Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
meine Herren“, sagte er. „Sie sind uns dafür nur eine kleine Gefälligkeit schuldig. Falls Sie nach Spanien segeln, gehen Sie bitte höchstpersönlich zu Seiner Allerkatholischsten Majestät, und überreichen Sie ihm dieses Schreiben, verbunden mit ein paar herzlichen Worten.“
Aus dem Ärmel seiner Uniformjacke zog Don Ricardo einen Umschlag und überreichte ihn feierlich Ferris Tucker.
„Da steht alles drin. Geben Sie ihn aber nur persönlich ab.“
„Ja, natürlich“, sagte Ferris erschüttert. „Nur persönlich, falls wir den König von Spanien sehen.“
Don Ricardo klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter, reichte dem verdatterten Profos die Hand und entließ die beiden Männer dann mit huldvollem Kopfnicken. Aldegonde riß die Hacken zusammen und salutierte. Gleich darauf salutierte er nochmals, als die Schiffsglocke erklang.
Sehr würdevoll drehten die beiden Spanier sich um und verschwanden hinter den Kokospalmen.
Der Profos kratzte sich den Schädel.
„Hm, wenn ich das nicht selbst erlebt hätte, würde ich es nicht glauben. Na ja, pullen wir zurück. Ich muß das alles noch einmal genau überdenken.“
An Bord war das Erstaunen allerdings groß, als die Säcke nach oben gehievt wurden und das Gemüse zum Vorschein kam. Der Kutscher hüpfte vor Freude auf der Kuhl herum, als er die Köstlichkeiten sah.
Ferris gab Hasard inzwischen den Umschlag und grinste.
„Vom Generalkapitän. Aber nur persönlich dem König von Spanien zu übergeben, falls wir dorthin segeln. Merkwürdig, mitunter sind die Kerle ganz vernünftig, aber dann fangen sie wieder an zu spinnen. Was tun wir mit dem Schrieb?“
„Wir werden ihn später öffnen, denn es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß wir nach Spanien segeln und noch unwahrscheinlicher, daß wir dem lieben Philipp begegnen. Lassen wir die Dons also bei ihrem verwirrten Glauben. Sie bringen Wunschdenken, Wirklichkeit und Vorstellungen völlig durcheinander. Vielleicht steht auch in dem Brief überhaupt nichts drin.“
„Ja, vermutlich sind sie dem König böse und reden nicht mehr mit ihm. Deshalb kriegt er nur noch leere Seiten geschickt.“
An diesem Tag wurden noch einmal Langusten, Krebse und Fische gefangen, bis es dunkel wurde.
Da zeigte sich noch einmal am Strand Don Ricardo mit seinem bärtigen Corporal.
In feierlicher Prozession marschierten sie zu dem eingerammten Flaggenstock. Don Ricardo brüllte den Corporal an, und der stand vor dem Flaggenmast und salutierte ein ums andere Mal. Danach wurde er vom Generalkapitän wortreich zusammengestaucht und mußte die Flagge einholen. Sie wurde erst in der Frühe des nächsten Morgens wieder gehißt.
Der „Santa Barbara“ schenkten die beiden wunderlichen Knaben bei der Prozession keinen einzigen Blick.
Als die Flagge eingeholt war, klemmte sie sich Aldegonde unter den Arm. Dann mußte er vor Don Ricardo hermarschieren, der lautstark den Tritt angab.
Die Seewölfe sahen ihnen grinsend nach.
4.
Als am anderen Morgen die Sonne aufging und leuchtende Finger über das Wasser tasteten, waren die Mannen zum Weitersegeln bereit.
Die ersten Segel wurden gesetzt, dann der Anker gehievt.
Als die „Santa Barbara“ Kurs aufs offene Meer nahm, erschienen die beiden Helden vom Vortag.
Aldegonde trug wieder die Flagge und mußte sie hissen. Das Ritual war genau abgezirkelt und einstudiert. Dann salutierten beide, und schließlich wandten sie sich der absegelnden Galeone zu.
Die Seewölfe sahen den beiden Kerlen staunend zu. Sie hatten sich fein herausgeputzt, trugen glänzende Kupferhelme und hatten sich in ihren besten „Jubel-Kaftan“ gehüllt. Auch einen Zierdegen trug jeder.
