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mit der Beobachtung durch das Spektiv. Er hatte es auf den Handlauf der Balustrade aufgelegt, damit das Bild nicht verwackelte, und blickte lange hindurch.
„Da ist tatsächlich Land zu erkennen“, meldete er. „Es befindet sich an Backbord von dem Nebel. Vor dem Nebel scheint sich auch etwas zu bewegen, doch das kann ich nicht genau erkennen.“
Auf seinem Gesicht lag ein nachdenklicher Zug, als er für Augenblicke das Spektiv absetzte.
„Du siehst so nachdenklich aus“, meinte Hasard.
„Sieht irgendwie merkwürdig aus, das Land oder die Insel. Ich habe so etwas noch nie gesehen.“
„Was soll denn an einer Insel merkwürdig sein?“
Dan O’Flynn reichte dem Seewolf schweigend den Kieker.
Als Hasard ihn absetzte, war sein Gesicht genauso nachdenklich. Die anderen blickten ihn neugierig an.
„Die Insel sieht tatsächlich sehr eigenartig aus“, gab er zu. „Wie ein, nun – ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Wir lassen uns überraschen. Konzentriere dich bitte mal auf den winzigen schwarzen Punkt etwas genauer, Dan.“
„Du meinst den, der vor dem Nebel liegt?“
„Ja, er läßt sich nur schwer erkennen, scheint sich aber ganz langsam zu bewegen.“
Eine merkwürdige Spannung lag plötzlich in der Luft. Ein paar der Arwenacks enterten auf, um aus luftiger Höhe einen besseren Überblick zu haben.
Aber erst nach einer weiteren halben Stunde ließ sich Näheres erkennen. Fasziniert starrten sie hinüber. Dan O’Flynn konzentrierte sich immer noch auf den schwarzen Punkt.
„Das ist ein Auslegerboot“, sagte er. „Ein Auslegerboot mit einem kleinen Segel. Es hält genau auf die Nebelbank zu und wird gleich darin verschwinden. Soviel ich erkennen kann, sitzen zwei Männer in dem Boot.“
„Also eine bewohnte Insel“, sagte Hasard. „Wir laufen sie an und sehen sie uns einmal aus der Nähe an. Immerhin sind es die ersten Eingeborenen, auf die wir seit unserer Abfahrt treffen.“
Das Auslegerboot war immer deutlicher zu erkennen. Es hielt immer noch mitten in den wabernden Nebel hinein. Die Eingeborenen mußten das große Schiff zweifelsfrei ebenfalls gesehen haben, aber sie kümmerten sich nicht darum, oder sie hatten mit großen Schiffen schlechte Erfahrungen hinter sich und wollten von den Fremden nichts wissen.
„Die hauen ab“, verkündete der Profos, „aber sonderliche Eile haben sie keine, obwohl sie uns gesehen haben. Vielleicht wollen sie aber auch nur zum Fischen rausfahren.“
„Mitten in den Nebel?“ fragte Luke Morgan. „Das glaubst du doch wohl selbst nicht.“
Das kleine Boot mit den beiden Männern hatte jetzt die Nebelzone erreicht und verschwand darin. Die Eingeborenen hatten sich nur ein einziges Mal nach der „Santa Barbara“ umgedreht, als seien Schiffe dieser Größe ganz alltäglich.
Der Nebel schluckte das Boot. Es verschwand übergangslos darin und tauchte auch nicht mehr auf. Was hinter der Nebelwand lag, ließ sich nicht einmal erahnen.
Hasard warf einen schnellen Blick über das Deck und konzentrierte sein Augenmerk erneut auf die Insel. Auch sie war jetzt immer deutlicher zu erkennen.
Die Luvseite der Insel war von üppig wachsendem tropischen Mangrovendickicht überzogen. Das Dickicht schien absolut undurchdringlich zu sein. Erst ein paar hundert Yards weiter hörte es auf. Aber dort sah alles auch gleich ganz anders aus.
Sie starrten sich fast die Augen aus, denn eine solche Insel hatten sie wirklich noch nicht gesehen.
Gleichzeitig wurden aber noch weitere winzige Inseln gesichtet. Auch sie wirkten ganz anders als die normalen Eilande der Südsee.
Künstliche Inseln, wollte Hasard fast sagen, unterließ es dann aber, weil ihm diese Vorstellung reichlich weithergeholt schien. Warum sollte man künstliche Inseln anlegen, wenn es im Pazifik doch Tausende anderer Inseln gab!
