Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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wieder zuckte er zusammen, wenn die Muscheltrompete mit ihrem durchdringenden Ton erklang. Er drang jedesmal von einer anderen Stelle der verwunschenen Insel zu ihnen.

      „Kannst du mir vielleicht mal sagen, was das ist?“ erkundigte er sich brummig bei Hasard. „Seehunde ganz bestimmt nicht, die heulen ganz anders. Also sind es doch Inselgeister, die uns mit ihrer Tröte wahnsinnig machen wollen.“

      „Weshalb sollten sie das tun, Donegal?“

      „Damit wir hier verschwinden und sie in Ruhe lassen. Sie wollen uns einschüchtern.“

      „Da haben Geister aber viel bessere Mittel“, meinte Hasard lächelnd. „Jedenfalls nehme ich das an.“

      „Aber den Ton kannst du mir nicht erklären.“

      „Er ist natürlichen Ursprungs, da bin ich ganz sicher. Der Wind streicht über Löcher im Gestein, als wenn du über den Hals einer leeren Flasche bläst. Genauso hört sich das dann an.“

      „Ich blase niemals über leere Flaschenhälse“, motzte Old Donegal. „Nur über volle. Außerdem ruft man dadurch nur die Geister herbei.“

      „Hoffentlich nagen sie dann nicht dein Holzbein an.“

      Old O’Flynn war eingeschnappt. Die Geister riefen immer noch, und außer ihm, Smoky und dem Profos wollte das keiner wahrhaben.

      „Ich schlafe heute nacht jedenfalls nicht an Deck“, verkündete er bockig. „Die Geister dieser Insel …“

      „… die ärgern jeden Einfaltspinsel“, sagte Ferris Tucker grinsend.

      Aber damit kam er bei dem Alten schlecht an. Der wurde jetzt regelrecht grantig, als er sich veräppelt fühlte. Er stand auf und ging wortlos nach unten. Erst am Niedergang drehte er sich noch einmal um.

      „Die Geister dieser Inseln, die lassen dich noch winseln“, reimte er und blickte dabei den Schiffszimmermann an. „Morgen früh wirst du dein blaues Wunder erlebt haben.“

      „Wir werden’s überstehen“, sagte Ferris gelassen. „Wir haben schon so viel überstanden, da werden uns die Inselgeister auch nicht mehr schaffen.“

      Die anderen blieben noch ein paar Stunden an Deck. Aber die Unterhaltung versandete allmählich, denn immer wieder erklangen diese Töne geheimnisvoll aus dem Nichte. Etwas später war auch ein leises und fernes Brausen zu hören, das ständig anschwoll und lauter wurde.

      „Die Flut“, sagte Hasard lakonisch, als die Mannen lauschten. „Das Wasser wird durch die Kanäle hereingedrückt oder schießt in das poröse Gestein. Oder sind das auch Geister?“

      In dieser Nacht wurden zwei Wachen aufgestellt, ein Mann im Großmars, der den größten Teil der Insel überblicken konnte, und einer an Deck.

      Aber sie hörten nichts als geheimnisvolles Raunen, Gurgeln und immer wieder die seltsamen Töne der Muscheltrompete, auf der ein Unsichtbarer blies.

      Am anderen Morgen hatte die Flut fast ihren höchsten Punkt erreicht. Es herrschten jetzt die günstigsten Voraussetzungen für eine Erkundung der Insel.

      „Juan, Ed, Ferris, Dan und ich werden als erste an Land gehen“, verkündete Hasard. „Wir bilden sozusagen den Voraustrupp. Ein paar andere können dann folgen.“

      Auf Musketen verzichtete Hasard. Sie waren unhandlich und schwer. Daher nahmen sie Pistolen mit, die bequem im Hosenbund verstaut werden konnten.

      Als sie im Boot saßen und zur Insel hinüberpullten, deutete Hasard mit dem Finger voraus.

      „Wir werden uns das Zentrum der Insel ansehen. Das wird uns ohnehin noch genügend Rätsel aufgeben.“

      Die anderen blickten schweigend auf das merkwürdig geformte Inselland, das so ganz anders aussah, als sie es gewohnt waren.

      Am Ufer, zwischen aufgetürmten kantigen Basaltsäulen, waren dämonische Fratzen zu erkennen. Der Basaltstapel stellte offenbar einen Altar dar, den die dämonischen Fratzen bewachten. Sie sahen fürchterlich aus mit ihren langen hervorstehenden Zähnen, den breiten Mäulern und den flammenden Blicken.

