Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
jedem Yard aufwärts nahm die Hitze zu. Bald rann ihnen der Schweiß in Bächen über die Gesichter.
„Schlimmer als im Backofen“, stöhnte Dan, „dabei haben wir noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zurückgelegt.“
Die Steigung war größer, als sie zuvor angenommen hatten. Es ging auch nur noch mühsam vorwärts, weil die Glut der Sonne ihnen buchstäblich die Luft nahm.
Sie blieben stehen, um zu verschnaufen. Von fast halber Höhe sahen sie die anderen, die um die Kammer im Halbkreis standen. Der Kutscher bemühte sich gerade, die Inschrift auf den Steintafeln zu entziffern. Die Kameraden wirkten klein wie Spielzeug.
Dan O’Flynn deutete auf eine rotleuchtende, mehr als handtellergroße Blume, die in der Rinne wuchs. Sie hatte fünf strahlenförmig angeordnete Blüten mit gelben Schäften. Aber die Blume war zur Hälfte zertreten worden, das war deutlich zu erkennen.
„Das ist doch eigenartig“, meinte er. „Sieht so aus, als sei gerade kürzlich jemand hiergewesen, der seitlich auf die Blume getreten ist. Ob das die Männer waren, die mit dem Boot verschwunden sind?“
„Wer sonst!“ sagte Carberry. „Ich frage mich nur, was die in dieser brühheißen Pißrinne gesucht haben.“
„Das wissen wir vorläufig noch nicht. Möglicherweise hängt das mit irgendwelchen uralten Ritualen und Gebräuchen zusammen. Gehen wir nun weiter, oder schlagen wir hier Wurzeln? Schließlich wollen wir ja erfahren, wohin diese Rinne führt.“
Sie gingen ein Stück weiter. Die Sonne sengte so heiß, daß es kaum noch zum Aushalten war. Zudem gab es glatte Stellen in der Rinne, in denen sie immer wieder abrutschten.
Dann entdeckten sie ganz plötzlich vor sich ein dünnes Tau. Es war aus Kokosfasern zusammengedreht und lag zwischen Gräsern, Blumen und kleinen Büschen.
„Na, das ist aber fein“, sagte Carberry. „Das erleichtert uns die verdammte Kletterei. Die lieben Kerlchen haben es oben irgendwo befestigt und entern dann gemütlich auf, damit sie nicht abrutschen.“
„Gute Idee“, lobte Dan. „Sie hätten das Tau ruhig verlängern können, aber das ist hier wirklich die schwierigste Strecke.“
Der Profos sah das Tau als sehr willkommen an. Er grinste erfreut, bückte sich und hob es auf. Dann zog er daran, um zu prüfen, ob es auch hielt.
Er hätte es lieber nicht tun sollen, denn die „lieben Kerlchen“ hatten keinesfalls die Absicht, den Arwenacks das Klettern zu erleichtern, so menschenfreundlich waren sie gar nicht.
Als der Profos mit seinem Gewicht an dem Tau hing, nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Eine primitive Maschine erwachte zum Leben und schickte sich an, mit tödlicher Präzision zu funktionieren.
7.
Zuerst war da ein leises feines Knistern zu hören. Es ertönte von weiter oben, war aber noch nicht zu definieren. Es hörte sich an, als würden Büsche niedergewalzt.
Aus dem Knistern wurde ein Knacken, ein leises Krachen und schließlich ein Rumpeln.
Der Profos, der immer noch das dünne Seil in der Hand hielt, blickte nach oben. Auch Dan und Ferris sahen hoch, neugierig anfangs, doch dann tödlich entsetzt.
Von oben rollte ein etwa tonnenschweres Monstrum durch die Rinne. Es war eine riesige Walze aus Holz, die die Rinne bis zu den Seitenwällen ausfüllte. Die große Walze war mit mehr als armlangen hölzernen Stacheln gespickt. Sie wirkte wie ein riesiger Seeigel. Spitz und ungemein scharf sahen die Stacheln aus, auf denen sich das hölzerne Monstrum fortbewegte. Dem Gesetz der Schwerkraft folgend, bewegte es sich talwärts durch die Rinne, wobei es immer schneller wurde.
Das Rumpeln wurde lauter und bedrohlicher. Gleichzeitig erklang auch wieder der nervtötende Ton der Muscheltrompete als höllische Musik zu dem rollenden Stachelkörper.
Berührte das Monstrum Büsche oder Pflanzen, dann wurden sie erbarmungslos niedergewalzt und von den spitzen Stacheln durchbohrt.
