Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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bin Raia“, sagte die Unbekannte. „Ich wollte Sie warnen vor dem Fluch der Geister von Nan Madol.“

      Hasards Verblüffung wuchs immer mehr. Er wollte jetzt aber keine weiteren Fragen stellen. Das konnte alles bei Tageslicht geklärt werden. Aber was hieß hier: der Fluch der Geister von Nan Madol?

      Kopfschüttelnd ging er daran, die schwere Platte beiseite zu schieben. Die Fackel hatte er auf den Boden gelegt und arbeitete verbissen daran, den Stein aus dem Weg zu räumen.

      „Mit wem redest du da, Sir?“ hörte er die besorgte Stimme des Kutschers wie aus unendlich weiter Ferne.

      Hasard lächelte knapp. Seine Verblüffung hatte er immer noch nicht ganz überwunden.

      „Mit einer Frau, Kutscher!“ rief er gelassen zurück, als sei das die natürlichste Sache der Welt.

      Den Arwenacks zog es nach dieser Antwort fast die Stiefel aus. Der Kutscher starrte in den Schacht und fragte sich selbst, ob er wohl noch alle beisammen hätte.

      „Ja, mit wem soll er sonst sprechen“, sagte der Profos. „Ist doch ganz natürlich, daß er mit einer Frau redet. Hier wimmelt es doch nur so von lieblichen Weiberchen.“

      Der Kutscher schluckte betreten. Er kratzte sich hinterm Ohr und wußte keine Antwort. Aber er hörte Hasards Stimme erneut.

      „Schickt noch einen Mann herunter, aber nur einen!“ rief er. Seine Stimme klang wie aus einem Grabgewölbe, und sie schien von allen Seiten gleichzeitig auf die Männer einzudringen.

      „Sind denn da noch mehr Weiberchen?“ fragte der Profos anzüglich. „Dann stelle ich mich sofort zur Verfügung.“

      „Du bist verletzt!“ fuhr ihn der Kutscher an.

      „Du zum Glück nicht“, erwiderte Carberry trocken. Er schwang sich in den Schacht und war Augenblicke später verschwunden.

      „Der ist nicht kleinzukriegen, der Lümmel“, knirschte der Kutscher. „Als ob er nicht endlich genug hätte.“

      Inzwischen erreichte der Profos den Seewolf und hörte erstaunt und verblüfft, daß Hasard etwas sagte und aus der Wand ein dünnes zartes Stimmchen antwortete. Und das Stimmchen sprach auch noch Spanisch!

      „Hier hält man eine Frau gefangen“, sagte Hasard. „Hilf mir mal, die Platte zur Seite zu wuchten.“

      „Ja“, sagte Carberry tonlos. Mehr fiel ihm augenblicklich nicht ein.

      Er drückte und zerrte an der Platte und schluckte aufgeregt. Dabei wurde er immer fuchtiger.

      Dann hatten sie es endlich mit vereinten Kräften geschafft. Sie hievten die schwere Steinplatte zur Seite. Hasard leuchtete mit der Fackel in eine Art Höhle, die quadratische Form hatte. Auch sie war aus Basaltgestein. Ein Dutzend Leute hätten bequem darin Platz gehabt, ohne sich gegenseitig zu stoßen.

      Das flackernde Licht fiel auf eine schwarzhaarige, anmutige und grazile Schönheit mit dunklen Augen, langen schwarzen Haaren, einer zierlichen Nase und einem lieblich geschwungenen Mund. Die Lady war in ein buntfarbiges Gewand gekleidet und wirkte zerbrechlich. Ihre Haut war fast bronzefarben, die schwarzen Augen blickten die beiden verblüfften Männer dankbar an.

      Sie wirkte auch keineswegs befangen oder eingeschüchtert.

      Der Profos glotzte, bis ihm fast die Augen aus dem Kopf fielen und er sich von Hasard einen leichten Rippenstoß einhandelte. Erst dann räusperte er sich. Offenbar hatte er einen Seeigel verschluckt.

      „Ich danke euch“, sagte die kleine Lady schlicht. „Ich habe eure Stimmen und eure Schritte schon lange gehört und immer wieder versucht, eure Aufmerksamkeit zu erregen. Hiermit habe ich gesungen“, erklärte sie lächelnd.

      Auf ihrer Handfläche hielt sie Hasard eine Muscheltrompete entgegen.