      Sie bewegten sich weiter auf dem breiten Kanal, der ein Stück um die Insel herumführte. Salzwasserkrokodile waren keine zu sehen, obwohl sie scharf aufpaßten.

      „Da ist wieder das klagende Signal zu hören“, sagte Don Juan. „Woher mag es nur stammen? Das sind keine Löcher, über die der Wind bläst. Das muß etwas anderes sein.“

      „Man hört die Töne aus allen möglichen Ecken“, erwiderte Hasard. „Mal sind sie weit entfernt, dann wieder ziemlich nah. Vermutlich ist es doch der Wind, und der streicht über mehrere Löcher im Felsgestein. Ich habe keine andere Erklärung.“

      Immer wenn sie angestrengt lauschten, verstummte der klagende Ton. Hasard fand das sehr eigenartig. Aber vielleicht war es nur ein Zufall. Dennoch ließ ihn der Reiz dieser Töne nicht mehr los. Immer wieder lauschte er, bis er sie wieder vernahm. Jetzt erklangen sie wieder von einer ganz anderen, weiter entfernten Stelle.

      Der Kanal wurde um ein gutes Yard schmaler. Weiter vorn ragte eine terrassenartig angelegte Treppe ins Wasser. Rechts und links flanierten sie zwei steinerne Figuren mit bösartigen Gesichtern. Sie starrten die Eindringlinge wild an.

      Hasard blieb davon unbeeindruckt. Dämonenfratzen hatten ihn noch nie erschüttert. Sie sollten abschrecken, und in vielen Fällen taten sie das auch.

      Die steinernen Dämonen hatten die Größe von Zwergen, von bösartigen Zwergen. Carberry wurde das Gefühl nicht los, als würden sie sich sofort auf ihn stürzen, sobald er sich nur umdrehte.

      Sie vertäuten das Boot an dem steinernen Steg und gingen ein paar Basaltstufen hinauf. Verwundert blieben sie stehen.

      „Donnerwetter“, sagte Hasard. „Das ist ja eine mächtige Festung. Sie ist fast unangreifbar.“

      Staunend sahen sie sich um.

      Die Festung ragte hoch aus dem Meer und sah aus wie ein großes, steinernes Schiff. Als Masten dienten die Kokospalmen, die in der Nähe wuchsen.

      Die steinerne Festung bestand aus gewaltigen Wänden und Wällen, wobei die Wände etwa zehn Yards hoch waren und drei Yards dick. Sie waren ausschließlich aus grauen Basaltpfeilern aufgeschichtet und etliche Jahrhunderte alt.

      Nachdem sie die Basaltpfeiler gebührend bestaunt hatten, gingen sie weiter in einen Vorhof, der quadratisch angelegt war. Hier befanden sich die gewaltigen Ringmauern von fast hundert Yards Länge. Der riesige Zyklopenwall war noch gut erhalten. Nur an vereinzelten Stellen hatten sich Brotfruchtbäume festgesetzt und am Mauerwerk genagt. Ein Teil der Wälle war von Kletterpflanzen überzogen. Dadurch wirkten sie noch gewaltiger.

      Hasard drehte sich um und sah vom Innenhof hinaus.

      „Von diesen Baumeistern können wir eine Menge lernen. Was sie hier geleistet haben, grenzt fast an Zauberei.“

      Don Juan nickte beeindruckt. Sein Blick war auf eine Steinfigur gerichtet, die drohend den rechten Arm hochhielt, als wollte sie die Eindringlinge am weiteren Betreten hindern.

      „Wirklich phantastisch. Diese Festung hat nur eine einzige Öffnung von der Seeseite her. Kein großes Schiff gelangt in diesen Kanal. Nicht einmal beim höchsten Stand der Flut. Eindringlinge oder Angreifer mit Booten haben ebenfalls keine Chance, weiter vorzudringen. Sie liegen wie auf dem Präsentierteller, wenn sie hier hereinfahren.“

      „Und das alles ist aus kantigen Basaltsäulen gebaut“, sagte Dan staunend. „Die haben nicht einmal Bindemittel gebraucht, und trotzdem ist alles so wasserdurchlässig, daß es keinen großen Widerstand bietet.“

      Ein zweites Bollwerk, das den Innenbezirk zusätzlich schützte und absicherte, tauchte vor ihnen auf, als sie langsam weitergingen. Hier waren riesige Säulen aus Basalt wie Holzstöße aufgetürmt, ähnlich den Balken eines großen Blockhauses. In die wenigen Hohlräume hatte man porösen durchlässigen Korallenschutt gefüllt.

      Nach


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