Und das Ding rollte und rollte, rumpelnd und alles zermalmend rückte es unaufhörlich näher.
„Mein Gott“, sagte der Profos entsetzt. Mit großen Augen starrte er auf das monströse Stachelding. In kürzester Frist würde es sie alle drei überrollen.
Gehetzt sahen sie sich nach einem Fluchtweg um, doch es gab keinen. An den Stacheln gelangten sie nicht vorbei, das war unmöglich, denn die Walze füllte die Rinne restlos aus und ließ keine Zwischenräume übrig.
Nach rechts oder links konnten sie ebenfalls nicht ausweichen. Da gab es nur hohe glatte Wälle aus Basaltgestein, die nicht zu erklimmen waren.
Und das Ding aufhalten? Das war ebenfalls ausgeschlossen. Das Gewicht des rumpelnden Ungeheuers war zu schwer, und da waren die scharfen Stacheln, mehr als hundert an der Zahl, mit denen der Körper über und über gespickt war.
Gehetzt sahen sie sich um. Es war nicht leicht angesichts der tödlichen Bedrohung die Nerven zu behalten.
„Eine wahrhaft teuflische Falle“, sagte Dan. Die gesunde Bräune seines Gesichtes war einer fahlen Blässe gewichen.
„Zurück!“ schrie er. „Zurück nach unten! Schnell, beeilt euch!“
Lange Zeit zum Überlegen blieb nicht mehr, zumal der schwere Körper mit jedem Yard schneller wurde. Er begann jetzt schon zu hüpfen und nahm dadurch an Geschwindigkeit zu.
Carberry sah sich im Geist bereits von diesem Ding überrollt. Sie konnten rennen, wie sie wollten, die Walze würde schneller sein, sie aufspießen, mit sich schleppen, wobei sich die hölzernen Dornen bei jeder Umdrehung fester in ihre Körper bohren würden. Bis die Walze unten anlangte, waren sie nur noch rohe Fleischklumpen.
Im Innenhof der Festung hatte man das Rumpeln ebenfalls vernommen und dann die Walze gesehen, die sich wie ein monströses Ungeheuer immer schneller durch die Rinne bewegte.
Niemand konnte den drei Arwenacks helfen.
Hasard erkannte, daß sie wie gelähmt dastanden und nicht wußten, wie sie der Gefahr entrinnen sollten. Dann hörte er Dan O’Flynns wilden Schrei.
„Hinunter mit euch!“ brüllte Hasard, so laut er konnte. „Verdammt, bleibt nicht stehen! Lauft um euer Leben!“
Fassungslos und entsetzt sahen die anderen, wie Leben in die drei Gestalten kam. Carberry löste sich aus seiner Erstarrung. Ferris Tucker drehte sich um und raste los. Auch Dan O’Flynn setzte sich in Bewegung.
Es ging buchstäblich um Sekunden, in denen die Männer um ihr Leben liefen. Hinter ihnen bewegte sich mit nervtötendem Krach der riesige Seeigel. Er hüpfte auf und nieder, wenn die Stacheln über Unebenheiten polterten. Der Krach der rollenden Walze wurde fast unerträglich.
Der Profos schwitzte Blut und Wasser. Er vergaß vor Angst sogar das Fluchen. Auch er hatte sich umgedreht und das Genick eingezogen. Sein Gesicht war verzerrt. Schweißbäche rannen ihm in die Augen.
Er lief und lief und bewegte sich mit abenteuerlichem und halsbrecherischem Tempo durch die Rinne nach unten.
Ferris Tucker glitt aus und überschlug sich. Die anderen sandten ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel, als das Ding direkt hinter Carberry herrollte.
Ferris überschlug sich noch ein paarmal. Er spürte die Schmerzen nicht, er versuchte nur, wieder auf die Beine zu kommen, was ihm auch gelang. Dan O’Flynn war dicht neben ihm. Auch ihm rann der Schweiß in die Augen. Seine Lungen japsten nach Luft, er war völlig ausgepumpt und erschöpft.
Kurz darauf geriet der Profos ins Straucheln. Er konnte sein wahnsinniges Tempo nicht mehr abbremsen, überschlug sich ebenfalls und schlitterte durch die Rinne. Die hüpfende und tanzende Todeswalze befand sich höchstens noch zehn Yards hinter ihm. Sie tat einen mächtigen Satz. Es krachte und bebte, als die Rinne erschüttert wurde. Einer der spitzen