Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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gehißt. Wir befinden uns also auf spanischem Boden.“

      „Hm, das hat ganz den Anschein. Sehen wir uns doch einmal ein wenig in der näheren Umgebung um. Irgendwo werden die Spanier ja stecken und uns Eindringlinge bemerken.“

      „Kaum stranden diese Kerle auf einer Insel, schon gehört sie ihnen“, empörte sich der Profos. „Statt froh zu sein, überlebt zu haben, hissen sie gleich ihren Lappen und halten das Land für spanisches Territorium. Die Rübenschweine sollen mir nur mal über den Weg laufen, denen werde ich schon verklaren, was hier los ist.“

      „Reg dich wieder ab, Ed“, riet Hasard. „Noch wissen wir überhaupt nichts.“

      In unmittelbarer Nähe der Kokospalmen waren ebenfalls Fußspuren zu sehen.

      Als Hasard ihnen ein Stück folgte, hörten sie abrupt auf, als seien sie absichtlich verwischt worden.

      Er blickte in das Gebüsch. Es war nur ein kurzer Verhau. Dahinter begann eine Grasfläche, die zu kleinen Hügeln führte. Bunte, leuchtende Blumen hatten ihre Blüten geöffnet und säumten die Hügel.

      „Weiter links hinüber“, sagte Hasard. „Dort scheint es ebenfalls Wasser zu geben.“

      Er zeigte auf den feuchten Boden und das Gras. Aus den Hügel lief irgendwo Wasser hinunter.

      Als sie die Hügel von links umgingen, befanden sie sich übergangslos in einem schmalen fruchtbaren Tal. Der Eingang zu diesem Tal war links und rechts von Büschen und Wald umgeben. Ein silbriges Rinnsal schlängelte sich durch das Tal und versickerte irgendwo.

      Wie vom Blitz getroffen blieben sie stehen.

      „Ich habe es geahnt“, sagte Hasard. „Hierhin haben sich die Überlebenden also verzogen. Sehr viel können es aber nicht sein.“

      „Sicher nicht mehr als ein Dutzend“, raunte Don Juan.

      In dem stillen Seitental stand neben dem silbrigen Bach eine Hütte. Sie war aus Holzresten eines Schiffes erbaut worden und mit Palmenwedeln gedeckt.

      Dicht dahinter stand eine weitere Hütte, aber die war so klein, daß Carberry sie als Hundehütte bezeichnete, obwohl weit und breit auch von einem Hund nichts zu sehen oder zu hören war.

      Sie blickten sich nach allen Seiten um, aber so aufmerksam sie auch alles absuchten, sie konnten niemanden entdecken.

      „Sehr merkwürdig“, sagte Don Juan.

      Die Stille lastete wieder über der Insel. Der hohe Berg verhüllte erneut sein Haupt in einem riesigen Dunstschleier von Nebel.

      Dann wurden sie trotz aller Vorsicht überrumpelt, und zwar so schnell, wie sie das nur selten erlebt hatten.

      Aus den Büschen rechts und links sprangen zwei Männer hervor. Sie trugen die Uniform der spanischen Soldaten, aber keine Helme.

      Sie trugen Stiefel, Kürbishosen und Rüschenhemden, die in dieser Umgebung völlig deplaciert wirkten. Und sie hielten langläufige Tromblons in den Fäusten. Die trichterförmigen Mündungen waren auf die Seewölfe gerichtet.

      „Hände hoch!“ brüllte der eine auf Spanisch.

      Hasard wußte, daß die Bleiladung in den Tromblons für mehrere Männer gleichzeitig tödlich war. Die Waffen hatten eine breite Streuung. Er musterte die beiden so überraschend aufgetauchten Kerle.

      Der eine hatte einen langen schwarzen und reichlich verwilderten Bart. Daran zerrte er nervös mit einer Hand, während die andere die Waffe hielt.

      „Ah!“ tönte Carberry. „Der hat sein eigenes Gestrüpp mitgebracht, um sich dahinter zu verstecken. Kein Wunder, daß wir das eine Rübenschwein nicht gesehen haben.“

      „Ruhe, Hände hoch!“ brüllte der andere. Er hatte ein etwas eingefallenes Gesicht mit scharfen, unruhig blickenden Augen. Sein Bart war zwar gestutzt, aber die nächste Schur war bald fällig.

      Hasard unterzog die beiden Kerle einer noch genaueren Musterung. Dabei fiel ihm auf, daß sie ihre Nervosität nur sehr mühsam verbargen und ziemlich verunsichert waren. Sie schienen auch Angst zu haben.