      „Wer seid ihr?“ wollte sie dann wissen. „Ihr seid keine Spanier, aber ihr sprecht trotzdem Spanisch.“

      „Mir kommt langsam alles spanisch vor“, murmelte der Profos halblaut. Wieder rieb er sich verdattert das mächtige Kinn.

      „Wir sind Engländer“, sagte Hasard und nannte ihre Namen. „Aber jetzt gehen wir erst mal nach oben. Erschrecken Sie nicht, Raia, wenn Sie gleich viele Männer sehen werden.“

      „Ganz bestimmt nicht“, versicherte die Schöne selbstbewußt.

      Als sie dann endlich oben war, schloß sie die Augen, als das grelle Sonnenlicht sie blendete.

      Hasard führte sie abseits in den hohen Schatten der Ringmauer. Er mußte grinsen, als er die Gesichter seiner Mannen sah. So selten dämlich hatten sie kaum geguckt wie jetzt. Aber das war nur verständlich. Schließlich begegnete ihnen auf einer abgeschiedenen Insel so gut wie nie eine Frau – und eine wunderhübsche noch dazu.

      Hasard wartete, bis sich Raia, wie sie sich nannte, wieder an die Helligkeit gewöhnt hatte. Das war in erstaunlich kurzer Zeit der Fall.

      Ihr Blick fiel zuerst auf das Mordinstrument, das mit zersplitterten Stacheln dicht vor der Rampe lag. Dann musterte sie die Männer, die schweigend und etwas verlegen herumstanden.

      „Haben die Geister einen von euch getötet?“ fragte sie.

      „Nein, zum Glück nicht, aber fast wäre es geschehen.“

      „Es ist der Fluch der Geister, der über Nan Madol liegt“, erklärte Raia. „Er trifft jeden Fremden, der in die Festung Nan Dowas eindringt, wo die Gebeine der Nahnmwarki ruhen.“

      „Diese Insel heißt Nan Madol?“ vergewisserte sich Hasard. „Dann ist das hier eine Grabkammer?“ Er wies mit der Hand auf den dunklen Schacht, über dem die Basaltsäulen aufgetürmt waren.

      „Ja. Niemand darf ihre Ruhe stören, sonst trifft ihn der Fluch.“

      Hasard versuchte, sich ganz langsam einen Überblick zu verschaffen. Zuviel stürmte von einer Minute zur anderen auf sie ein.

      „Wir haben diese Insel durch Zufall entdeckt und sind an Land gegangen“, sagte er. „Aber dieser Geisterfluch scheint doch wohl sehr realistisch von Menschen konstruiert worden zu sein.“

      Sie nickte mehrmals mit ernstem Gesicht.

      „Es gibt Leute, die wollen nicht, daß ein Fremder die Festung betritt. Er würde die Ruhe der Nahnmwarki stören. Der Fluch besteht darin, daß die große Walze sich löst und alle tötet. Es heißt dann, die Geister seien es gewesen.“

      „Eine Art Kultstätte also.“

      Sie nickte wieder sehr anmutig.

      „Wer die große Walze wieder hochzieht und sie mit Stacheln versieht, weiß ich nicht. Es sind Männer von den anderen Inseln.“

      „Die Männer haben Sie hierher gebracht. Wir sahen sie gestern, als sie die Insel verließen. Stimmt das?“

      „Ich bin entführt worden“, erwiderte Raia. „Schon zum zweiten, Male. Man hat mich immer nach Nan Madol gebracht, weil dieser Ort gefürchtet wird und niemand ihn betritt.“

      „Warum hat man Sie entführt?“

      Ihr Lächeln wirkte ernst. Sie neigte den Kopf und sah Hasard in die eisblauen Augen.

      „Solche Augenfarbe habe ich noch nie gesehen“, sagte sie lächelnd, aber immer noch mit unverkennbarem Ernst. Dann seufzte sie leise.

      „Mein Vater, der große Papalagi und Häuptling Malahiwi, liegt seit Jahren in Fehde mit einem anderen Stamm. Sie wollen, daß der Große Häuptling die Gefangenen herausgibt. Aber er weigert sich, denn die Gefangenen sind Mörder. Deshalb hat man mich entführt, um ihn zu erpressen.“

      „Dann – dann sind Sie eine Häuptlingstochter“, sagte Hasard verblüfft.

      „Eine princesa, so sagen die Spanier. Meinen Vater nannten sie einen rey, und sie hatten Respekt vor ihm.“

      „Ein König also“, sagte Hasard, „und


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