das ist ganz natürlich. Diese paar Überlebenden haben aber allerdings keine Kanonen, keine Drehbassen, denn die befanden sich noch auf dem Wrack, wie wir sahen.“

      „Was also heißt, daß sie uns auch nicht gefährlich werden können“, meinte Dan. „Und woraus weiter folgert, daß wir dort in der Nähe bei dem Flaggenstock vor Anker gehen.“

      „Du bist schon fast so ein Hellseher wie dein Vater.“

      Dan O’Flynn schüttelte grinsend den Kopf.

      „Ich überlege nur logisch, während Väterchen ja wohl richtig hinter die Kimm blicken kann.“

      „Auf dieser Reise hat er es noch nicht bewiesen. Aber lassen wir das. Wir gehen dort wirklich vor Anker und sehen uns einmal um. Mit der gebotenen Vorsicht natürlich.“

      Die ersten Segel wurden lose ins Gei gehängt. Die „Santa Barbara“ driftete auf ihrem Kurs parallel zur Küste dahin und folgte dem Verlauf des Strandes. Das Wasser war kristallklar. Bunte Fische schwammen ungeniert und furchtlos neben dem Schiff her. Eine Schildkröte war zu sehen, die neugierig den Kopf hob und das vorbeitreibende Ungeheuer musterte.

      Als der Anker gesetzt war, stieg Hasard mit ein paar Männern in die Jolle und pullte zum Strand.

      Hier gab es kein Riff und keine Brandung. Daher war es hier auch noch stiller als am anderen Liegeplatz. Die Ruhe wirkte fast beängstigend. Es war nur das leise Murmeln des Wassers zu vernehmen sowie die Geräusche, die sie selbst verursachten.

      Wie gebannt starrte Hasard zu dem Flaggenstock. Es war ein von jeglicher Farbe längst abgeblätterter Holzpfahl, die Farben der Flagge waren aus der Nähe unverkennbar. Die Flagge mußte zu dem Wrack gehören.

      Wo aber waren die Überlebenden?

      Die Jolle lief auf den Sand und wurde hochgezogen. Sechs Mann standen da und blickten in die Büsche, das Dickicht, den Verhau, der hinter den Palmen begann.

      Als Hasard näher an den Flaggenstock herantrat, stutzte er. Er hielt den Radschloßdrehling locker in der Hand und musterte die Umgebung aus schmalen Augen. Er hatte das untrügliche Gefühl, als befänden sich in unmittelbarer Nähe Menschen, die jede ihrer Bewegungen belauerten.

      In der Nähe des Flaggenstockes befanden sich Fußspuren. Sie rührten zweifellos von spanischen Stiefeln, her.

      „Sie können noch nicht sehr alt sein“, sagte Don Juan in die lastende Stille hinein. „Beim Wrack gab es keine, hier sind sie ganz deutlich zu erkennen. Offenbar tauchen hier regelmäßig Leute auf, die nach der Flagge sehen.“

      „Sie sind wirklich nicht alt“, gab Hasard zu, „sonst hätten Zeit und Wetter sie längst verwischt. Aber die Überlebenden legen besonderen Wert auf diese Flagge. Warum wohl?“


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