      „Ihr befindet euch auf spanischem Gebiet!“ brüllte der Kerl mit dem eingefallenen Gesicht. „Ihr geht jetzt dort hinüber und wagt keine Bewegung, sonst schießen wir!“

      Hasard hatte seine Musterung beendet und lächelte spöttisch.

      „Womit wollt ihr armseligen Helden denn schießen?“ fragte er. „Etwa mit den Tromblons? Na, dann versucht es doch mal. Die verrosteten Dinger werden euch um die eigenen Ohren fliegen.“

      „Ruhe!“ kreischte der andere. „Soll ich feuern, Señor Generalkapitän?“

      Hasard stutzte wieder. Ein Generalkapitän befand sich hier auf dieser Insel? Das war wirklich bemerkenswert.

      „Noch nicht, Corporal“, sagte der Generalkapitän hochnäsig und arrogant. „Dieser Pöbel ist uns erst noch eine Erklärung schuldig, bevor ich mich zur Vollstreckung entschließe.“

      Der mit Corporal angesprochene Kerl nickte devot, verbeugte sich sogar noch und hatte wieder dieses Zucken in den Augen.

      „Die beiden scheinen mir ein bißchen bescheuert zu sein“, meinte der Profos. „Jedenfalls haben sie was am Scheitel. Ganz sauber sind die Burschen nicht.“

      Hasard und Don Juan wurden noch nicht so ganz schlau aus diesen beiden eigenartigen Helden, die hier in voller Montur standen und Tromblons in den Händen hielten, die so alt wie die Welt waren.

      „Welche Erklärung sind wir euch denn schuldig?“ fragte Hasard ironisch.

      Der Generalkapitän lief rot an und schnappte fast über.

      „Maul halten, Engländer! Ihr seid Spione, die man aus England hier eingeschleust hat, um uns zu überrumpeln. Aber diese Inselgruppe ist bereits im Besitz der spanischen Krone. Ihr habt kein Recht, hier einzudringen, und ihr habt das Hoheitszeichen dieser Insel, die spanische Flagge, mißachtet. Ich bin Generalkapitän Don Ricardo de la Marcarena. Das dort drüben ist Corporal Virgil Aldegonde. Englisches Pack, verdammtes! Ich werde euch alle hinrichten lassen und das Schiff vor dem Hafen requirieren.“

      „Ah ja“, sagte Hasard. „Vor dem Hafen, was? Euch hat wohl die Sonne ein bißchen das Gehirn ausgetrocknet. Generalkapitän und Corporal – daß ich nicht lache! Und nun steckt eure Bleispritzen wieder ein, sonst steht es schlecht für euch.“

      „Falls ihr das nicht tut“, fügte der Profos grollend hinzu, „dann werde ich euch die Haut von euren edlen Affenärschen abziehen und zum Trocknen vor eure Hütten hängen, ihr Rübenschweinzüchter.“

      „Corporal“, sagte Don Ricardo fassungslos. „Lassen Sie augenblicklich diesen schwarzhaarigen Teufel festnehmen. Und füsilieren Sie endlich diesen narbigen Bastard, der mich beleidigt hat.“

      Der Corporal war ebenfalls mächtig verunsichert und schwitzte Blut und Wasser. Mal sah er hilflos auf seine vergammelte Waffe, dann wieder starrte er seinen „Vorgesetzten“ an, und dabei zuckten ständig seine Augen.

      „Sehr wohl, Señor Generalkapitän“, brüllte er. Dann nahm er Haltung an, grüßte zackig und richtete das Tromblon auf Carberry.

      Der Profos hatte einen Blick drauf, wie Hasard ihn lange nicht mehr an ihm gesehen hatte. Da war Belustigung drin, Unglauben und alles mögliche. Jedenfalls schien Ed sich sehr zu amüsieren. Er stand nur da und starrte in den trichterförmigen Lauf. Sein Grinsen wurde immer breiter.

      Hasard taten die beiden Spanier fast leid. Er hatte auf Anhieb erkannt, was mit den beiden los war. Es waren zwei dümmliche Dons, die offenbar an ihrer Einsamkeit verzweifelt und dabei wunderlich geworden waren. Sie hatten eine Rangordnung eingeführt und spielten Chef und Untergebener. In diese Rolle waren sie im Laufe der Jahre regelrecht hineingewachsen und kamen nicht mehr von ihr los. Sie waren tatsächlich überspannt, um nicht zu sagen, bescheuert.

      Kein Wunder, dachte Hasard. Wenn die beiden nur sich selbst hatten, ging


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