Das Wasser wurde immer flacher, je näher sie der Insel kamen. Als die Tiefe noch vier Yards betrug, ließ der Seewolf Anker werfen. Die Segel wurden aufgegeit, dann lag die „Santa Barbara“ fast bewegungslos vor der Insel.
„Das ist nicht nur eine Insel“, sagte Hasard staunend, „das ist ein ganzes Labyrinth von Inseln, das von Kanälen durchzogen, aber offenbar miteinander verbunden ist. Das dort vorn wirkt wie ein riesiger Wellenbrecher und weiter dahinten …“
Er sprach nicht weiter, starrte nur auf das Wunder, das sich seinen Blicken bot.
Links von ihnen wuchs undurchdringliches Dickicht. Dort standen die Mangroven so dicht, daß man nicht hindurchkonnte. Es war das Stück einer Halbinsel, das sich nahtlos an größeres Gelände anschloß. Direkt vor ihnen befand sich eine quadratische Insel. An ihr führte ein schmaler Kanal weiter. In einer verlockend breiten Einfahrt lagen weitere kleine Inseln, Zwei davon hatten wieder quadratische Formen und waren durch einen wie künstlich geschaffenen Kanal voneinander getrennt. Rechts ragte eine weite Landzunge ins Meer, die ebenfalls dicht mit Regenwald bewachsen war.
Das Wasser war so kristallklar, daß auf dem Grund jede Bewegung zu erkennen war. Vor kleinen grottenähnlichen Höhlen tummelten sich farbenprächtige Fische. Sie waren von rötlicher Farbe, weißgestreift und hatten armlange weiße Stacheln, die vom Körper weit abstanden.
Staunend hielten die Mannen Ausschau nach Eingeborenen. Nirgendwo war eine Hütte zu sehen, nicht die Andeutung einer Behausung. Zudem lag eine eigentümliche Stille über diesem Insellabyrinth.
„Diese Insel muß doch bewohnt sein“, sagte Ben Brighton. „Das Auslegerboot hat von hier aus Kurs auf die Nebelbank genommen. Aber wo sind dann die Hütten?“
„Möglicherweise auf der anderen Seite“, erwiderte Hasard. „Wir sehen nur einen Teil der Insel. Wer weiß, wie es auf den anderen Seiten aussieht.“
Die Insel schlug alle in ihren Bann. Eine seltsame Faszination ging von ihr aus, der sich niemand entziehen konnte. Gleichzeitig wirkte alles wie eine gigantische und bedrohliche Kulisse.
Hasard lauschte angestrengt. Die Stille, die über allem lag, war nur scheinbar. Da war aber leises Flüstern und Raunen zu hören, wenn der Wind leise durch die Mangroven harfte. Hin und wieder war auch ein leises Knacken zu hören, als würden Zweige unter leichten Tritten brechen. Einmal glaubte Hasard auch ganz deutlich ein Stöhnen oder Wehklagen zu hören.
Auf dieser Insel gab es auch keine Strände. Sie war aus Gestein und wies zahlreiche Hügel auf. Immer wieder gab es schmale Durchfahrten, Passagen oder Kanäle, von denen aus man ein Inselchen nach dem anderen erreichen konnte.
„Das muß ich mir mal aus der Höhe ansehen“, sagte Hasard beeindruckt. Ohne ein weiteres Wort enterte er auf. Etliche andere folgten ihm sofort neugierig.
Vom Großmars aus hatte er einen Überblick über die Insel. Der Seewolf hielt überrascht die Luft an. Was er sah, war einfach atemberaubend. Seinen Mannen, die wie riesige Spinnen in den Webeleinen hingen, erging es ebenso. Auch sie blickten lange Zeit sprachlos über das gewaltige Labyrinth.
„Offener Basalt“, sagte Hasard und wies mit der Hand auf ein Bollwerk, das aus riesigen, hochaufragenden dunklen Säulen bestand. Eine Ringmauer war zu erkennen, ein weiterer Zyklopenwall aus riesigen Basaltsäulen hob sich in den Himmel. Das alles erinnerte an eine gigantische Festung, die von zahlreichen Kanälen durchzogen war. Hinter den Ringmauern gab es offenbar einen großen Innenhof, aber alles Weitere war durch Wildnis den Blicken verborgen.
Hasard schätzte die Ringmauern auf etwa hundert Yards Länge, die Höhe der fünf- und sechskantigen Basaltsäulen auf fast zehn Yards. Die Breite mochte etwa drei Yards betragen.
Auf der nördlichen Seite war ein hafenähnliches Becken zu erkennen.
Keine Menschenseele zeigte sich. Hasard enterte wieder ab und blieb nachdenklich auf der Kuhl stehen.
„Das