Dann standen sie am Strand und salutierten. Danach rissen sie die Arme hoch und brüllten aus voller Lunge: „Bum – bum – bum!“
Sie schossen „Salut“ in Ermangelung von Kanonen.
In die ausbrechende Heiterkeit hinein sagte Hasard: „Vielleicht erwarten sie von uns auch einen Salut. Laß mal ein Geschütz abfeuern, Al.“
Der Stückmeister grinste und ging davon.
Am Strand ging das „bum-bum“ mittlerweile weiter. Die Dons feuerten insgesamt einundzwanzig „Schüsse“ ab.
Dann erfolgte die Antwort. Die eine Culverine spie einen langen Blitz aus, dem ein berstendes Krachen und Donnern folgte. Als sie auf der Lafette rumpelnd zurückfuhr, begannen die beiden Dons wie vom Affen gebissen loszurennen und verschwanden blitzartig in dem Tal.
„Oh, das hat sie wohl erschreckt“, meinte Hasard. „So einen Krach haben sie schon jahrelang nicht mehr gehört.“
„Das sind vielleicht zwei seltsame Molche“, sagte der Profos. „Die verstehen doch die Welt nicht mehr.“
„Kein Wunder bei dem Einsiedlerleben, das sie führen.“
Die beiden wunderlichen Kerle ließen sich nicht mehr blicken. Der gewaltige Donner hatte sie wohl verstört. Am Strand blieb nur die einsame Flagge zurück.
Als die Insel achteraus immer kleiner wurde, stand die Sonne als riesiger Ball über dem Wasser. Sogleich begann es heiß zu werden. Auch der Wind war warm, der die „Santa Barbara“ über das Wasser schob.
Hasard hielt auf die andere Insel zu, auf der jetzt ebenfalls die Spitze eines Berges zu erkennen war. Beim näheren Heransegeln sahen sie einsame helle Strände und Scharen von Vögeln, die sich erhoben und in den klaren Himmel stiegen. Alles war unheimlich still und ruhig, als die Vögel aufgestiegen waren.
Hasard musterte durch den Kieker das Land und ließ dann abdrehen.
„Das soll die Kannibalen-Insel sein“, sagte er. „Auf den ersten Blick scheint sie unbewohnt zu sein.“
„Vielleicht war das nur ein Ammenmärchen von den beiden“, meinte Ben Brighton. „Wer weiß, was die gesehen haben.“
In einer halben Meile Abstand wurde die Insel passiert. Nirgendwo ließ sich eine Menschenseele blicken.
Eine weitere Insel entdeckten sie schließlich im Süden. Nach ein paar Stunden wurde abermals ein dunstiger Strich im Süden entdeckt – ebenfalls Land, das zu den Marquesas gehörte.
Hasard entsann sich wieder des Schreibens, das er noch bei sich trug. Er nahm das Kuvert heraus und betrachtete es.
„Sollen wir es öffnen?“ fragte Don Juan augenzwinkernd.
„Uns wird wohl nichts anderes übrigbleiben. Ich sehe jedenfalls keine Möglichkeit, es dem König von Spanien persönlich zu übergeben. Und du selbst dürftest auch nicht scharf darauf sein.“
„Nicht unbedingt.“
„Nun, dann öffnen wir es.“
Hasard öffnete den Umschlag und zog einen gefalteten Bogen hervor. Krakelige Schriftzeichen wurden sichtbar. Die Buchstaben sahen aus, als sei ein lahmer Hahn über das Papier gelaufen. Das Blatt war mit königsblauer Tinte beschrieben, die mit Sand abgelöscht war.
Hasard las halblaut vor.
„Euer Majestät. Wie Euer Majestät sicherlich wissen, befinde ich mich mit Señor Aldegonde immer noch auf den Islas de Marquesas, die wir für die spanische Krone in Besitz genommen haben und wo wir unerschütterlich ausharren. Die zum Teil unbewohnten Inseln brauchen allerdringlichst einen Vizekönig, zumindest aber einen Gouverneur. Ich bin bereit, die Bürde dieses schweren Amtes auf mich zu nehmen, und bitte untertänigst um ein Anerkennungsschreiben. Gleichwohl fordere ich als künftiger Gouverneur auch eine vergoldete Badewanne an. In der Hoffnung, bald eine spanische Kriegsgaleone am Horizont auftauchen zu sehen, verbleibe